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Eine Tasse Kreativität

Wenn Inge Leenen auf das Coronajahr 2020 zurückblickt, dann kommt sie ins Überlegen. „Es war nie wirklich langweilig“, konstatiert die gelernte Floristin – vom Kellerbrand, der die Familie dazu zwang, sechs Wochen lang in einer Ferienwohnung zu leben, bis zum Errichten ihres eigenen „Ateliers“, wo sie seit Dezember ihre besonderen Kunstwerke zeigen und anbieten kann. 

Vor über 20 Jahren begann die heute 53-Jährige, im Kamp-Lintforter „Novalis Hochschulverein“ Kurse zu besuchen und Aquarelle zu malen. „Man braucht nur Pinsel und Papier, das ist alles“, erzählt sie, was sie gerade an der Arbeit mit diesen Materialien faszinierte. Zu Anfang habe sie „natürlich viel Blumen gemalt, später alles Mögliche.“ Und irgendwann kam der Tag, an dem sie begann, Ortsbilder zu kreieren. „Die Idee entstand auf einer Geburtstagsparty mit Radler und Bees“ (Aufgesetzter), gesteht sie lachend. Das erste Bild 1999 war – wie sollte es auch anders sein – ein Ortsbild von Winnekendonk. „Das habe ich dann mal auf den Winnekendonker Weihnachtsmarkt mitgebracht. „Und ich war überrascht, wie viele sich dafür interessierten.“ 

Individuelle Ortsansichten 

Aus der spielerischen Idee, Zeichnungen von prägenden Gebäuden und Plätzen mit lustigen Comics zu verbinden und so besondere Stadt- und Dorfansichten entstehen zu lassen, wurde ein langfristiges Projekt. „Dann fragte jemand nach Weeze, Kevelaer, Wetten und Twisteden – und dann ging das immer so weiter.“ Mittlerweile gestaltet Leenen ganz individuelle Wünsche der Kund*innen. „Das Bild hier war ein Kundenauftrag – das war für jemanden von hier, die sich da verlobt haben“, zeigt sie auf ein „New York“-Motiv. „Und das hier war in Rostock – eine Hochzeit im Zirkuszelt 2020“. Die Unikate, die sie erstellt, erzählten alle auch irgendwie eine ganz eigene Geschichte. „Die Bilder von Kervenheim sind auch mal nach Ungarn gegangen – das war das Abschiedsgeschenk für ein Paar, das dahin ausgewandert ist.“ 

Um das bestmögliche Bild zu gestalten, schwingt sie sich mit ihrem Mann oft auf die „Fiets“ und fotografiert die Häuser, die mit auf das Endprodukt kommen sollen. In Corona-Zeiten besteht dafür viel Zeit, die Ortschaften zu erforschen, da sonst nicht viel möglich ist. „Und die Menschen erzählen mir ihre Geschichte, was gemacht werden soll.“ Daraus bezieht die Malerin dann ihre Inspiration, um loszulegen und die Personen mit ihrem Ort und ihrer Geschichte sichtbar zu machen.

Seit Dezember vergangenen Jahres steht direkt neben dem eigenen Wohnhaus ein eigener, sehr hell angelegter Ausstellungsraum. „Hier stand früher unser Gartenhaus, das haben wir nach hinten gestellt und dafür das hier hingebaut“, erklärt Leenen. Nun ist es auch ihr „Arbeitsraum“, wo sie ihre besonderen Kunstwerke fertigt. „Wer vorbeiläuft, der schaut schon mal rein und winkt – das ist echt nett, wenn wir hier so sitzen.“ Wir, das sind sie und ihre nebenan wohnende Tochter Laura, die ihr beim Online-Vertrieb und der Werbung via Facebook unter die Arme greift. „Wir haben viel zu tun über das Internet“, sagt die junge Frau.

Kontaktlose Übergabe der Kunstwerke

In Zeiten von Corona hat sich der Verkauf der Kunstwerke von dem persönlichen Zusammentreffen, wie bei so vielen, auf die „Social Media“-Ebene verlagert. „Wir vereinbaren einen Abholtermin. Dann stellen wir die Sachen in eine Abholbox vor die Tür“, erzählt die Tochter. 

Über diesen Weg vertreiben sie neuerdings auch die handbemalten Motiv-Tassen, ein Projekt, dass Inge Leenen eigentlich schon ganz lange im Kopf hatte, jetzt aber während der Pandemie endlich angegangen ist. „Das ist anders, weil man nur einen bestimmten Bereich für die Motive zur Verfügung hat. Da musste ich erst ganz viel ausprobieren, was passt drauf, was nicht.“ Im Herbst ging es dann mit der Ausfertigung dieser Arbeiten so richtig los. 

Über diese Schiene habe sie dann auch gelernt, wo Bockholt liegt. „Da musste ich erstmal googeln, bevor ich wusste, dass das bei Straelen liegt. „Da haben uns Leute einfach geschrieben, die kannten uns nicht.“ Kurzerhand suchten die beiden Frauen den Ort auf. „Die haben ein Gemeindehaus in der Art wie eine kleine Gartenhütte und ein Heiligenhaus, echt nett – wie eine kleine Bauernschaft.“   

Orte auf Tassen     

So entstand eine Tasse mit dem Hauptradweg von Straelen nach Winnekendonk mit Radfahrern und den Bienen, „weil die nahe des ,Gemeindehauses’ ein ,Bienenhotel’ haben.“ Die Tassen gingen gleich im Dutzend weg. „Das haben die gleich in eine Nachbarschafts-WhatsApp-Gruppe reingestellt – und einer hat dann zwölf Tassen abgeholt.“

Wie bei den Bildern verleiht sie jetzt auch den Tassen den individuellen Motiv-Touch – als Hochzeitstasse, als „Verliebt in Dich“-Hochzeitstasse, für Firmen, Gruppen oder Vereine. „Der Feuerwehr hier habe ich auch eine mit Feuerwehrhaus und einer Sehenswürdigkeit gemacht“, als Dankeschön für die Rettung des eigenen Hauses, wo wohl ein technischer Defekt den Keller in Brand setzte. Der Ruß zog sich durch das Haus, einige Leinwände und die Großformate, die sie für die „Landart“ fertiggestellt hatte, musste sie wegschmeißen. Aber sie ist froh, dass nicht mehr passiert ist. „Ich denke da gar nicht drüber nach.“ 

Jetzt hoffen die kreative Mutter und ihre Tochter darauf, dass das Leben in absehbarer Zeit wieder in „normalen Bahnen“ stattfindet. „Wir haben aus der Zeit das Beste gemacht, aber ich vermisse schon die Begegnungen, die Landpartie wie früher und den Weihnachtsmarkt“, gesteht Inge Leenen. Und Laura ergänzt: „Es wäre mal wieder schön, dass einfach mal einer reinkommen und mit uns quatschen darf.“