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Vor 40 Jahren schrieb Martin Willing seinen ersten Artikel fürs Kevelaerer Blatt

Vor genau 40 Jahren bekam das Wohnzimmer von Zeitungsverlegerin Maria Köster an der Hauptstraße 55 bis 57 in Kevelaer eine neue Bestimmung. Wo die alte Dame bis dahin Kaffee getrunken hatte, klapperten nicht mehr Tassen, sondern ratterten die Tasten mechanischer Schreibmaschinen. Sie führten mit dem alten Heidelberger Zylinder und dem Tiegel im hinteren Gebäudeteil fast täglich eine viele Stunden währende Drucker-Symphonie auf.

Der damals 102 Jahre alte Betrieb, davon 100 Jahre im Familienbesitz der Kösters, hatte den Eigentümer gewechselt. Und wir – Martin Willing und ich – schickten uns an, das Hauptprodukt dieses Betriebs, das Kävels Bläche, in eine neue journalistische Zeit zu führen.

An unserer Seite waren unter anderem die freien Mitarbeiter Wilhelm Suckow, Jean Eich und Heinz Knops sowie Roland Wynhoff in der Druckerei, der die alten Maschinen mit ihrem meditativen Sound im Schlaf bediente. Er wusste all ihre Mucken und Macken zu heilen. Ich liebte die Geräuschkulisse. So kündete der Heidelberger Zylinder jedes frisch gedruckte Blatt mit einem satten Atem an: Buff, pfff, buff, pfff…

Martin Willing mit KB.

Maria Köster freute sich, dass alles weiterging. Ihr Sohn Dr. Hans-Peter Köster hatte sie überzeugt, dass das Blatt ohne Neuausrichtung keine Chance haben würde. Mitte der 1970er-Jahre hatten die ersten kostenlos verteilten Anzeigenblätter den Markt aufgemischt. Das KB, die älteste Zeitung weit und breit, war weder personell noch konzeptionell vorbereitet und bangte um seine Existenz.

Einen Kaufinteressenten kannte Hans-Peter Köster bereits, den Kommunalpolitiker Jörg Grahl aus Geldern. Sie wurden vertragseinig. Am 25. Februar 1981 gründeten Grahl, Werner Wins und Martin Willing zu gleichen Anteilen eine GmbH, die fortan das Kevelaerer Blatt herausgab. Wichtigster Aktivposten war der Zeitungstitel mit dem Abonnentenstamm. Grahl und Willing waren die geschäftsführenden Gesellschafter, Grahl zuständig für den kaufmännischen und Willing für den journalistischen Bereich.

Maria Köster überließ den Neuen das Erdgeschoss an der Hauptstraße in Kevelaer, quartierte sich im Obergeschoss ein und steckte immer wieder ihre Nase durch jene Tür, die jetzt zur Redaktion gehörte. Jeden Abend versicherte sie sich, dass der Laden abgeschlossen war, und sagte süß lächelnd denselben Satz: „Ich will ja nicht, dass ich, alte Frau, noch geklaut werde.“

Personendiebstahl wurde nie zu einer Gefahr. Die Probleme lagen woanders. Der Maschinenpark war herrlich und herrlich museumsreif. Die Arbeit ging viel zu langsam vonstatten. Die Manuskripte der Redaktion mussten auf der Bleisetzmaschine ein weiteres Mal „getippt“ und auf Zeilenmaß getrieben werden. Die Überschriften reihte der Setzer von Hand Buchstabe für Buchstabe spiegelbildlich und über Kopf aus dem Setzkasten auf einen Winkelhaken und passte sie wie den Maschinensatz in einen Seitenrahmen ein. Ein Puzzle für Meditationskünstler – Roland Wynhoff war einer! Er blieb uns lange treu und kümmerte sich um den Druck von Plakaten, Geschäftspapieren und Kleinakzidenzen.

In Blei gegossen werden musste auch der allererste Text, den Martin vor genau 40 Jahren für das Kävels Bläche schrieb. Da hatten er und ich unseren Premieren-Termin für das KB gerade erlebt. Dabei war die Verlagsgründung noch nicht vollzogen. Sie stand wenige Tage später an. Doch einer hatte nicht warten wollen. Artur Elders-Boll, Rendant der St.-Urbanus-Gemeinde Winnekendonk und immer mit einem Ohr am Puls der Zeit, hatte läuten gehört, dass wir das Köster-Blatt zu einer Profi-Zeitung entwickeln wollten. Prompt lud er uns zur Einweihung des neuen Pfarrheims ein.

Wir machten dieses große Fest für die Ortschaft Winnekendonk zu unserer allerersten Titel-Geschichte. Sie erschien am Samstag, 21. Februar 1981, unter der Überschrift „Im Glauben begegnen“. Das Aufmacher-Foto hat historischen Wert. Diözesanbischof Dr. Reinhard Lettmann steht mit einladender Geste vor den Gästen.

Maria Köster 1981

In der ersten Reihe sitzen, wie damals und mitunter heute selbstverständlich, ausschließlich Männer – Ortsvorsteher Hansgerd Kronenberg, Kämmerer Heinz Paal, Stadtdirektor Dr. Karl-Heinz Röser, stellvertretender Bürgermeister Theo Bogers, Pastor Jacob Kalscheur und Landrat Hans Pickers.

Unterhalb der Überschrift steht: „Von unserem Redakteur Martin Willing“. Er war zurück. Wenige Monate zuvor, am 17. November 1980, war Martin, hoch angesehener Lokalchef der Rheinischen Post in Geldern, nach einem bundesweiten Journalistenstreik der Gewerkschaften fristlos von der Verlagsleitung entlassen worden. Ich hatte, als damals jüngste Redakteurin der RP, wenige Tage später aus Protest gekündigt. Der Deutsche Journalistenverband wetterte gegen die Missachtung der Inneren Pressearbeit; Leserinnen, Leser und Mitglieder aller Parteien liefen einmütig in einer Demonstration mit Transparenten und Plakaten mitten durch Geldern Sturm gegen die Entlassung von Martin; Fernseh- und Radiosender berichteten.

„Lügenpresse“ war ein noch unbekanntes Wort. Das, was Martin unter seinem Kürzel Mr. W. bis dahin veröffentlicht hatte, war vor allem glaubwürdig gewesen und hatte für Qualitätsjournalismus gestanden. Doch das spielte keine Rolle mehr. Die Verlagsleitung nahm die Turbulenzen in ihrer Leserschaft in Kauf. Martin und ich waren draußen. Wir bewarben uns bei anderen Zeitungen – vergebens. Ein befreundeter Redaktionsleiter vertraute uns an, es kursiere unter Verlagen ein „schwarzer Brief“, der vor den „Revoluzzern“ aus Geldern warnte. Der Mann sagte: „Ihr habt keine Chance!“

Wir hielten uns mit kleinen Jobs über Wasser; ich kellnerte; die Verzweiflung wuchs. Doch plötzlich waren Menschen an unserer Seite. Oberkreisdirektor Dr. Hans-Wilhelm Schneider bot Martin eine Stelle als Kreis-Pressesprecher an. SPD-Urgestein Helmut Esters besorgte mir ein Studien-Stipendium. Wir waren zutiefst dankbar für Solidarität und Perspektiven.
Doch dann bekam Martin ein anderes Angebot, das er nicht ausschlagen konnte. Es deckte sich mit Martins eigenen Plänen.

Natürlich kannte er aus seiner RP-Zeit das KB, das den wenig klangvollen Namen „Aus Kevelaer und Umgebung“ trug. Martins Idee: Er wollte seine eigene Redaktion gründen und das KB übernehmen. Am Silvestertag 1980 wappnete er sich mit Entschlossenheit, lud sich bei Maria Köster ein, unterbreitete seine auch finanziell tragfähigen Pläne – und musste am Ende ohne Ergebnis abziehen. Kein Interesse! Später erfuhr er, dass Maria Köster sein Angebot nicht ernst genommen hatte.

Mehr Glück widerfuhr Jörg Grahl. Er verhandelte unabhängig von Martin mit Köster-Sohn Hans-Peter, der das KB den Bach hinuntergehen sah und seine betagte Mutter entlastet und versorgt wissen wollte. Grahls Beweggrund für den Kaufwunsch: Er war auf der Suche nach journalistischen Alternativen zur einzigen Tageszeitung im Südkreis. Einen Wunschkandidaten für die Redaktion hatte er auch, den geschassten RP-Lokalchef. Die beiden kannten sich aus dem kommunalpolitischen Geschehen und mehr noch vom Segelsport, der beide begeisterte.

Anfang Februar 1981 rief Grahl den Journalisten an und fragte, ob er in den KB-Verlag einsteigen wolle. Und wie er wollte! Martin sagte Hans-Wilhelm Schneider ab und warf sich ins Zeug. Draußen gewesen war er also nur für kurze Zeit. Ich schmiss mein Germanistik- und Philosophiestudium, das ich kaum begonnen hatte, und stieß zur KB-Redaktion. So tauchten wir für 27 Jahre tief ins Kevelaerer Geschehen ein. Nach einigen Jahren hatten wir gemeinsam mit unserem starken Team die Auflage vervierfacht und eine Haushaltsabdeckung von fast 50 Prozent erreicht. Traumzahlen für ein Verkaufsblatt!

Schon ab der ersten Märzausgabe 1981 wechselten wir von den Maschinen, die fast noch druckten wie zu Gutenbergs Zeiten, in einen Fremdbetrieb in Emmerich. Er haute in „Lichtgeschwindigkeit“ per Offsetdruck die KB-Auflage heraus und gehörte keinesfalls zufällig KB-Mitgesellschafter Werner Wins.

Uns blieb für den Quantensprung vom Mittelalter in die Moderne und von Adler-Schreibmaschinen zu unseren ersten Computern eine Einarbeitungszeit von drei Tagen. Natürlich bezahlten wir bei der Premiere Lehrgeld: Als ich bis tief in die Nacht einen aufwendigen Text geschrieben hatte und der Bildschirm nach kurzer Pause plötzlich schwarz war, vermuteten wir einen Defekt in der Stromzufuhr. Wir zogen den Stecker und drückten ihn wieder hinein.

So lernten wir schmerzlich kennen, dass Computer mit Bildschirmschonern ausgestattet sind. Sie schalten irgendwann auf Standby und lassen nur dann komplette Arbeiten im Nirwana verschwinden, wenn man den Rechnern den Saft abdreht…

Die monstergroßen Apparate waren vor allem wegen der herunterkühlenden Gebläse derart laut, dass wir die Redaktion zweiteilen mussten. Wer Dienst am Computer schob, verzog sich in den Getöse-Raum, ein gläserner Kasten, der schon damals alle Anforderungen für Distanz-Arbeiten in Corona-Zeiten erfüllte.

Riesencomputer im KB-Getöse-Raum, 1981 bedient von Delia Evers.

Die Festplatte bot 64 MB Speicherkapazität. Sie würde heute nicht einmal für zehn hochauflösende Fotos reichen. Später lernten wir das System, das noch ganz ohne 1:1-Bildschirmdarstellung auskam, immer besser kennen. Martin gelang über einen mathematischen Trick zur Überraschung der Weltfirma Compugraphic der nicht für möglich gehaltene Ganzseitenumbruch, lange bevor er Standard wurde.

Die Redaktion entwickelte sich prächtig, das Geschäftliche nicht. Die Ausgaben waren viel zu hoch. Martin bot Grahl und Wins Ende 1981 an, ihnen die Anteile auszuzahlen. Sie nahmen dankbar an und schieden aus. Die aufgelaufenen Schulden hatte Martin allein am Hals. Dafür war er frei. Das KB wechselte zur Druckerei Keuck in Straelen. Wir investierten in Belichter und Repro-Kamera, um Fremdkosten zu sparen, und luden uns damit weitere Arbeit auf. Ich stieg als Gesellschafterin ein und übernahm wenige Jahre später Redaktionsleitung und Geschäftsführung – bis zum Verkauf des KB 2008.

Dazwischen lagen 27 Jahre mit einem Kraftaufwand, der oft die Latte zur Selbstausbeutung riss. Manchmal produzierten wir rote und manchmal schwarze Zahlen. Unsere kleine Zeitung, dieser Anachronismus im deutschen Blätterwald, war immer eine Grenzgängerin, die sich knapp über Wasser hielt – auch dank der Sparkasse, die flexibel auf unseren Weg vertraute und nicht enttäuscht wurde.

Unsere redaktionelle Arbeit bescherte uns viel routiniertes Tun und immer wieder investigativen Journalismus, der Missstände auftat und uns juristische Auseinandersetzungen eintrug. Manchmal war allein der Streitwert so hoch, dass er im Fall einer Niederlage alles gesprengt hätte, was uns an Mitteln zur Verfügung stand. Keine einzige Auseinandersetzung haben wir verloren, auch dank des Deutschen Journalistenverbands, der das aufmüpfige Blatt aus Kevelaer regelrecht „lieb hatte“ und uns seine Presserechts-Profis an die Seite stellte.

Die nützten freilich nichts, als die Stadt Kevelaer drohte, uns den größten Anzeigenauftrag streitig zu machen, den der uralte Kulturträger namens Kävels Bläche so dringend brauchte: die Amtlichen Bekanntmachungen. Die unverhohlene Forderung von Verwaltung und Teilen der Politik: Wir sollten wohlgefälliger schreiben, sonst wären wir den Auftrag los.

Wir zögerten nicht. Wir parierten die Drohung – und kündigten der Stadt das Recht, die Amtlichen im KB zu veröffentlichen. So bewahrten wir unsere Unabhängigkeit. Das Wasser stand uns nun erst Recht bis zum Hals. Wir paddelten weiter, die Köpfe obenauf.
Was mich über die Jahre immer wieder verblüffte: dass Kevelaer weder im Weltlichen noch im Kirchlichen die saubere Stadt war, die viele in ihr sahen oder sehen mochten. Hier spiegelte sich im Kleinen wider, was uns an Skandalen aus der weiten Welt bekannt war.

Und doch blieb Kevelaer für Martin und mich auch der immer tief berührende Gnadenort, der mitten im Gewöhnlichen Menschen inspirierte. Kevelaer blieb die Stadt kultureller Buntheit mit Künstlern und Kunsthandwerkern, die Stadt geschäftlicher und gesellschaftlicher Vielfalt – und die Stadt des politischen Muts und der Zivilcourage. Menschen waren es, die uns reich machten.

Martin sagte einmal: „Wenn ich gewusst hätte, dass das KB über 27 Jahre mein Leben bestimmen würde, ohne Zeit zum Malen, ohne Zeit zum Musizieren, ohne Zeit zum Schreiben von Romanen, dann hätte ich es… trotzdem gemacht.“

Zur Arbeit eines Zauberlehrlings

Seit nunmehr knapp fünf Jahren sitze ich in der Redaktion des Kävels Bläche an der Johannesstraße 11. Neben den eigenen Feststellungen „draußen“ erlebe ich auch hier Woche für Woche, was in Kevelaer so abgeht, bekomme teils neue Eindrücke, neue Ansichten über das Leben Kevelaers und seiner Ortschaften.

Ich sehe den weiblichen und männlichen „Kollegen“ über die Schulter, sehe und höre, was sie bewegt und sie antreibt, bekomme einen Hauch von journalistischer Arbeit mit – das ist spannendes Neuland für einen pensionierten Lehrer. Und bei der Nennung meines ehemaligen Berufes erklären sich auch die Anführungszeichen bei dem Wort „Kollegen“.

Man behandelt mich kollegial, keine Frage, ist zuvorkommend, sehr hilfsbereit, weil man um meine Unbedarftheit in Sachen Herstellung einer Zeitungsseite weiß, und so bleibe ich auch nach oben erwähnter Zeitspanne noch der berühmte Zauberlehrling, wobei Lehrling die Sache ziemlich genau trifft.

Neue Wörter und Begriffe schwirren um mich herum: „Layout“, „Zeilenumbruch“, „bedingtes Trennungszeichen“ – ja, sogar „Zwiebelfisch“ und „Hurenkind“… Der Überschrift getreu muss ich jetzt diese Wörter nicht erklären, oder? Vielmehr möchte ich doch darstellen, was ich „da oben im ersten Stock“ eigentlich tue. Nach der Darstellung meiner laienhaften Hilflosigkeit stellt sich wohl manchem die Frage: Was macht der denn Positives oder Produktives, wenn er von nix ‘ne Ahnung hat?

Nun – da bin ich wieder bei meinem ehemaligen Beruf. Deutsch war eines meiner Fächer und von daher bin ich so berufen wie nur was (und auch beauftragt), bei den hereinkommenden Texten meiner schreibenden Kollegen etwas genauer hinzusehen. Lektorat nennt man diese Beschäftigung – der Herr Lehrer ist jetzt Lektor.

Ehrfürchtig sehe ich nun, in welchem Tempo Texte geschrieben und verarbeitet werden müssen (Stichworte: Recherche und Layout), sehe dann auch, warum so mancher Drehfehler in den Wörtern auftaucht, sehe auch, wie „Kollege Computer“ auf brutalste Weise die Wörter trennt, wenn eine Zeile voll ist.

Beispiel: Nehmen wir den Namen „Schmitz“. Er passt nicht ganz auf die alte Zeile, also trennt das Schreibprogramm und schreibt „Schm“ in die alte und „itz“ in die neue Zeile. Und das geschieht häufig bei einsilbigen Wörtern, also kein Vorwurf an die Orthografie-Qualitäten meiner KollegInnen.

Das Problem mit den Kommata

Das Thema Orthografie möchte ich aufgreifen, denn man begibt sich dabei zuweilen in gefährliches Gebiet. Für mich als der „allwissende“ Lektor bleiben jedoch die amüsanten Aspekte übrig. Dazu zwei Beispiele: Es geht darin um das berühmt-berüchtigte Komma. Seit der Rechtschreibreform des Jahres 2005 eigentlich ein entschärftes Thema – sollte man glauben, weil man doch viele anscheinend überflüssige Kommata abgeschafft oder nur optional belassen hat.

Also Beispiel 1, das allgemein bekannt ist: „Komm wir essen Opa!“ Wem fällt bei so einem (fehlerhaft) geschriebenen Satz nicht gleich das Wort Kannibalismus ein? Lassen wir den armen Opa am Leben und fordern ihn zur Nahrungsaufnahme auf: „Komm, wir essen, Opa!“ Guten Appetit, alter Mann, aber bitte nicht die Kommata anknabbern.

Die Hoffnung aufs Überleben

Nun zum Beispiel 2, das mit einer kleinen Geschichte verbunden ist: Es war vor vielen Jahren in Deutschland – wie leider auch heute noch in vielen Ländern – gängige Praxis, dass Räuber, Diebe und Mörder kurzerhand von einem Richter zum Tode verurteilt und recht schnell danach exekutiert wurden. Da hat es aber mal einen Fall gegeben, wo für den Delinquenten doch noch ein Fünkchen Hoffnung bestand, wo er sich an den berühmten Strohhalm klammern konnte, dass die kommenden Tage doch nicht seine letzten sein würden.

Was war geschehen? Sein Diebstahlsprozess war für ihn höchst ungünstig verlaufen, nur das Urteil stand noch aus. Der vielbeschäftigte Richter musste jedoch dringend zu einem anderen Gerichtstermin und das bedeutete zwei volle Tagesreisen in eine andere Stadt und danach zwei weitere wieder zurück. Das war aber den Gefängniswärtern unseres Delinquenten zu lange, bedeutete es doch für sie, dass sie ihn „am Fressen“ halten mussten.

So ließen sie die Schöffen einen kurzen Brief an den Richter verfassen und per Eilboten abschicken und fragten an, was denn nun mit dem Mann zu geschehen habe. Und nun kommt durch ein fehlendes Komma der besagte Strohhalm wieder zur Geltung: Der Richter schrieb kurz und bündig zurück: „Hängt ihn nicht warten!“

Wir als Orthografie-gebildete Menschen eines fortschrittlichen Jahrhunderts erkennen sofort, dass weder die Schöffen noch die Wärter etwas mit dieser Antwort anfangen konnten. Die einen stellten sich das nicht vorhandene Komma so vor: „Hängt ihn, nicht warten!“ und der Delinquent wäre „geliefert“ gewesen.

Demgegenüber standen aber die werten Kollegen, die „lasen“ so: „Hängt ihn nicht, warten!“ Hoffen wir also, dass zur Klärung der Herr Richter bald zurückkehrte und unser Dieb seinen Fehler nicht mit dem Tode bezahlt hat.

Wir merken uns: Auch nach der Rechtschreibreform geht es nicht ganz ohne Kommas ab. Und zum guten Schluss meiner besserwisserischen Lektor-Überlegungen noch eine Lanze für die vielgeschmähte und in vielen (außer)europäischen Ländern unverständliche Großschreibung, die es aber auch bei uns nicht ewig gegeben hat: Eines von vielen Beispielen zu diesem Thema soll die Wichtigkeit der Großschreibung verdeutlichen: „DER GEFANGENE FLOH“.

Ich überlasse Ihnen / ihnen (ja wem denn nun?), welche Möglichkeiten oder Missverständnisse sich hier ergeben. Und wenn Sie, (Frau Meier), oder sie (die Leute) jetzt erschöpft sagen: „Es reicht mir mit der Rechtschreibung“, dann frage ich zurück: Wie das? Jetzt verstehen Sie sie doch, oder?

KB wird nachgeliefert

Ein Blick auf die vergangenen Jahrzehnte Kevelaerer Blatt

1879 war das Jahr, in dem alles begann. Unter dem Namen „Kevelaerer Volksblatt. Für Thron und Altar“ erschien am 10. Mai die erste Ausgabe. Das Titelblatt sehen Sie hier: (Foto links)

Wie die Erstausgabe aber im Inneren aussieht, das bleibt wohl vorerst verborgen. Nicht, weil das ein Geheimnis wäre, sondern vielmehr, weil unser Respekt vor solch einem Stück Geschichte größer war als die Neugierde. Das im Stadtarchiv befindliche Exemplar befindet sich nämlich bedauerlicherweise in einem sehr vergänglichen Zustand. Ein Umblättern unsererseits hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass wir das Titelblatt anschließend vom Boden aufsammeln dürften.

Am äußerlichen Layout änderte sich dann in den nächsten 30 Jahren nicht viel: die Zeitung blieb schwarz-weiß, ohne Bilder und in Textblöcken gegliedert aufgebaut. Und dabei gab es Informationen beinahe aus aller Welt. Die Geschehnisse in Kevelaer und Umgebung wurden unter der Kategorie „Rheinland und Westfalen“ vermeldet – ein kleiner Teil des Ganzen. Daneben fand man zu dieser Zeit auch Nachrichten aus Berlin, Leipzig und sogar Orleans. Ein Eindruck bleibt über die Jahrzehnte bestehen: Die Zeitung – mit damals vier Seiten – bündelte auf ihren begrenzten Seiten so viele Informationen wie möglich.

Das äußerliche Erscheinungsbild und die inhaltliche Informationsdichte zog sich bis in die 1940er-Jahre fort. Zwischen 1909 und 1939 änderte sich jedoch der (Unter-)Titel der Zeitung drei Mal: Von Kevelaerer Volksblatt. Für Thron und Altar“ zu „Kevelaerer Volksblatt. Für Vaterland und Altar“ zu „Kevelaerer Volksblatt. Für Vaterland und Kirche“ bis hin zu „Kevelaerer Volksblatt. Einzige Ortszeitung und vielgelesenes Blatt in Kevelaer und Umgebung“.

Ausgabe vom 3. Dezember 1949

Für das Jahr 1949 – Sie merken vielleicht: wir sind in 10-Jahres-Schritten vorgegangen – findet man im Archiv keine ganze Zeitungsausgabe. Von 1949 bis 1951 finden sich lediglich dünne „Heftchen“ im DIN-A4-Format mit dem Titel „Aus Kevelaer und Umgebung“. Nachdem zwischen 1943 und 1948 kein „Kevelaerer Volksblatt“ erschien, startete die Herausgabe im Jahr 1949 mit besagtem DIN-A4-Format. Zu erkennen ist hier ein deutlicher Unterschied zu den vergangenen Jahrzehnten: Die Berichterstattung begrenzt sich aufs Lokale. Bereits der „Untertitel“ deutet darauf hin: „Amtliches Mitteilungsblatt für Kevelaer, Wetten, Twisteden, Kleinkevelaer, Winnekendonk, Kervenheim und Kervendonk“.

Bis zu den 1970er Jahren findet man dann ein Zeitungsformat vor, weiterhin in schwarz-weiß und mit dem Titel „Aus Kevelaer und Umgebung“. Die Konzentration auf die lokalen Ereignisse bleibt weiterhin bestehen. Meldungen über 50-jähriges Bestehen der Buch- und Kunsthandlung Schröer sowie der Bäckerei Mölders an der Bahnstraße, über eine Pfarrversammlung und über Theateraufführungen im Konzert- und Bühnenhaus werden veröffentlicht.

In den 70er Jahren kommen dann Faktoren hinzu, die in der heutigen Zeit eine Selbstverständlichkeit bei der Betrachtung einer Zeitung sind: Farbe und Bilder. Zwar noch nicht vereint, denn die Bilder sind weiterhin schwarz-weiß, aber es gibt sie. Die Farbe erhielt im Kopf des Titelblattes Einzug in Form eines grünen Hintergrundes. Ein Ausschnitt eines Titelblattes aus dem Jahr 1979 diene an dieser Stelle als Beispiel (Foto links).

Beim Blick in eine Ausgabe des Jahres 1989 ist zu erkennen, dass im Kopf der Zeitung rechts neben dem Titel „Aus Kevelaer und Umgebung“ der Schriftzug „Kävels Bläche“ Einzug erhielt (Foto rechts).

Ausgabe vom 4. Mai 1989

Auch kurze Infospalten wurden zu dieser Zeit bereits genutzt. Tragen sie heute den Titel „Kurz gemeldet“, „Aus den Pfarreien“ oder „Kultur in Kürze“, waren es zur damaligen Zeit die Rubriken „Fernsehtip“, „Diese Woche im Bläche“ und „Telegramm“. Beim Blick in die Ausgabe vom 12. Mai 1989 wird deutlich: Für die „Marke“ Kevelaer wurde in diesem Jahr eine bedeutende Entscheidung getroffen. „Ursula Holtmann erdachte den Slogan. Rat sprach sich in Windeseile für ihren Vorschlag aus“ lautet die Überschrift zur Meldung, dass die Marienstadt nun „unverwechselbar Kevelaer“ über sich stehen hat. Blickt man heute auf den Artikel zurück, denken viele wohl unweigerlich an aktuelle Prozesse – denn genau jetzt, 30 Jahre später, steht man erneut an dem Punkt der Entscheidung für einen neuen Markenauftritt der Wallfahrtsstadt.

Ein weiteres besonderes Ereignis dieser Ausgabe: die Enthüllung der Hendrik-Busmann-Figur wurde angekündigt – für den 13. Mai 1989. Im aktuellen Jahr feierte diese also ihren 30. Geburtstag.

Ab den 1990er-Jahren schließlich lautet der Titel der Zeitung „Kevelaerer Blatt“. Das Layout gleicht immer mehr dem heutigen und auch der Bildanteil nimmt zu. Verwunderlich mag eine Beobachtung sein: Auch im Jahr 2009 werden die Bilder noch farblos abgedruckt. Im Kopf der Zeitung und stellenweise in einer Anzeige ist Farbe zu finden, in Bildern sucht man diese jedoch vergeblich.

Der letzte 10-Jahres-Schritt bringt uns dann ins Jahr 2019. Wie das Kevelaerer Blatt sich in dieser Zeit entwickelt hat, das sehen Sie ja selbst …

Ein Abo fürs Katharinenhaus

Die Bewohner des Seniorenheims Katharinenhaus in Winnekendonk haben nun seit einigen Wochen jeden Donnerstag noch einen Grund mehr, sich auf das Frühstück zu freuen.

Nicht nur, dass es seit einiger Zeit neuerdings morgens und abends ein Buffet zum Selbstbedienen gibt – dank des Engagements einer Angehörigen liegen nun jeden Donnerstag auch zwei Exemplare des Kevelaerer Blattes in der Einrichtung bereit.

Dass dieses Jahresabo zustande kam, haben alle Beteiligten vor allem Edeka Brüggemeier zu verdanken. Andre Spittmann, Marketingleiter bei Edeka Brüggemeier, erzählt, dass für das Unternehmen sofort klar gewesen sei, dem Seniorenheim ein Jahresabo zu sponsern, als die Anfrage der Angehörigen eines Bewohners kam. So sollen die Bewohner „einfach die Möglichkeit haben, über die Geschehnisse in Kevelaer und Umgebung zu erfahren“, meint Spittmann, der vor 18 Jahren in diesem Hause seinen Zivildienst abgeleistet hat.

Sabine Vohwinkel, Leitung im Katharinenhaus, ist von der Aktion begeistert: „Das ist natürlich toll, wenn die Bewohner die Informationen bekommen, was hier so los ist außerhalb des Hauses. Es ist eine Bereicherung.“

Die 40 Bewohner des Hauses nehmen die Zeitungen gut an. Irgendwann wanderten die beiden Exemplare von Zimmer zu Zimmer, „die Bewohner nehmen die sich dann mit“, lacht die Hausleitung. Gerade weil das Angebot einen solchen Anklang bei den Bewohnern findet, ist die Freude groß, als Andre Spittmann verkündet, dass es nicht bei diesem Jahresabo bleiben soll. „Das kann gerne eine jahrelange Institution werden.“