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Christen und Muslime – geht das überhaupt?

Das Thema „Christentum und Islam“ an sich, ein Einführungsvortrag der Objektivem an seinem Ende reichlich Subjektives beimengt und eine wenig geschickt moderierte Diskussion bergen im Grunde ausreichend Zündstoff für einen richtig heißen Abend. Dass es zu diesem am Ende nicht wirklich kam, ist wohl nur der inneren Gelassenheit des an Langmut reichen Publikums des jüngsten „Kevelaerer Glaubensgesprächs“ zu verdanken.

Prof. Dr. Hermann-Josef Scheidgen als Gastreferent
Am Donnerstag der vergangenen Woche hatte Dr. Gerhard Hartmann unter dem Thema „Christen und Muslime – geht das überhaupt?“ zu einem weiteren „Kevelaerer Glaubensgespräch“ in der bekannten Reihe eingeladen. Als Gastreferenten konnte er Prof. Dr. Hermann-Josef Scheidgen gewinnen, seines Zeichens Honorarprofessor im Fachbereich Geschichte der Loránd-Eötvös-Universität, Budapest. Scheidgen studierte an der Universität Bonn Katholische Theologie, Philosophie, Geschichte und Pädagogik, wurde an der dortigen Theologischen Fakultät promoviert und habilitierte schließlich daselbst über ein kirchengeschichtliches Thema.
Seinen umfangreichen Vortrag hatte er in drei Abschnitte geteilt. Am Beginn stand eine Einführung in Geschichte und Struktur des Islam. Die Zugehörigkeit zu den großen Buchreligionen, die Stiftung durch Mohammed, die fünf Säulen des Islam, die Aufspaltung in sich nicht immer friedlich gegenüberstehende Strömungen und die frühe Ausbreitung des Islam über den Nahen Osten und Europa seien als Schlagworte genannt, die das durch Scheidgen aufgespannte Netz umreißen sollen. In diesem Zusammenhang am nahrhaftesten waren seine Ausführungen zur „Überlegenheit“ des Islam über das Christentum, die er in einer erheblich geringeren theologischen Komplexität festmachte – beispielhaft sei allein das Problem der Wesensgleichheit zwischen Gott-Vater und Gottes Sohn genannt, das die frühe Christenheit in einem Maße umtrieb, wie es dem Islam mit seiner Fixierung auf Allah fremd ist.
Der zweite Abschnitt widmete sich den Begegnungen des Islam mit dem Christentum im Zusammenhang mit seiner Ausbreitung auf das südliche Europa und den Balkan. Beispiele friedlichen Zusammenlebens zwischen Christen und Muslimen auf der iberischen Halbinsel sind dabei ebenso bekannt wie kriegerische Auseinandersetzungen auf dem Balkan und die Belagerung Wiens. Letztere hinterließ im christlichen Europa mit dem „Türkentrank“ eine äußerst markante Spur, nur dass wir diesen heute als Kaffee zu bezeichnen pflegen.
An diesem Beispiel wird allerdings eines deutlich, was auch Scheidgen herauszuarbeiten suchte, dass zwischen Berührungen und Durchdringungen auf kulturellem Gebiet und Reibungen auf religiöser Ebene differenziert werden muss.

Auch soziologische Ansätze wurden diskutiert
Der Abend war bereits gut vorangeschritten, als Scheidgen unter „Erfahrungen mit dem Islam – Christen und Muslime heute“ das dritte Kapitel aufschlug, also im Grunde jenes thematisierte, was der eigentliche Grund der Zusammenkunft von gut 20 Interessierten war. Der Theologe und Historiker verließ die ihm vertrauten Gefilde und wagte sich hinaus auf das Terrain der Soziologie und Rechtswissenschaft – weder das eine noch das andere zählte zu den Glanzpunkten des Abends. Allein die eröffnende Forderung, den Islam als Körperschaft öffentlichen Rechts anzuerkennen, hätte für einen eigenen Vortragsabend Stoff genug geliefert und ließ mehr offene Fragen stehen, als beantwortet wurden. Der spätere Wortbeitrag Dr. Franz N. Otterbecks rückte hier insbesondere rechtsgeschichtlich einiges gerade. Auch der Ausflug in die Soziologie mit dem thematischen Anreißen des multikulturellen, transkulturellen und interkulturellen Ansatzes als Gesellschaftskonzept endete im Schiffbruch. Die eher oberflächliche Behandlung des Themas kann man dabei noch der vorgerückten Stunde zuschreiben – die Scheidgens Ausführungen vorangehende (!) persönliche Bewertung der Ansätze ist hingegen im Vortrag eines Hochschullehrers eher befremdlich.
War schon der letzte Abschnitt seines Vortrages wenig verheißungsvoll, wurde dieser mit einer Melange persönlicher Eindrücke im Spannungsfeld zwischen „Merkels Fehlentscheidung“ und den „Vorfällen in Köln“ geradezu klischeehaft beendet. Dass die sich anschließende Diskussion bis zum beherzten Eingreifen Dr. Gerhard Hartmanns und Dr. Franz N. Otterbecks anfänglich eher Züge eines „Stammtisch de luxe“ trug, kann beinahe nur als logische Konsequenz einer verunglückten Dramaturgie des Einführungsvortrages gedeutet werden. Die durchaus substanziierten Wortmeldungen im weiteren Verlauf des Abends können darüber kaum hinweghelfen.
Eine deutlich engere inhaltliche Eingrenzung, die Herausstellung von tatsächlich Diskutierbarem und eine konsequente Beschränkung der Redezeit für die Diskutanten hätte den Abend unter Umständen ertragreich werden lassen. So ging man vordergründig mit der Erkenntnis nach Hause, dass das Thema aufs äußerste polarisiert – dieses war allerdings auch vorher schon Gewissheit.