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Schulinitiative „Kokon“ vorgestellt

Das Weezer Gesamtschulgebäude wurde kürzlich geschlossen und noch ist offen, welche Verwendung das aktuell leer stehende Schulgebäude in nächster Zeit haben wird. Zwei Elterninitiativen bewerben sich nun um den Zuschlag für das Gebäude. Neben der Elterninitiative für eine freie Realschule plant der Förderverein Kokon e.V. eine freie Grundschule und weiterführende Schule in Weeze. Kürzlich fand im Bürgerhaus Weeze die erste Informationsveranstaltung des Fördervereins Kokon statt.

Die neue Schulform soll eine Schule ohne klassischen Stundenplan, ohne altershomogenen Klassenverband, ohne stundenlangen Frontalunterricht und bis zur neunten Klasse auch eine Schule ohne Noten sein. Nach der Pädagogik von Maria Montessori, von Rudolf Steiner und dem Prinzip der Nicht-Direktivität sollen die Kinder mit Freude und aus eigenem Antrieb heraus lernen, eigene Themen einzubringen und individuell gefördert werden. Die Lehrpläne des Landes Nordrhein-Westfalen aber sollen in den neu geschaffenen Strukturen eingehalten werden.

Persönlichkeit statt Zeugnis

Felix Vos, Geschäftsführer des Kevelaerer Unternehmens Mera Tiernahrung mit knapp 150 Mitarbeitern, zählt von Beginn an zu den Unterstützern der neuen Schulinitiative. Auf der Informationsveranstaltung war er mit auf dem Podium und berichtete als Unternehmer, was im Berufsleben zählt und wo er Chancen des neuen Schulkonzeptes sieht. Für ihn sei bei Bewerbungsgesprächen ein Blick ins Zeugnis und dessen Noten kaum aussagefähig; vielmehr zähle für ihn die Persönlichkeit des Bewerbers, die sich nur im persönlichen Gespräch erkennen lasse. Für ihn als Unternehmer sei es wichtig, dass Kinder und Jugendliche in der Schule Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Kreativität lernen.

Oft sieht er Bewerber nach klassischen Schullaufbahnen nicht optimal auf das Berufsleben vorbereitet. „Viele haben Angst, Fehler zu machen, die sie ganz hemmt. Dabei sage ich immer: Fail fast, learn fast. Schneller als über gemachte Fehler kann man kaum lernen. Auch fehlt oft ein Einblick in die Praxis. Im geplanten Schulmodell sollen die Schüler viel besser auf das spätere Berufsleben vorbereitet werden. Sie können in Funktionsräumen sich selbstständig mit Lernmaterial beschäftigen, Experten aus der Praxis werden eingeladen und die Schulen werden viel stärker an die Berufswelt angegliedert, auch durch viele Praktika.“

Stärken, Selbstwertgefühl und Kreativität

Silke Beyermann ist ausgebildete Musikpädagogin und Musiktherapeutin. Seit wenigen Wochen bietet die Weezerin auch musikpädagogische und musiktherapeutische Kurse zur Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern im „Sportraum“ auf der Marienstraße 18 in Kevelaer an. Sie ist auch Mitglied der Kokon-Initiative. Ihr ist es wichtig, dass die Schule Kinder in ihren Stärken, in ihrem Selbstwertgefühl und ihrer Kreativität unterstützt. In ihrem Alltag als Musiktherapeutin erlebt sie, dass Kinder von Schule oft frustriert sind, unter Stress und Druck leiden, der sich oft in Bauch- und Kopfschmerzen äußert.

„Gerne hätte ich auch selbst so eine Schule erlebt, die die Kinder individuell fördert und sie in ihrer Kreativität sich entfalten lässt“, ist sie überzeugt. Die neue Idee unterstütze sie gern, denn nach einem solchen Modell können Lehrer viel mehr aus den Schülern herrausholen, meint Beyermann. Sie erarbeiten mit den Kindern einen persönlichen Lernkompass und jede Woche wird ein Feedback dazu gegeben, erklärt die Musiktherapeutin. Die Pädagogik basiere zum großen Teil auf der Montessoripädagogik, die Kinder in ihrer Selbstständigkeit unterstützt, sie selber Dinge entdecken und tun lässt. „Als Pädagogin und Therapeutin stehe ich voll und ganz hinter dem neuen Modell von Schule, das sich übrigens auch am skandinavischen Schulsystem orientiert, das dort schon seit 1974 erfolgreich umgesetzt wird und Kinder individuell fördert“, sagt Beyermann.

Ähnlich groß ist die Begeisterung von Ruth Plege, die in Kevelaer als Achtsamkeitstrainerin, Lerntherapeutin, Stress- und Mentalcoach arbeitet. Sie erfahre über ihre Arbeit immer wieder, wie Menschen heute immer mehr unter Stress leiden, sich Kinder kaum länger konzentrieren können, unruhig und abgelenkt sind. Individuell versucht sie, als Therapeutin die Kinder dabei zu begleiten, mit ihren Sinnen im Hier und Jetzt zu leben, gelassen, entspannt und gleichzeitig hoch fokussiert zu sein.

„Glück“ als Schulfach

Neben Achtsamkeitstraining sei es Plege wichtig, dass Kinder auch Freude und Begeisterung am Lernen erfahren können und ihr volles Potenzial entfalten können. Wie die Gründer der ähnlich konzipierten Facettenreich-Schule hat sie eine Zusatzausbildung zum Schulfach „Glück“ gemacht, in dem die achtsame Haltung als eine Ressource eine zentrale Rolle spiele. „In England ist Achtsamkeit schon ein Schulfach, es wäre so wichtig, nicht immer nur vom Ernst des Lebens zu sprechen, sondern Freude, Begeisterung bei den Kindern zu wecken, damit sie Schule auch mit etwas Schönem und mit Humor verbinden können. Oft sind Kinder sehr von Angst und Stress gesteuert, teils wird schon bei Schulkindern Burnout diagnostiziert. Wohin soll das Höher, Schneller, Weiter in unserer Gesellschaft noch führen? Das neue Schulkonzept ist da ganz anders. Ich halte es für ein sehr wertvolles, ganzheitliches Konzept, das Kindern hilft, ihre Persönlichkeit und Kreativität frei zu entfalten. Es ist großartig, mit wieviel Herzblut und Engagement dieses Konzept gerade auf die Beine gestellt wird“, meint Plege.

Überzeugt von der Schulform ist auch Monique van Lipzig, Hebamme und Mutter von drei Mädchen. Seit gut zwei Jahren verfolgt sie das Schulmodell der Schule Facettenreich. Sie hat zwei ihrer Mädchen spontan und vorläufig an der geplanten Kokon-Schule angemeldet. Sie wäre auch bereit, diese jeden Tag dorthin zu bringen und hofft nun, dass es auch klappt, dass die Kokon-Initiative das leere Gebäude übernehmen kann. „Kinder werden an einer solchen Schule einfach in ihren Fähigkeiten gefördert, sie lernen sich kennen, sich entwickeln und werden selbstständig. Das ist auch großartig für die Gemeinschaft, denn alle profitieren davon, wenn Talente entfaltet werden und Verantwortung großgeschrieben wird“, meint van Lipzig.