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Zu Besuch bei Bauer Joosten

Jedem, der das Zentrum Kevelaers in Richtung Keylaer verlässt, ist auf Höhe des Hubertushauses der stattliche Bauernhof gewiss schon aufgefallen – die markanten Offenställe bemerkt das Auge, den dort eigentlich immer wehenden Kuhduft die Nase. Im Rahmen der „Festwoche Keylaer“ hatte Bauer und Hofinhaber Herbert Joosten zu einer Besichtigung seines Betriebes eingeladen und damit eine weitere Möglichkeit geschaffen, das reiche Leben und Wirtschaften auf diesem Kevelaerer Flecken kennenzulernen. Waren schon die vorangegangenen Veranstaltungen gut besucht, so fanden sich auch dieses Mal rund 70 Interessierte ein, darunter viele Eltern mit ihren Kindern – eine Zweiteilung der Gruppe war unausweichlich.

Der 1364 erstmals urkundlich erwähnte Hof wird seit nunmehr fünf Generationen durch die Familie Joosten bewirtschaftet, die 1890 in den Betrieb einheiratete. Auch heute noch ist es ein Familienbetrieb im besten Sinne, teilen sich doch Herbert und Sohn Christopher Joosten samt Ehefrauen die Arbeit auf. Und das Führen eines Viehbetriebes bedeutet nun einmal: 24/7/365 – unabhängig von Lust und Laune. Einzig wenn eine der beiden Familien im Urlaub ist, verstärkt eine Aushilfe das verbliebene Team – Herbert Joosten fügt augenzwinkernd hinzu: „Das ist für meinen Sohn die bessere Variante, aber auch für mich, wenn ich zurück komme.“

Die großen landwirtschaftlichen Fahrzeuge beeindruckten die Besucher. Foto: MaWi

Vater und Sohn führten je eine Gruppe über den im Laufe der Zeit immer weiter gewachsenen Hof. Dem aufmerksamen Beobachter fallen die alten Strukturen noch auf, um die sich in den letzten Jahrzehnten weitere Ställe, Hallen und Silos gruppiert haben. Milchkühe sind das Kerngeschäft und derer finden sich 200 Stück, die jeden Tag morgens und abends gemolken werden – Zeitansatz: zwei Mal dreieinhalb Stunden. Für viele Beschäftigte im Öffentlichen Dienst wäre damit der Arbeitstag schon gelaufen, nicht so für Bauer und Bäuerin, schließt sich doch nun das vielfältige Tagesprogramm an. Das reicht von der weiteren pflegerischen Versorgung der Tiere, über Instandhaltungsarbeiten am Hof, hin zu den klassischen Tätigkeiten im Ackerbau.

Milchkühe, Jungvieh, Fleischtiere, Ackerland

Denn mit den 200 Milchkühen ist es nicht getan, hinzu kommen 35 Stück Jungvieh, 50 bis 60 Fleischtiere und natürlich noch 76 Hektar Ackerland, um die Lebensgrundlage für die Vierbeiner bereitzustellen. Nicht ganz ein Drittel der Fläche (22 Hektar) davon sind Grasland, der Rest wird mit wechselnden Feldfrüchten bestellt. Immerhin elf Tonnen Futtermasse sind jeden Tag für die Tiere notwendig, die sich im Wesentlichen aus Grassilage, verschiedenen Eiweißkomponenten und Rapsschrot zusammensetzt. Letzteres soll den Wegfall von Soja kompensieren – eine Forderung der Molkerei, um „gentechnikfreie“ Milch anbieten zu können. Ganz so einfach wie es sich die meisten Verbraucher vorstellen, ist das letztlich nicht, wie Herbert Joosten ausführt, ist die sehr proteinreiche Sojabohne in der Tierernährung doch nur schwer zu ersetzen, wenn man nicht zu große Einbußen beim Milchertrag hinnehmen möchte.

Ertragsmaximierung, Nachhaltigkeit, Romantik

Nun kann man gewiss davon ausgehen, dass im Grunde alle Besucher der Hofführung als Bewohner des ländlichen Raumes wenigstens noch einen mittelbaren Bezug zur Landwirtschaft haben und zumindest eine „Grundimmunität“ gegen das vorrangig in Städten grassierende „Bauernhof-Romantik-Virus“ aufweisen, dennoch kamen logischerweise auch Fragen zur Sprache, die die im aktuellen Diskurs kritische Bewertung der konventionellen Landwirtschaft widerspiegeln: Weidehaltung kontra Stallhaltung, Nitratbelastung durch zu viel Gülle, Spaltenböden oder Einstreu und letztlich alle Fragen, die sich im Spannungsfeld aus Ertragsmaximierung und Nachhaltigkeit ergeben.

Wieviel „Romantik“ ist jetzt also auf dem Hof der Joostens zu finden? Um es etwas zuzuspitzen: Es findet sich auf den ersten Blick soviel „Romantik“, wie in einen Milchpreis von 35 Cent pro Kilogramm hineinpassen – Discounterpreise kommen eben nicht nur beim Kunden, sondern auch beim Erzeuger an.

Technologie, Forschung, Energieträger, Nährstoffmix

Und wie schafft man es auf dem Hof in Keylaer damit umzugehen? Joostens setzen auf Technologie und den Einsatz neuester Erkenntnisse aus der landwirtschaftlichen Forschung zur Optimierung ihrer Betriebskosten. So wird zum Beispiel bei der Futterzubereitung nichts dem Zufall überlassen: Jede Tiergruppe bekommt den für sie optimalen Nährstoffmix und Herbert Joosten berichtet, dass sich in den letzten Jahren verglichen mit seiner eigenen Lehrzeit die Uhren hier merklich weitergedreht haben.

Zu Besuch bei den kleinen Kälbchen. Foto: MaWi

Wieviel Energieträger in die Produktion einfließen und wieviel davon umgewandelt den Hof wieder verlassen, wird genau in einer Nährstoffstrombilanz erfasst, womit wir schließlich auch beim Thema „überbordende Bürokratie“ angelangt wären, von der auch der Landwirt nicht verschont wird. Andererseits kann aber nur so sichergestellt werden, dass beispielsweise die ausgebrachten Güllemengen die zulässigen Grenzwerte nicht überschreiten, was nach Herbert Joostens Aussage auch streng kontrolliert wird.

Tierwohl, Bürste, Gummibelag, frische Luft

Generell stehe das Tierwohl ganz oben auf der Agenda, wie übrigens in allen Milchviehbetrieben – jedes Defizit mache sich sofort in einer sinkenden Milchleistung und damit in der Bilanz bemerkbar. Da fällt natürlich sofort die „Kuhbürste“ ins Auge – nicht nur Menschen lassen sich gern den Rücken kraulen. Wesentlicher dürften die neuen Bodenbeläge aus verschiedenen Gummischichten sein, um die Tiere nicht mehr auf dem harten Beton stehen zu lassen – Erkrankungen der Gelenke und des Stützapparates haben sich dadurch zahlenmäßig verringert.

Und natürlich die eingangs schon erwähnten offenen Ställe: Den ganzen Tag weht frische Luft durch die Anlage und die Tiere haben Tageslicht. Herbert Joosten betont den darin liegenden Kompromiss aus Stall- und Freilandhaltung: „Früher hat man immer gesagt, dass durch diese Art der Haltung die Gefahr von Lungenentzündungen zunehmen würde – tatsächlich hat sich aber der allgemeine Gesundheitszustand der Tiere verbessert.“

Und dann ist es auf dem Rundgang irgendwann doch noch so weit, dass ein Moment der „Bilderbuch-Romantik“ folgt: Kleine Kälber lassen Kinderherzen höher schlagen und Bauernherzen weich werden. „Ohne bedingungslose Liebe zum Tier geht es nicht“, sagt Joosten auf die Frage, was es braucht, um Bauer zu sein.