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Neue Klimaschutzbeauftragte freut sich auf Herausforderung

Ausnahmsweise öffnet Lea Heuvelmann für den Besuch des KB die Eingangstür des Rathauses. „Es ist halt Corona“, sagt sie und absolviert die Treppenstufen bis zum Flur im zweiten Stock. Dort befindet sich am Ende auf der rechten Seite ihr neues Büro – direkt gegenüber ist das des aktuellen „Hausherren“, des Kevelaerer Bürgermeisters Dominik Pichler. „Ich bin ein niederrheinisches ,Mädchen’ und glücklich, wieder hier zu sein“, sagt die 26-jährige gebürtige Kleverin, deren Eltern beide im Bereich der Krankenpflege tätig sind. Nach den diversen Stationen in Münster, Kassel und Bonn kann sie ihre erste richtige berufliche Aufgabe in der Region ausüben – als Klimaschutzmanagerin in der Wallfahrtsstadt Kevelaer. 

„Man sagt dem Niederrheiner ja Sturheit nach – ich nenne es Durchsetzungsvermögen“, deutet sie ein bisschen von dem an, was sie als Person in ihre neue Tätigkeit mit einbringen möchte. Dass sie sich mal beruflich so intensiv mit Klima und Nachhaltigkeit beschäftigen würde, war nicht absehbar in ihrer Schulzeit, sagt sie – auch wenn die Eltern zu Hause in Kleve ein Photovoltaikdach hatten, sich der Vater mit dem Thema befasste und sie jede Strecke in der Oberstadt mit dem Zweirad absolvierte. 

Fokus auf Nachhaltigkeit

Nach dem Abitur am Freiherr-von-Stein-Gymnasium war ihre unkonkrete Vorstellung, „Werbung für gute Sachen zu machen“ – auch wenn sie damals noch nicht so genau sagen konnte, was das konkret bedeuten soll. Schließlich studierte sie ab 2015 Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Münster, machte 2019 dort ihren Bachelor mit dem Fokus auf Nachhaltigkeit. 

In diesem Rahmen betreute sie unter anderem auch Workshops, die sich mit der „Optimierung der individuellen Mobilität im ländlichen Raum“ beschäftigten. Aus dieser Zeit nahm sie „viel Selbstorganisation, ein Verständnis für wirtschaftliche Prozesse“ und die Erkenntnis mit, „dass sich Dinge in Richtung nachhaltige Wirtschaft verändern müssen, damit wir auch weiter existieren können.“ Dementsprechend schloss sich ein halbes Jahr das Studium „Nachhaltiges Wirtschaften“ an der Uni Kassel an. „Ich bin immer dafür, Dinge auszuprobieren.“ Aber sie merkte, dass sie einfach etwas Praktisches machen wollte, beendete den Studiengang und machte ab September 2019 erst ein siebenmonatiges Praktikum, dann ein viermonatiges Werkstudium in der Gruppe „Qualität und Nachhaltigkeit“ bei der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GiZ) in Bonn. „Die Breite der Themen, verschiedene Akteure und Interessen unter einen Hut zu bringen“, das sei in dem Unternehmen eine interessante Herausforderung gewesen. „Ich hatte sehr professionelle Kollegen da“, denkt Heuvelmann positiv an diese Zeit zurück. 

Danach kam erst mal Corona – und die Suche nach einem Job, der zu ihr passt. „Ich hatte großes Glück, die Stelle hier zu bekommen. Das war im ländlichen Raum schon schwieriger“, gesteht sie. „Zumal es direkt passte.“ Damit meint Heuvelmann nicht nur die Tatsache, dass die Stelle logistisch von Kleve aus gut mit dem Rad, der Bahn und zu Fuß erreichbar ist. „Ich habe immer schon dran gedacht, in die Region zurückzukehren. Und die Ausrichtung, dass Kommunen aktiv Klimaschutz betreiben“, die habe sie halt auch angesprochen. Auch hier reize sie das weite Arbeitsfeld und die Herausforderung, unterschiedliche Interessensgruppen zusammenzubringen.

Mit ihrer Vorgängerin Nina Jordan habe sie sich schon zusammengesetzt und telefoniert. Eine Übergabe war nicht so einfach, weil sich die Zeiten des Abschiedes und Amtsantrittes nicht überschnitten. „Einige Sachen muss ich sicher nachfragen, mich erst mal jetzt in alles einarbeiten“, sagt sie. Die erste Förderungszeit für die Stelle der Klimaschutzmanagerin endet im April, danach läuft das Ganze für weitere zwei Jahre.

Eine Flut an Informationen

Heuvelmann fällt es nach den ersten knapp zwei Wochen natürlich schwer, eigene Schwerpunkte zu benennen. „Gerade am Anfang ist es eine Flut an Informationen“ – sowohl was die erstmalige Arbeit in einem Verwaltungsapparat angeht als auch die Erfahrung im neuen Job und der vielen Dinge, die in Kevelaer Thema sind. „Der Bürgermeister will mir hier alles zeigen“, damit sie sich ein Bild davon machen könne, „wie nachhaltig Kevelaer ist“ und wo man ansetzen könne. „Die Städte sind so verschieden“, dass man da keine allgemein gültige Faustregel für eine „nachhaltige Stadt“ liefern könne. „Hier zum Beispiel muss man ja auch die Wallfahrt mit einbeziehen“, nennt sie ein Beispiel. 

„Sich Akteure erschließen, Dinge nach und nach verstehen, die Zeit zum Einlesen nutzen“, das sind erstmal die Prioritäten. „Persönliche Kontakte sind natürlich schwieriger“, der Einstieg unter Corona-Bedingungen so gesehen nicht einfach. Klar sei aber die Aufgabenstellung, die Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes und seiner Maßnahmen voranzubringen. Daran sei sie schon gebunden. Natürlich wolle sie auch an das anknüpfen, was ihre Vorgängerin bereits angestoßen hat, was „Öffentlichkeitsarbeit und die Zusammenarbeit mit den Bürgern betrifft.“ Und natürlich gehörten „Energiefragen, der Verbrauch öffentlicher und privater Häuser, Neubauten und Mobilität“ sicher zu den Themen, um die es gehen werde.

Stadtplanung

Dass sie – anders als ihre Vorgängerin – nicht im Bereich Gebäudemanagement, sondern bei der Stadtplanung angesiedelt ist, ergebe aus ihrer Sicht thematisch Sinn. Sie sei von den Kollegen aus der Abteilung sehr freundlich empfangen worden, fühle sich dort wohl. „Da gibt es halt viele Berührungspunkte“, meint auch Planungsamtsleiter Franz Heckens, als er anklopft, um mit Heuvelmann etwas abzusprechen. So habe man einen anderen Informationsfluss und kürzere Abstimmungswege, um den Klimaschutz mit einzuflechten. „Aber Klimamanagement ist eh eine Sache, wo man sich vernetzen muss, weil viele Bereiche betroffen sind. Da muss man viel kommunikativ arbeiten“, ist er zuversichtlich, dass Lea Heuvelmann das hinbekommt.

Dass das allgegenwärtige Thema Corona den Fokus von Klimawandel und Klimaschutz ganz wegziehen wird, glaubt Heuvelmann nicht. „Ich denke, dass das Bewusstsein für den Klimaschutz nicht so einfach verschwindet“, sagt sie, sieht aber gleichzeitig eine wichtige Aufgabe darin, „das Bewusstsein dafür weiter aufzubauen“. Denn der Klimawandel sei in der Region noch nicht so angekommen. Andere Regionen der Welt seien da deutlich stärker betroffen. „Die vielen Feuer 2020 und die Philippinen“ mit ihren Taifunen und Überschwemmungen seien da nur zwei Beispiele. Heuvelmann hofft, mit ihrem Engagement möglichst viele Kevelaerer*innen für den Klimaschutz zu gewinnen. „Die Verwaltung, Unternehmer, die Kirche, jeder Einzelne – da kann man keinen ausnehmen“, hofft sie darauf, dass da alle an einem Strang ziehen und ein gutes Miteinander entsteht.

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Klimaschutz in der Wallfahrtsstadt Kevelaer

Das Thema Klimaschutz genießt in Kevelaer auf kommunaler Ebene längst einen sehr hohen Stellenwert. In den vergangenen Jahren wurden bereits viele Projekte umgesetzt oder zumindest auf den Weg gebracht. Beispielsweise wurde die Stadt 2016 erstmalig und erneut 2019 mit dem European Energy Award (eea) ausgezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein Programm zur Analyse und Bewertung der vorhandenen energetischen Strukturen und zur Umsetzung und Verbesserung der Energiearbeit und Energiepolitik in einer Kommune. Auch die Bildung eines extra Ausschusses für Klima, Umwelt und Gebäudemanagement in der neuen Legislaturperiode verdeutlicht, wie wichtig Politik und Verwaltung der Klimaschutz ist.

Eine wichtige Aufgabe der neuen Klimaschutzmanagerin ist die Weiterentwicklung des integrierten Klimaschutzkonzeptes aus dem Jahre 2016 und die Information über die Inhalte – sowohl verwaltungsintern als auch extern. Dabei gilt es zu definieren, welche Maßnahmen für Kevelaer sinnvoll und realisierbar sind und die erforderlichen Prozesse und Projekte für eine übergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung wichtiger Akteure zu initiieren. Die Personal- und Sachkosten für die Fortschreibung und Umsetzung des Klimaschutzkonzeptes werden zu Teilen aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative bezuschusst.“ (Quelle: Internetseite der Wallfahrtsstadt Kevelaer)

Nina Jordan beendet ihre Arbeit als Klimaschutzmanagerin in Kevelaer

Für viele ist sie mittlerweile das Gesicht des Klimaschutzes bei der Stadt Kevelaer geworden – jetzt beendet Nina Jordan nach zweieinhalb Jahren ihre Arbeit in Kevelaer. Am 1. März 2018 hatte Jordan offiziell ihre Tätigkeit als Klimaschutzmanagerin in der Wallfahrtsstadt aufgenommen. Im August 2019 erweiterte sich dann ihr Aufgabenbereich, als sie zur Umweltbeauftragten der Stadt ernannt wurde.

Im Gespräch mit dem Kevelaerer Blatt nannte Jordan ausschließlich „private Gründe“ für ihren Entschluss, Kevelaer den Rücken zu kehren und zukünftig als Klimaschutzmanagerin der Stadt Stolberg zu arbeiten. „Da gibt es einfach eine größere private Nähe nach Aachen, wo mein Lebensgefährte wohnt“, meinte die 37-Jährige. Sie habe sich natürlich darüber gefreut, dass die Stadt Stolberg von ihrer „Arbeit in Kevelaer überzeugt“ war. Sie habe in Kevelaer viel Erfahrung im kommunalen Klimaschutz sammeln können – ein Bereich, in den sie sich habe erst einarbeiten müssen. „Ich hätte es hier auf jeden Fall noch länger ausgehalten“, versicherte Jordan. „Aber es sind halt die Umstände.“

Die Stelle der Klimaschutzmanagerin / des Klimaschutzmanagers wird also zum 1. November 2020 frei. Interessenten können sich bei der Stadt Kevelaer bewerben

„Wir müssen noch einiges tun“

Seit 2018 hat Kevelaer mit Dr. Nina Jordan eine Klimaschutzmanagerin. Jetzt steht die Verlängerung der Stelle um zwei Jahre an. Das Kevelaerer Blatt sprach mit Nina Jordan über ihre bisherigen Erfahrungen, Klimakrise in der Coronakrise und die vor uns allen liegenden Aufgaben.

KB: Frau Dr. Jordan, wie haben Sie die Situation in Kevelaer bei Ihrem Amtsantritt erlebt?

Dr. Nina Jordan: Mein erster Eindruck war der European Energy Award und eine große Teamsitzung dazu. Der Energy Award ist in Kevelaer ja ein seit vielen Jahren gut etabliertes System. Da habe ich gemerkt: Hier fängt man nicht bei null an.

Womit haben Sie selbst denn angefangen?

Ich habe mich zunächst in allen Ortschaften vorgestellt, mit einem Vortrag zu Klimawandel und Klimaschutz. Das war natürlich sehr allgemein, aber ich wusste ja nicht, wo die Leute stehen. Viele dieser Menschen sehe ich noch heute regelmäßig wieder, wenn ich etwas organisiere, zum Beispiel bei der Filmreihe, da waren die gleichen Leute oft bei drei bis fünf der Filme dabei.

Welche Aufgaben haben Sie hier seitdem erwartet?

Das meiste sind Dinge, die man einmal anfängt und die dann nicht mehr weggehen (lacht). Oft macht es keinen Sinn, die Dinge nur einmal zu machen, zum Beispiel den Handwerkermarkt, der in diesen Tagen leider ausfallen muss. Letztes Jahr habe ich für die Medien das Thema Photovoltaik aufbereitet. Das müsste ich eigentlich dieses Jahr wieder machen, denn viele Anlagen werden jetzt 20 Jahre alt und fallen aus der Förderung heraus.

Ein großes Thema, das mich begleitet, ist zudem die Altbausanierung, verbunden mit dem Netzwerk Altbauneu. Da ist immer was los wie jetzt die geänderten Förderbedingungen und damit eine neue Broschüre. Man erreicht auch nicht immer jeden zu jeder Zeit. Wer jetzt ein Haus kauft, interessiert sich heute und nicht in einem Jahr für das Thema Sanierung.

Welches Thema konnten Sie noch nicht so voranbringen, wie Sie es gern getan hätten?

Ich versuche schon länger, das Thema Neubau zu platzieren, aber da muss man viel erklären. Das Potenzial beim Altbau verstehen viele, aber wir dürfen den Neubau nicht aus den Augen verlieren, denn neue Häuser stehen für 100 Jahre. Wir wollen 2050 klimaneutral sein, also müssen wir jetzt schon klimaneutral bauen. Dazu müssen wir mehr beraten und als Verwaltung mit gutem Beispiel vorangehen. Aber das ist abhängig vom politischen Willen.

Am politischen Willen ist auch die Ausrufung des Klimanotstands für Kevelaer gescheitert. Wie beeinflusst das Ihre Arbeit?

Es hat keinen Einfluss auf meine Arbeit, weil dadurch nicht beschlossen wurde, alle Anträge der Politik auf die Klimafolgen abzuklopfen, wie das andere Kommunen machen. Für mich ist die Entscheidung ein zweischneidiges Schwert: Mit Klimanotstand würde ich wohl nicht mehr von den Vorlagen loskommen. Aber ich mache gerne Vorschläge, was man noch anpacken kann. Wir sind auf einem guten Weg, aber mehr geht immer.

Bedeutet Ihr Job oft Reibung mit den Kollegen und der Politik?

Klimaschutzmanager sind per se Störenfriede in der Verwaltung. Es ist nicht meine Aufgabe, mich beliebt zu machen, sondern das „Wir-haben-das-immer-so-gemacht“ zu hinterfragen. Ist das so gut für uns und fürs Klima? Das gilt natürlich auch für jeden einzelnen von uns, wenn wir zum Beispiel entscheiden: Fahren wir mit dem Auto oder dem Fahrrad zum Sport?

Wie beeinträchtigt die Coronakrise Ihre Arbeit gegen die Klimakrise?

Durch Corona war es ein paar Wochen etwas ruhiger, gut um Dinge abzuarbeiten. Es trifft meine Arbeit, weil keine Veranstaltungen mehr stattfinden, aber ich mache Medienarbeit, kann Maßnahmen vorbereiten und stehe zur Telefonberatung zur Verfügung. Im Moment läuft die Vorbereitung für das Stadtradeln, das in diesem Jahr mehr Vorbereitung erfordert, da erstmals alle Kommunen im Kreis teilnehmen. Außerdem laufen ja meine beiden Wettbewerbe zu klima- und insektenfreundlichen Vorgärten ganz normal.

Wenn der Haupt- und Finanzausschuss wie erwartet die Stelle der Klimaschutzmanagerin verlängert – welche Aufgaben bringt das dann für die zusätzlichen zwei Jahre mit sich?

Ich sehe wie schon angesprochen großes Potenzial beim Thema Neubau, aber auch für das Thema Grün in der Stadt – Dach- und Fassadenbegrünung – sowie bei nachhaltiger Mobilität. Die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses wird diesbezüglich sehr spannend, weil sie richtungsweisend wird beim Thema Peter-Plümpe-Platz. Da kann man vieles richtig oder falsch machen. Ich wünsche mir weniger Parkplätze und mehr Aufenthaltsqualität. Man plaudert miteinander, wenn man zu Fuß unterwegs ist, aber nicht, wenn man im Auto sitzt. Eine lebenswerte Stadt hat viele Vorteile für die Bürger, auch beim Umgang mit ganz unterschiedlichen Krisen, selbst bei einer Pandemie.

Zusammengefasst: Ist Kevelaer denn beim Klimaschutz auf Kurs?

Ich habe im vergangenen Jahr die CO2-Bilanzierung gemacht. Da kam heraus, dass wir Stand 2017 gegenüber 1990 20 Prozent eingespart haben. Damit stimmen wir in etwa mit dem Landesziel von NRW überein. Das bedeutet aber auch, dass wir noch einmal ungefähr den gleichen Zeitraum haben, um 80 Prozent einzusparen. Da müssen wir noch einiges tun. Schwierig. Wir können aber auch nicht alles als Kommune erreichen. Manche Hebel liegen höher, in Berlin oder Brüssel.

Das Interview führte Björn Lohmann.

Gute Zahlen, schlechte Fakten?

Die CO2-Emissionen Kevelaers sind seit 1990 um 20 Prozent, pro Kopf sogar um 30 Prozent zurückgegangen. Das teilte die Klimaschutzmanagerin der Wallfahrtsstadt Kevelaer, Dr. Nina Jordan, vor Weihnachten mit (das KB berichtete). Aber wie setzt sich dieser Rückgang zusammen – und vor allem: Wie sehen die künftigen Klimaschutzziele aus und wie sollen sie erreicht werden? Das KB blickte dazu gemeinsam mit Nina Jordan auf die Daten.

Lokale Daten erst seit 2011

Die wichtigste Erkenntnis vorneweg: So richtig brauchbare Vergleichsdaten gibt es für Kevelaer eigentlich erst seit 2011. Seitdem werden – vor allem dank Kevelaers Energiemanagerin – kommunale Daten erhoben. Ältere Werte basieren im Wesentlichen auf Daten für den durchschnittlichen Bundesbürger, die dann anhand der Einwohnerzahl für Kevelaer hochgerechnet wurden.

Zustande kommen die Daten heute folgendermaßen: Im Strom- und Gas-Sektor wissen die Netzbetreiber genau, welche Mengen in Kevelaer verbraucht werden. Diese Daten sind heruntergebrochen auf Haushalte, Gewerbe und Industrie. Den Verbrauch der kommunalen Einrichtungen kennt Jordan aus den Abrechnungen der Versorger, die die Stadt erhält. Aus dem Verbrauch an Gas und Strom errechnen sich die damit verbundenen CO2-Emissionen.

Keine kommunalen Daten gibt es bis heute für den Verkehrssektor. Hier liegt weiterhin die Emission des deutschen Durchschnittsautos zugrunde, multipliziert mit der Zahl der in Kevelaer gemeldeten Fahrzeuge. Die realen Werte dürften sich in ländlichen Regionen, zu denen Kevelaer gehört, eher oberhalb des Durchschnitts bewegen. Hinzu kommen die Emissionen von Bus und Bahn – beides in Kevelaer keine sehr relevanten Größen. Was auffällt: Verkehrsemissionen, die entstehen, weil Menschen von außerhalb die Wallfahrtsstätten, die Einkaufsstraßen oder das Irrland besuchen, werden somit den Städten zugerechnet, in denen die Touristen und Pilger ihre Fahrzeuge gemeldet haben, selbst wenn die Ursache dieser Fahrten in Kevelaer liegt.

Was auch fehlt, sind aktuelle Daten darüber, wie viele Haushalte noch (mit welcher Menge) Öl, Kohle oder Holz heizen. Hierzu gibt es für Kevelaer eine mit Hilfe der Schornsteinfeger erstellte Erhebung aus dem Jahr 2013. Jordan hat der Einfachheit halber die Annahme aufgestellt, dass der Anteil der Öl- und Kohleöfen pro Jahr um ein Prozent zugunsten der Holzheizungen abgenommen hat. Angesichts der Lebensdauer von Heizöfen darf man diese Annahme als vorsichtig bewerten.

Verbrauch bleibt hoch

Summiert man alle diese nach für NRW standardisierten Methoden erhobenen Daten, erhält man für Kevelaer Emissionen, die 2017 rund 20 Prozent unter denen von 1990 lagen – rund 200.000 Tonnen; oder eben statt 10,5 noch sieben Tonnen pro Kopf, besagte 30 Prozent weniger als 1990, da Kevelaers Bevölkerungszahl in diesem Zeitraum deutlich gewachsen ist. Wer jetzt denkt, sieben Tonnen seien ja klar unter Bundesdurchschnitt (9,0 t in 2017), der freut sich zu früh. Hier fehlen nämlich noch sämtliche konsumbedingten Emissionen, Flugreisen etc., die in wohlhabenden Ländern großen Anteil am CO2-Fußabdruck haben.

Ein weiterer Aspekt vermiest die Freude darüber, dass Kevelaer das Ziel von 25 Prozent weniger CO2-Emissionen bis Ende 2020 wohl erreichen wird: Der Energieverbrauch Kevelaers geht fast nicht zurück. Kevelaer erreicht seine Ziele vor allem deshalb, weil der Strommix heute einen deutlich höheren Anteil aus erneuerbaren und damit CO2-freien Quellen enthält.

Positiv schlagen für Kevelaer außerdem die Biogasanlage Wissen und neben den lokalen Photovoltaikanlagen auch die Windkraftanlagen zu Buche. Von derartigen Effekten wird die Wallfahrtsstadt auf dem weiteren Weg zur Klimaneutralität jedoch kaum noch profitieren können, denn die Flächen für den Windkraftausbau sind weitgehend erschöpft. Potenzial bieten jedoch noch viele Hausdächer, denn trotz niedriger Einspeisevergütung sind Photovoltaikanlagen nach wie vor ein Plusgeschäft, nicht zuletzt durch den Eigenverbrauch.

Mit dem aktuellen Jahr endet auch Kevelaers Klimaschutzkonzept. 80 Prozent weniger Emissionen gegenüber 1990 sind darin noch fürs Jahr 2050 festgeschrieben. Nach heutigem Wissensstand viel zu langsam, um eine Klimakrise abzuwenden. Auch weitere Zwischenziele, um zu kontrollieren, ob Kevelaer auf Kurs ist, fehlen. Ein Klimanotstand, wie ihn die Grünen wollten, der Rat ihn aber mehrheitlich abgelehnt hat, hätte genau das bringen können. Jetzt ruht die Hoffnung auf einer Fortschreibung des Klimaschutzkonzeptes. Die Finanzierung dafür ist bereits beantragt.

Jeder ist gefordert

Beim Blick nach vorne muss Kevelaers Klimaschutzmanagerin vor allem auf Information und das Engagement der Bürger setzen, denn die großen Hebel haben Berlin und Brüssel. Dennoch: Der Wechsel zu Ökostrom und Biogas dauert nur Minuten, energetische Gebäudesanierungen, Holzheizungen oder gleich Wärmepumpen amortisieren sich langfristig.

Auch in Kevelaer gibt es Energieberater, die bei der Auswahl der individuell wirtschaftlichsten oder wirkungsvollsten Maßnahmen und der Suche nach Fördermitteln helfen. Die Stadt könnte zudem Effizienzstandards für Neubauten oder verpflichtende Photovoltaikinstallationen vorschreiben – doch davor schreckt man in Politik wie Verwaltung bislang zurück, zumal der Bestand energetisch das größere Problem ist. Weitere Beiträge leisten die ReparierBar, wo defekte Dinge oftmals noch gerettet werden können und so nicht ersetzt werden müssen, und die Bürgerenergiegenossenschaft Niederrhein, bei der Bürger in die regionale erneuerbare Energieerzeugung investieren können.

Zumindest bei der Verkehrswende hat die Stadtverwaltung Kevelaers weitere konkrete Schritte geplant, will fahrradfreundlicher werden und bewirken, dass 2025 weniger als 500 gemeldete PKW auf 1000 Einwohner kommen. Helfen soll dabei die Verkehrsberuhigung rund um den Peter-Plümpe-Platz, die Beseitigung von Gefahrenstellen für Fahrradfahrer – und vielleicht das derzeit erarbeitete Verkehrskonzept. Denn unsere Nachbarn, die Holländer, haben zwar ähnlich viele Pkw pro Kopf, fahren kurze Strecken aber weit konsequenter mit dem Fahrrad, weil die Infrastruktur andere Prioritäten setzt als bei uns.