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Aus London und aus Kevelaer

Jedermann kennt den 1. April, den Tag des harmlosen Scherzes, in vielen Ländern bekannt und beliebt; in den englischsprachigen nennt man ihn zum Beispiel „April Fools‘ Day“. Auch dieser Tag hat natürlich seine Geburtstagskinder und dazu fallen mir drei Personen ein, welche lokale oder sogar internationale Bekanntheit erreichten: Otto von Bismarck – Edgar Wallace – Josef Schotten. Zwei fast runde Geburtstage und ein „echter“, denn die Herren wären 205 – 145 – 120 Jahre alt geworden. Den beiden Letztgenannten sei dieser Artikel gewidmet – einerseits wegen des Datums und auch aus anderen, bestimmt verständlichen Gründen.

Der „Jüngere“, nämlich Josef Schotten, geboren 1900, würde also am heutigen 1. April 120 Jahre alt. Der Ältere, geboren 1875, – siehe weiter unten. Bleiben wir zunächst bei „JoScho“, wie ihn ganz Kevelaer nannte und kannte. Und man kannte ihn auch wegen seines regelmäßig wiederkehrenden Ausspruchs nach dem Verkauf eines Artikels in seinem „Malkasten“ an der Hauptstraße. Der Kaufpreis sei z.B. 8,45 DM. Dann kam der Spruch: „Wegen guter Führung sagen wir 8 Mark. Ich wünsche gute Arbeit.“ Und dies war ein echter Wunsch, keine Aufforderung, dass man mit dem Qualitätsartikel gefälligst auch etwas Gutes herstellen möge.

Passend zum Datum sei statt einer bereits bekannten Kurz-Biographie (siehe KB und Blattus) diese Anekdote freigegeben, die bis dato nur in Familienkreisen bekannt war: In seinem Heimatdorf Straberg bei Dormagen, zur Zeit Kaiser Wilhelms II., ging „Klein-Josef“ in die Dorfschule zum gestrengen Herrn Lehrer Knoben. Der fragte ihn einmal, es war Frühlingszeit des Jahres 1907: „Josef, wann bist du geboren?“ Und der kleine Josef stellte sich spontan und bolzengerade neben seine Bank und schmetterte: „Am Einsten April, Herr Lehrer!“

Wie derselbe Josef in den Bomben des WK II seine erste Frau verlor und einige Jahre später durch denselben WK II nach Kevelaer kam und im „Goldenen Löwen“ seine zweite Frau fand, das ist eine andere Geschichte.

Wettsüchtiger Erfolgsautor

Unser KB-Mitarbeiter Wilfried Schotten möchte die Aufmerksamkeit nach seinem Vater auch noch auf einen anderen Mann lenken; bei diesem bedauert er sehr, dass er ausgerechnet in seinem eigenen Land und leider auch bei uns in Vergessenheit geraten soll, wo dessen Romanverfilmungen längst Kult-Status erreicht haben.

Schotten erinnert an Edgar Wallace, dessen „halbrunder“ Geburtstag sich seit 1875 zum 145. Mal jährt. In vier Büchern beschrieb der Kevelaerer das Leben des englischen Schriftstellers; sie sind – gespickt mit unzähligen Anekdoten und Begebenheiten – in nur geringer Anzahl zwar, aber auch als Text-CD noch bei ihm erhältlich.

Edgar Wallace Foto: privat

Es war vor 145 Jahren. Da kam in einem Armenviertel des Londoner Eastend ein kleiner Junge zur Welt, der schon nach neun Tagen von seiner völlig verarmten Mutter in eine Pflegefamilie weggegeben wurde. Die folgenden 15 Jahre in weiterer Armut, mit ständig wechselnden Lehrstellen und Gelegenheitsjobs, prägten sein späteres Leben und vor allem seine Einstellung zum Geld. Denn als er spätestens nach dem „Hexer“ ein bekannter und erfolgreicher Autor geworden war (174 Romane, knapp 30 Theaterstücke, über 900 Kurzgeschichten, ungezählte Zeitungsartikel), blieb er doch seiner Devise treu, dass Geld nicht alles bedeutete. 1928 war jedes 4. verkaufte Buch im UK ein „Wallace“. Hohe Einnahmen und Tantiemen verspielte er prompt durch seine Spielsucht beim Pferderennen; weitere Einnahmen, die er immer wieder hatte, gab er großzügig und spendabel weg, indem er mehrere Rolls-Royce (!) für Familienmitglieder und auch Bedienstete kaufte. Wenn Geld fehlte, suchte er zusammen mit seinem Freund und Sekretär Bob Curtis einen Ausweg. War der gefunden, u.a. durch das schnelle Schreiben und Veröffentlichen eines neuen Romans, hatten die beiden wieder Geld fürs Pferderennen…

120.000 Pfund Sterling Schulden

Halb London war auf den Beinen, als der tote Wallace 1932 aus Hollywood zurückgebracht wurde, wo er während der Dreharbeiten zu seinem KING KONG verstorben war. Er hinterließ 120.000 Pfund Sterling (für damalige, deutsche Verhältnisse ein Millionenbetrag) an Schulden, die seine Frau zusammen mit vier verbliebenen Kindern und durch die Hilfe eines Freundes der Familie binnen zwei Jahren tilgen konnte.

Was uns bleibt, sind seine Romane, die in 42 Sprachen übersetzt wurden, wobei es sich nicht nur um die bekannten und aus heutiger Sicht betulichen Krimis handelte, sondern auch um utopische, feministische und gesellschaftskritische Romane. Die über 40 deutschsprachigen und darüber hinaus auch die internationalen Filme enthalten aus Gründen der Spannungssteigerung Versatzstücke aus den erwähnten Krimis nebst frei erfundenen Spannungselementen. Sie sind wiederum aus heutiger Sicht ebenfalls betulich, teils amüsant (Eddie Arendt, Siegfried Schürenberg als Sir John!), bis auf einige brutale Szenen, die nicht von Wallace stammen. Die Filmemacher erfanden z.B. über 300 Tote, während es in den Kriminalromanen „nur“ gut 100 waren. Für seine Bücher flossen und fließen seitdem weiterhin die Tantiemen, die Wallace nun nicht mehr für Freunde und Pferderennen ausgeben kann. Entfernte Verwandte in den USA sind die heutigen Nutznießer.