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Psycho-Kammerspiel

Eigentlich ist alles da für eine fröhliche Schmonzette. Eine junge, naive Frau mit Hunger nach Leben, der langweilige Verlobte, die geschwätzige Tante, die besorgte beste Freundin, ein rühriger Gärtner, ja, selbst der Landarzt, das einsame Cottage und ein Lottogewinn fehlen nicht – und natürlich ein geheimnisvoller, schöner Fremder. Man will sich gar nicht ausmalen, was hier sonntagsabends über die Mattscheibe flimmern könnte.

Doch erfreulicherweise hat sich in diesem Falle eine englische Königin auf ihre unnachahmliche Art die klassischen Charaktere und Szenerien untertan gemacht: Agatha Christie, die „Queen of Crime“. Und so ist „Der Fremde im Haus“ ein veritabler Psychothriller geworden, nach einer Short-Story Christies (Als „Love from a Stranger“ verfilmt 1937, deutsch von Michael Raab, bearbeitet von Regisseur Thomas Rohmer). Das Ensemble der „Theatergastspiele Fürth“ setzte es auf der großen Bühne im Kevelaerer Bühnenhaus kongenial um.

Verlust an zunehmendem Potenzial an Beklemmung, Angst und Aggressivität

Da wären wir auch schon beim einzigen Kritikpunkt: Ob in der kleinen Wohnung oder später im Landhaus – dieses Stück bleibt ein Kammerspiel, das unter anderem davon lebt, dass der Zuschauer mitten ins Geschehen hinein gezogen wird und verliert ein wenig an seinem zunehmenden Potenzial an Beklemmung, Angst und Aggressivität, die sich in einen großen Saal hinein abschwächen. Bühnenbild, Regie und Darsteller können das mit einigen Tricks – angedeutete Raumteile, eingespielte Filmmusik, filmisch angelegte Ausschnitte, große Gesten – aber in dieser Inszenierung recht erfolgreich fokussieren.

Die wahre Herausforderung dieses für ein Agatha-Christie-Stück recht stringent und überraschungsarm geschriebenen Thrillers liegt in der Darstellung der Entwicklungen der beiden Hauptcharaktere. Sarah Elena Timpe setzt diese differenzierte Entwicklung der Cecily Harrington exzellent um und auch Sasa Kekez vermag als Bruce Lovell zu überzeugen. Die weiteren Darsteller füllen ihre recht eindimensionalen Rollen nicht minder engagiert und plausibel aus.

Den wahren Nervenkitzel hat sich Christie, einer Pointe gleich, für das buchstäbliche Ende aufbewahrt und so endet dieses Stück ohne Schuss mit einem Knall. Das Kevelaerer Publikum belohnte die solide Ensembleleistung mit langanhaltendem Applaus.