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Handarbeit von immensem Wert

In feiner Handarbeit und mit viel Liebe zum Detail werden in Kevelaer Orgelwerke als Werte für morgen geschaffen. Fast jeder Kevelaerer dürfte die Seifert-Orgel in der Basilika oder der Pfarrkirche St. Antonius kennen und somit wenigstens zwei der unzähligen Orgeln, die bundesweit und auch im Ausland durch das Unternehmen, das sich jetzt schon in der fünften Generation im Familienbesitz befindet, gebaut wurden.
Der heutige Inhaber und Orgelbauer Roman Seifert gewährt den Lesern des Kevelaerer Blattes einen Einblick in die Werkstatt und zeigt so den Ablauf „Hinter den Kulissen“.
Im Jahre 1885 gründete Orgelbaumeister Ernst Seifert in Köln ein Orgelbauunternehmen.
Im Jahre 1907, bedingt durch den Bau der großen Marienorgel (sie ist heute mit ihren über 140 Registern die größte deutsch-romantische Orgel der Welt) der Basilika fand das Unternehmen den Weg nach Kevelaer.
Materialwahl
Wenn man die Werkstatt des Unternehmens betritt, hat man zunächst das Gefühl, man betritt eine Schreinerei. Neben den Metall-Orgelpfeifen (aus verschiedenen Zinn-Blei-Legierungen, oft 82% Zinn, 18 % Blei) werden viele Pfeifen aus Holz (Hochgebirgsfichte) gebaut und das Gehäuse der Orgel ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Instrumentes. Eiche und Elsbeere (Birnensorte) sind hier erste Wahl. Für die Tasten wird heute kein Elfenbein mehr verarbeitet, sondern Knochen vom Rind. Diese werden für die weißen Tasten genutzt und Ebenholz (so schwer, dass es im Wasser untergeht) wird bei den schwarzen Tasten (Halbtönen) als Furnier aufgelegt (extrem teuer, deshalb keine Verarbeitung von massivem Holz).
In der Orgelbau-Werkstatt arbeiten 25 Personen, sie haben alle eine Ausbildung als Orgelbauer. Die Lehre in der Bundesfachschule für Musikinstrumente in Ludwigsburg dauert 3 ½ Jahre, in denen man jedoch wegen der langen Fertigstellung eines Instrumentes immer nur einmal einen Arbeitsvorgang mitmachen und so lernen kann. Seifert: „Wenn die Ausbildung abgeschlossen ist, dauert es in der Regel noch einmal vier bis fünf Jahre, bis man selbstständig arbeiten kann, deshalb ist auch eine frühe Spezialisierung für bestimmte Bereiche des vielschichtigen Berufs angeraten.“ Kenntnisse im Bereich Technische Zeichnung, Computertechnik, Schreinerei, Elektrotechnik, Metallverarbeitung, Feinmechanik, sowie in Statik und Architektur müssen erlernt werden und zuletzt darf eine gute Musikalität nicht fehlen.
„Neben dem künstlerischen Wert einer Orgel ist der materielle Wert enorm hoch, da die Herstellung durch Lohn sehr kostenintensiv ist. Eine Orgel mit 42 Registern, so wie sie in der Pfarrkirche steht, würde bei heutiger Beschaffung etwa 800 000 Euro kosten. 20 Prozent hiervon sind Materialkosten. Hinzu kommen noch die Kosten für die jährliche Wartung und Überarbeitung der Orgel“, so der Firmeninhaber.
Größenunterschiede
Im Gegensatz zu früher, wo die Metallpfeifen noch selbst gegossen wurden, werden diese heute nach vorgegebenen Maßen durch Vertragspartner angeliefert und dann vor Ort eingebaut. Hierbei sind die Pfeifen von extremen Größenunterschieden. Die Pfeife mit dem höchsten Ton (Metall) ist nur einen Zentimeter hoch, während die Pfeife mit dem tiefsten Ton (Holz) 10,80 Meter lang ist (der Resonanzraum – Rechteck – ist dabei so groß, dass ein kräftiger Mann ohne Probleme im Umfang hineinpassen würde).
An Seifert-Orgeln ist alles echt vom Material bis zur Mechanik, deshalb zählen sie zu den besten in der Welt, was auch dadurch deutlich wird, dass viele bekannte internationale Organisten sich auf den Weg nach Kevelaer machen, um einmal auf einer Seifert-Orgel zu spielen, die wahre Handwerkskunst widerspiegelt.

Der Turm der Basilika

Kevelaer. Am 10. April 1883 gab es den Startschuss zum Baubeginn für den 93 Meter hohen Turm der heutigen Basilika. Zunächst wurde das Notdach, welches den bereits fertiggestellten Bau sicherte, der bis zur Dachspitze reichte, entfernt. 1884 wurde der Bau vollendet. Die Pläne des Kölner Dombaumeisters Vincenz Statz waren damit umgesetzt und der mehr als 90 Meter hohe Turm fertiggestellt. Seit dieser Zeit ist der Turm ein viel fotografiertes Motiv.
Jeder Kevelaerer Bürger kennt den Turm von außen und einige nutzten früher die Möglichkeit, beim „Kaffeetrinken im Pastors Garten“ mit den Messdienern den Turm zu besteigen. Aus versicherungstechnischen Gründen wurde dieses Angebot eingestellt. Auch für die Organisten, das Basilikaorchester und den Basilikachor ist der Zugang zum restlichen Turm ab der Empore mit einer dicken Holztüre und darauf befindlichen spitzen und nach vorne gerichteten Nägeln gesperrt. Nur die Küster, die bis in die Spitze des Turmes die Fahnen hängen müssen, dürfen hier noch weiter.
Einige Geschichtsdaten sind fest mit dem Turm verbunden. Am 1.9.1939, also am Tag des Kriegsausbruchs, wurde das Gnadenbild zusammen mit Weihegaben, verlöteten Tuben und mit einer vom damaligen Wallfahrtsrektor Wilhelm Holtmann unterzeichneten Urkunde in einem verzinkten Blechkasten im Fußboden der Turmhalle der Basilika vergraben und eingemauert. Am 27.4.1942 wird die erste Bronzeglocke aus dem Basilikaturm geholt. Am 1.4.1954 Weihe von fünf neuen Glocken für die Basilika durch Weihbischof Heinrich Roleff. Es sind aus Stahl gegossene Glocken als Ersatz für die im Krieg beschlagnahmten aus Bronze. Am 25.8.1974 fällt vom Basilikaturm herabstürzendes Gestein auf einen Wasserspeier und reißt ihn mit in die Tiefe. Dieser erschlägt eine ältere Pilgerin aus Holland, mehr als zehn weitere Personen werden verletzt. Seit dem 29. Juni 2002 trägt der Turm ein drei Tonnen schweres Kunstwerk aus Bronze im Maßwerk über dem Hauptportal der Basilika. Bert Gerresheim schuf das monumentale Hochrelief „Apokalypse“ oder „Wiederkehr des auferstandenen Christus“. Vom 3.7.-15.8.2002 kommen zu den fünf vorhandenen Glocken drei große Glocken und eine kleine Glocke hinzu. Die Glockenweihe erfolgt durch Weihbischof Heinrich Janssen.
Der Turm beherbergt die Orgelanlage der Marienbasilika. Sie wurde in großen Teilen in den Jahren 1905–1907 von der Orgelbaufirma Ernst Seifert gebaut. Im Laufe der Jahrzehnte erhielt sie weitere Register und gilt heute mit ihren 149 als die größte romantische Orgel der Welt. Von der Orgel ist nur die prächtige Fassade im Inneren der Basilika zu sehen. Die über 10.000 Pfeifen befinden sich alle dahinter versteckt im Turm und machen den größten Teil der Königin der Instrumente aus.
Nicht nur schwindelfrei muss man sein, wenn man vom Basilikaturm nach unten schaut. Das Gleichgewichtsorgan sollte auch noch gut funktionieren, wenn man im Inneren hinaufsteigt. Man begeht eine steile Wendeltreppe aus Stein, ohne dass man zwischenzeitlich erkennen kann, wie hoch man bereits gestiegen ist. Man hat das Gefühl einen Drehwurm zu bekommen. Dass früher diese Treppe von zahlreichen Besuchern bewältigt wurde, zeigen eingeritzte Namenszüge und Daten im Putz der Seitenwände.
Auf der ersten Zwischendecke angekommen, findet man dort ein altes Uhrwerk der Turmuhr. Josef H. Schröer ist Spezialist für Turmuhren und hat erst vor Kurzem mit Dieter Goldschmidtböing (beide aus Bocholt) ein Uhrwerk des Xantener Doms restauriert und ein umfangreiches Buch über die Uhrwerke im Dom geschrieben. Das Uhrwerk im Basilikaturm identifizierte er als eine 1957 von der Fa. Bernard Vortmann in Recklinghausen in Westfalen gebaute Mechanik. Es fehlen das Pendel und das Hilfszifferblatt. Schröer ist aber noch im Besitz von Ersatzteilen für eine mögliche Reparatur, die er auch abgeben würde. Aus ebenfalls vorhandenen Auftragsbüchern der Fa. Vortmann, die 1963 geschlossen wurde, suchte Schröer die Uhr heraus und stellt das Foto davon dem Kevelaerer Blatt zur Verfügung. Hier ist sogar zu sehen, welchen Preis St. Marien hierfür bezahlen musste.
Vom Zwischenboden erfolgt nur ein kurzer Anstieg und man erreicht die ersten Glocken. Die zwei Meter großen Glocken hängen mit dem Pendelwerk an Balken, die durch mehrere Leimungen und Klemmschrauben fast einem Meter Stärke haben. Nur so können sie das Gewicht der Glocken beim Pendeln auffangen. Die Holzwände mit den großen Schallschlitzen die auch von außen zu sehen sind, verhindern, dass die Schallwellen beim Läuten den Turm einstürzen lassen. Um auf den unteren Balkon (wie am 1. Weihnachtstag die Musiker beim Turmblasen) zu gelangen, muss man im Balkengeflecht der Glocken über eine Leiter senkrecht wieder etwas herunterklettern.
Für die Küster geht es durch das Glockengestühl bis zur nächsten Plattform (hier ist die Uhr eingebaut), dann über Stahlleitern bis zu den oberen Außentüren, wo sie beim Päpstlichen Segen, das heißt, bei Anwesenheit eines Bischofs, die Fahnen aufhängen.