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Ein Abend der Stille

Von Beginn des Abends an herrschte eine besondere, eigentümlich gedämpfte Stimmung in dem vollbesetzten Foyer des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums, wo die Schüler neben den Stühlen eine Leinwand und ein Klavier aufgestellt hatten.
Schulleiter Karl Hagedorn begrüßte kurz die Gäste und machte deutlich, dass sich die alljährliche Auschwitz-Fahrt ganz bewusst im Schulprogramm befinde, „damit diese Verbrechen sich nicht wiederholen.“ Es gelte, „daraus zu lernen und für die Zukunft gewappnet zu sein.“
Im Anschluss daran verlas der Lehrer Jens Auerbach den bedrückenden Text der „Todesfuge“ des Dichters Paul Celan mit so bedrückenden Zeilen wie: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft.“
Auerbach war selbst das erste Mal die vier Tage mitgefahren und war von dem, was er vor Ort „an Brutalität und Grausamkeit“ im Zusammenhang mit Auschwitz erfahren hatte, „erschlagen. Und die Größe des Ortes ist unbeschreiblich.“
Anschließend ließen die Geschichts-Schüler – von leisen musikalischen Passagen von Manuel Schulz, Max und Katharina Liebeheim unterbrochen – die Kraft der Bilder sprechen. Sie gaben die Eindrücke der Reise vom 17. bis zum 21. Januar mit gut 40 Personen eindrücklich wieder – unter anderem vom Stammlager und dem Vernichtungslager in Auschwitz, vom „Aschesee“ bis zu dem „Book of Names“. Im ersten Stock konnten die Besucher an Stellwänden nochmal die gesamte Dimension nachvollziehen. „Es ist, als würde ich es ein zweites Mal durchgehen. Diese Zeit hat einen verändert“, meinte die 18-jährige Laura Marie Dembek, eine der mitgereisten Schülerinnen.
In einem Klassenraum beschrieb Lehrerin Stefanie Kröselberg, wie sehr jüdisches Leben aus dem Stadtbild verschwunden sei und berichtete von der Begegnung mit der Holocaust-Überlebenden Lidia Maksimovic, die ein Opfer der medizinischen Experimente des Nazi-Arztes Josef Mengele gewesen war.
„Wir werden zu ,Zweitzeugen‘“, unterstrich sie die Bedeutung, die die Weitervermittlungen der authentischen Aussagen der Überlebenden tatsächlich haben, auch angesichts der Tatsache, dass diese bald nicht mehr existieren werden. Und sie hob die „Ehre“ hervor, die solche Besuche wie der Überlebenden des Westerbork-Lagers, Eva Weyl, in der Schule haben.
Im Foyer konnten Schüler und Gäste dann noch persönliche Briefe von Schülern hören, die unmittelbar nach dem Besuch niedergeschrieben wurden, und den Brief eines KZ-Häftlings. In Video-Interviews fassten Schüler nochmal zusammen, was der Besuch in ihnen ausgelöst hat. Und zwei Schülerinnen machten klar, wie wichtig es sei, sich von Diskriminierung jeglicher Form abzugrenzen.
„Es hat einiges in uns bewegt – das ist eine nachhaltige Erinnerung“, drückte Sascha Koziol als einer der drei ModeratorInnen die Hoffnung aus, „dass wir Ihnen die Emotionen weitergeben konnten und dass es Ihr Handeln beeinflusst.“ Die nächste Auschwitz-Fahrt von Schülern findet zwischen dem 6. und 10. Februar 2020 statt.

Auf dem Weg zum Doktorgrad

Abgewetzte Schuhe, graue blasse Haut, Ärmelschoner – all diese klischeehaften Merkmale eines archivbewohnenden Historikers sucht man bei Dennis Hartjes vergebens. Stattdessen lässt man sich wie selbstverständlich von der jugendlich-frischen Begeisterung gefangen nehmen, wenn der junge Mann von seinem Forschungsgegenstand erzählt – Die Geschichte der Pfarrei St. Petrus Wetten zwischen 1154 und 2014.
Mit nur 24 Jahren hat Dennis Hartjes zwei Mastertitel in der Tasche: einen im Lehramt für Katholische Theologie und Geschichte und einen weiteren im Fach Mittelalterliche und Frühneuzeitliche Kirchengschichte. Selbst wenn man ihm sein Abitur nach zwölf Jahren und die Freiheit von Wehr- oder Zivildienst in Rechnung stellen mag, ist es ein beeindruckendes Tempo, das er in seinem wissenschaftlichen Werdegang an den Tag legt.
Bereits in seiner am Historischen Seminar der Universität Münster vorgelegten Masterarbeit hat er sich eingehend mit der Geschichte Wettens beschäftigt und dabei die Entstehung der Ortschaft untersucht. Den zeitlichen Rahmen bildeten die ersten nachweisbaren Spuren in der Mittelsteinzeit bis hin zur ersten urkundlichen Erwähnung eines Priesters im Jahre 1154. Eine Veröffentlichung dieser ersten Früchte seines Forschens in gedruckter Form ist in Planung und wird die heimatgeschichtliche Literatur unserer Region gewiss bereichern.
Nun also die nächste Etappe: Die auf seiner Masterarbeit aufsetzende Forschung soll bis in die Gegenwart reichen und für Dennis Hartjes in das Erlangen des Doktorgrades münden. Viel Vorarbeit und wesentliche Teile der Forschung hat er dafür bereits geleistet und wird sich nun ab Januar der Verschriftlichung seines insgesamt auf drei Jahre angelegten Dissertationsprojektes widmen.
Die Geschichte der Pfarrei Wetten ist äußerst wechselvoll und spiegelt dabei die einstige Bedeutung der Ortschaft wieder. So werden Wetten zahlreiche Tochtergründungen im Umkreis zugeschrieben, wie jene in Veert und Kapellen, wohlmöglich zählen auch Winnekendonk und Geldern dazu – um diese Fragen nach dem Ursprung zweifelsfrei zu beantworten, bedarf es allerdings weiterer Forschung. Mit der Fusion der Kevelaerer Pfarreien im Jahr 2014 kehrten sich diese Vorzeichen in gewisser Weise wieder um, indem aus St. Petrus Wetten eine Filialkirche wurde und markieren damit auch den zeitlichen Schlusspunkt der Untersuchung. Diese Mikrostudie wird somit auch die erste umfassende und modernen Standards gerecht werdende wissenschaftliche Arbeit über Wetten werden und manch legendenhaftes aus der älteren heimatgeschichtlichen Literatur einer kritischen Prüfung unterziehen.
Nun kommen dann sinnbildlich noch einmal die „Ärmelschoner“ ins Spiel, ist doch die Forschung des Historikers ohne Archivarbeit nicht denkbar. Die Dokumente liegen „gut verteilt“ zum Beispiel in Münster, Geldern und auch in der Provinz Limburg in den Niederlanden. Letzteres spiegelt die Zugehörigkeit unserer Gemarkung zum Bistum Roermond zwischen 1559 und 1801 wider. Aus dieser Zeit haben sich zahlreiche Visitationsprotokolle erhalten, die in Dennis Hartjes‘ Arbeit Eingang finden werden und wertvolle Quellen sind, um den Aufbau und das Funktionieren der Pfarrei beurteilen zu können. Doch seine Arbeit möchte über reine Archivstudien hinaus breiter ansetzen und sich auch der Untersuchung der in Wetten überlieferten liturgischen Gebrauchsgegenstände (beispielsweise Kelche und Monstranzen) und den Schätzen kirchlicher Kunst widmen, die sich in Wetten glücklicherweise zahlreich erhalten haben.
Für Dennis Hartjes entstand der Antrieb für seine Forschung beinahe „wie von selbst“ – er ist seit Jahren in der Messdiener- und Jugendarbeit seiner Heimatgemeinde aktiv und dort auch regelmäßig als Zeremoniar und stellvertretender Küster zu sehen.
Der Blick in die Zukunft ist gewiss immer ein schwieriger, aber eine Fortsetzung seiner Tätigkeit in der universitären Forschung und Lehre ist es, was sich Dennis Hartjes erträumt, auch nach Abschluss seines Promotionsverfahrens. Für Letzteres haben ihm alle erdenklichen Verantwortlichen Unterstützung zugesichert, beispielsweise auch der zuständige Weihbischof Rolf Lohmann und Pastor Andreas Poorten aus der Pfarrei St. Antonius. Doch vielleicht kann auch manch Wettener oder Kevelaerer dem Vorhaben zum Erfolg verhelfen.
Haben Sie Dokumente, Geschichten, Erinnerungen oder Bilder aus dem (kirchlichen) Leben in Wetten, die sie Dennis Hartjes für seine Arbeit gern zur Verfügung stellen möchten? Besonders gesucht ist Bildmaterial aus der Zeit vor der Umgestaltung der Kirche in den 70er Jahren und aus der Zeit der Jahrhundertwende. Senden Sie eine Mail an: dennis.hartjes@uni-muenster.de oder melden Sie sich im zentralen Pfarrbüro von St. Antonius in Kevelaer unter 0 28 32 / 97 52 61-0.

Von Molkerei und Ziegelei

Bereits zum fünften Mal erscheint nunmehr der Winnekendonker Geschichtsbrief. Wie in den vergangenen Jahren gibt es auch in dieser Ausgabe wieder Vielfältiges über Winnekendonks Vergangenheit und Gegenwart sowie über seine Bewohner zu berichten. Herausgegeben wird der Geschichtsbrief von Wilma Lohmann und Heinrich Kempkes.

Es ist den Autoren des Geschichtsbriefs wichtig, möglichst viel Wissen über die Sitten und Gebräuche in ihrem Heimatort für die Nachwelt zu erhalten. „Wir sind sicher, bei der Auswahl der Themen wieder eine gute Mischung interessanter Geschichten gefunden zu haben“, zeigen sich die Herausgeber zuversichtlich. Wie bereits traditionell wird im Jahresrückblick über die Ereignisse des letzten Jahres in Wort und Bild berichtet.

„Wir informieren über die 700-jährige Geschichte des Kellendonkshofes und seiner Bewohner. Wer erinnert sich noch an die 1894 gegründete und vor 50 Jahren geschlossene Molkerei oder an den Winnekendonker Künstler Jakob Holtmann, der vieles für die Ausstattung der St.-Urbanus-Kirche getan hat?“, erzählen die Herausgeber aus dem Inhalt.

Zu Holtmanns umfangreichsten Werken zählt z.B. die in der Zeit von 1919 bis 1929 entstandene Weihnachtskrippe für den Osnabrücker Dom. Weitere Themen: Der im Katharinenhaus lebende emeritierte Pfarrer Winfried Schrader feierte sein goldenes Priesterjubiläum und blickt auf seinen Lebensweg zurück. Für viele unbekannt werden die Geschichte der Winnekendonker Feldbrandziegeleien sowie die der ersten gewerblichen Ziegelei sein. Um die Jahrhundertwende gab es hier etliche Bauern, die ihre Ziegelsteine für den Hausbau selbst herstellten. Detailliert wird über die Entstehung des Winnekendonker Friedhofs berichtet.

Neu ist in diesem Jahr die Rubrik „Fast Vergessenes“. Hier werden für viele Winnekendonker Erinnerungen an die Kindheit geweckt. Wer erinnert sich noch an die alten Spiele seiner Kindheit? Humorvoll erklärt in einem weiteren Artikel Dr. Georg Cornelissen das Wort „proppevoll“.

„Dieser spannende umfassende Rückblick in die alte und neue Geschichte unseres Dorfes ist während des Adventsmarktes am 1. und 2. Dezember in der Öffentlichen Begegnungsstätte und ab dem 3. Dezember im Schreibwarengeschäft Sabolcec-Borghs und bei Wilma Lohmann, Plockhorstweg 7, sowie nach der Wiedereröffnung der Volksbank ab dem 7. Dezember in Winnekendonk erhältlich“, werben die Herausgeber. Mit vier Euro sei der Preis des Geschichtsbriefs stabil geblieben.

Fundstück 1967: Postraub in Kevelaer

In der KB-Ausgabe Nr. 6 vom 11.2.1967 wird über einen „echten“ Rosenmontagszug und über einen „Postraub“ mit einer Beute über DM 13.000 berichtet.

Das war geschehen: Durch ein Loch im wackelig gewordenen Zaun am Postamt drangen nachts Männer zum Gebäude des Amtes vor. Durch ein Fenster, das sie entkitteten, stiegen sie ein, brachen oder schlossen Türen auf (mit Nachschlüsseln natürlich) und kamen so zu dem Ziel ihrer Sehnsucht, dem Panzerschrank mit der 35 Zentimeter dicken Stahltür. Als der mühevoll aufgeschweißt war, mussten sich die Herren Besucher noch um drei kleinere Safes bemühen, in denen das Geld lag. Mit 13.000 D-Mark dampften sie ab. In Geldern wollten sie ihren bei der Tankstelle Dams zurückgelassenen Wagen benutzen (sie waren mit einem Wagen amerikanischen Typs von Geldern nach Kevelaer gebraust, wie ein Mann aus Geldern gesehen hatte). Als sie in Höhe ihres Wagens bei Dams kamen, sahen sie Polizisten zum freundlichen Empfang bereit stehen.

Das war den Herren natürlich nicht angenehm, also brausten sie mit Vollgas über die B9 und entkamen. Spuren ließen die versierten Besucher nirgends zurück. Trotzdem konnte die Polizei zwei Männer auf der Gelderner Wache verhaften. Sie hatten erzählt, ihr Wagen sei in der Kreisstadt in der besagten Nacht von Freitag auf Samstag gestohlen worden, nichtahnend, dass die Polizei ihn beschlagnahmt hatte. In dem in Geldern beschlagnahmten Wagen hatte man Munition für Maschinenpistolen und gefälschte Führerscheine gefunden. Die in Düsseldorf eingezogene Auskunft über den älteren der beiden Verhafteten hatte ergeben, dass dieser Mann schon mehrfach wegen unerlaubten Waffenbesitzes vorbestraft war. Danach wurde Haftbefehl erlassen.

KB Nr. 7 vom 18.2.1967 – „Auch der Dritte gefasst“

Der Verdacht, dass noch mehr Personen an dem Postraub beteiligt sein mussten, verdichtete sich immer mehr. Man fand an verschiedenen Stellen ein Teil des Geldes versteckt. Jetzt durfte feststehen, dass insgesamt vier Personen beteiligt waren. Die Düsseldorfer Kripo konnte einen der beiden Beschuldigten vorläufig festnehmen, nach dem vierten wird noch gefahndet. Der Staatsanwalt hatte gegen beide Haftbefehl erlassen. Außerdem befasst sich das Landeskriminalamt mit der kriminaltechnischen Untersuchung der am Tatort und am Fahrzeug sichergestellten Spuren. Es stellte sich jetzt auch heraus, dass die beim Aufschweißen des Panzerschranks benutzten Sauerstoffflaschen bei einer Krefelder Firma gestohlen waren, und dass das Fahrzeug, das die Ganoven für die Fahrt nach Kevelaer benutzt hatten, wahrscheinlich ein in Düsseldorf gestohlener Wagen war.

Petrusschützen feiern 375-jähriges Bestehen

Die „St. Petrus-Bruderschaft Wetten 1643 e.V.“ hat allen Grund zu feiern: In diesem Jahr besteht sie seit 375 Jahren und kann somit auf eine lange und abwechslungsreiche Geschichte zurückblicken.
Im Jahre 1643, fünf Jahre vor Ende des 30-jährigen Krieges, schlossen sich Wettener Männer und Burschen zur St.-Petrus-Bruderschaft zusammen, um, wie in diesen schweren Zeiten bei vielen anderen Gemeinden üblich, die Ortsgemeinschaft, die Kirche und ihre Familien zu schützen. Diesem Engagement ist die Gemeinschaft nach wie vor verpflichtet und lebt traditionelles Brauchtum mit christlichen Wertvorstellungen, das heißt, sie steht für Glaube, Sitte und Heimat.
Das genaue Alter der Bruderschaft ist umstritten. Wahrscheinlich ist sie aus der Liebfrauen-Bruderschaft hervorgegangen, die es vorher in der Pfarrgemeinde gab und deren beträchtlicher Grundbesitz übernommen wurde. Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts flossen Zins- und Pachtgelder. Wie sich dieser Besitz nach und nach verlor, ist nicht mehr nachzuweisen. An der im zweiten Weltkrieg verloren gegangenen Königskette hat sich eine Plakette befunden, die die Jahreszahl 1616 getragen haben soll. Offiziell wird als Gründungsjahr 1643 angenommen, da im Jahr 1893 eine Feier zum 250-jährigen Bestehen durchgeführt wurde. Die Bruderschaft beteiligte sich in den Jahren an allen kirchlichen Anlässen, Prozessionen, Aufzügen und Hochämtern und ist bis heute sehr stark mit der Kirche verbunden. Diese ist durch den Präses in der Bruderschaft vertreten. 2014 wurde die Mitgliedschaft für Frauen in die Satzung aufgenommen. Momentan gibt es 128 Mitglieder.
Historische Aufzeichnungen geben Zeugnis von der Tradition der St.-Petrus-Bruderschaft. Eine dieser Aufzeichnungen, ein historischer Schatz, ist ein Gildebrief von Wilhelm Adrian Marquis von und zu Hoensbruch Freiherr und Herr (u.a.) von Wetten, Kevelaer und Kleinkevelaer von 1722, den er auf Haus Haag schrieb. Darin sind die Regeln aufgeführt, die er auf Bitten von den Offizieren und sämtlichen Gildenbrüdern der Schützengesellschaft Wetten aufgestellt hat. Unter anderem ordnet er an: „Alle Gildenbrüder sollen am St.-Peterstag in dem Hochamt erscheinen, das für sie gehalten wird, unter Strafe von ¼ Tonne 2 Stüverbier zum Profit der Gilde und von einem Pfund Wachs für die Pfarrkirche“, „Auf dem Tag des Vogelschießens sollen alle Gildenbrüder erscheinen, um nach demselben mitzuschießen unter Strafe von ¼ Tonne 2 Stüverbier“, „Diejenigen, die zur Zeit der Versammlung Krakeel machen oder Schlägereien, die fluchen oder schwören oder ähnliche Exzesse betreiben, sollen oben gemeldete Strafe an uns oder unsere Offiziere bezahlen. Sie müssen zum Besten der Gilde ¼ Tonne 2 Stüverbier zahlen und an die Kirche ein Pfund Wachs“, „Derjenige, der den Vogel abgeschossen hat, soll gehalten sein, für das Silber (die Kette) gute und zuverlässige Bürgen zu stellen, er sei reich oder arm. Die Bürgen müssen zur Gemeinde Wetten gehören und die Zustimmung der Gilde finden“, „Sollte jemand sich weigern, die eben genannten Strafen zu bezahlen, und trotz zwei- oder dreimaliger Aufforderung des Boten noch nicht entrichten, so soll sein Name in dem Gildenbuch durchgestrichen werden. Wir verordnen ferner, dass die Gildenbrüder in Zukunft pünktlich die Statuten beobachten bei Strafe von drei Goldgulden oder noch höherer Strafe. Diese Strafgelder werden zu unserem Profit erhoben.“
Ein weiteres Zeugnis ist das „Königinnenbuch“. Es berichtet eigentlich von Königen bzw. Königspaaren, hat seinen Namen aber von der Königin Hedwig Brauers, die während ihrer Regentschaft ein Treffen aller ehemaligen Königinnen mit der amtierenden Regentin ins Leben rief. Bei diesen jährlichen Treffen sind Aufnahmen des aktuellen Königspaares in dieses „Königinnenbuch“ eingeklebt und beschriftet worden. Jede amtierende Königin ist für die Organisation dieses Treffens und die Fortschreibung des „Königinnenbuchs“ verantwortlich.
Der heutige Brudermeister Willi Selders leitet durch die Geburtstagsfeier des wohl ältesten Wettener Vereins und hofft, „dass die Bruderschaft auch in Zukunft segensreich sich in das Leben der Dorfgemeinschaft einbringen kann.“

„Seid immer brav, fleißig und ehrlich“

Winnekendonk/Wetten. Die meisten Menschen kannten Sophie Willems aus Winnekendonk als Helferin, die gern strahlte, Späße machte und sich zu Karneval in die Bütt stellte, damit andere lachen konnten. An diesem Freitag jährt sich ihr Todestag zum 10. Mal.
Einmal, erzählte Sophie Willems vor Jahren dem KB, sei sie von einer alten Frau gefragt worden, ob sie wirklich nur Glückstränen lache. Der Blick dieser Frau hinter ihr Gesicht hat Sophie Willems berührt.
Viele Jahre hatte sie nichts zu lachen gehabt – eine Sophie Willems, die kaum jemand kannte und die jahrzehntelang klaglos ihren kranken Mann Hein pflegte, der sie fast ganz für sich in Anspruch nahm.
Das Dienen kannte sie aus ihrer Kindheit. Ihre Mutter hatte einen Witwer mit sieben Kindern geheiratet und selbst noch elf Kinder bekommen. „Wir wohnten auf einer Katstelle in Wetten.“ Als Älteste packte Sophie früh mit an, so klein sie war. Mit fünfeinhalb Jahren kam sie in die Schule, „immer mit Holzschuhen, denn Vater war Holzschuhmacher“.
Von ihm, erzählt Sophie Willems, „hatten wir ein Handikap geerbt, man hat uns oft gehänselt wegen unserer kleinen Augen. Wenn wir es der Mutter klagten, strich sie uns übers Haar und sagte: ‚Sit gej mar brav, fleißig on ehrlich, dann kommt gej ok dör et Lewe‘.“
Mit 13 Jahren kam Sophie als Magd zu einem Bauern, wo sie im Stall und auf dem Feld hart anpackte. Abends strickte, stopfte und spann sie. „Für die Arbeit beim Bauern bekam ich 10 Mark 50 im Monat, die meine Eltern am Ersten abholten.“ Trotz ihrer Aufgaben, so erinnerte sich Sophie Willems später, empfand sie sich als glücklich. Als ihr Vater krank wurde, wechselte sie 1939 zu einem Bauern in der Nähe.
Ihre Arbeit wurde noch schwerer. Sie war keine 18, als sie zum Eggen und Walzen auf die Felder ging. Sie erinnerte sich an einen 20 Zentner schweren Stier. Den musste sie morgens auf ein Kleefeld führen und an die Kette legen: „Das stelle man sich vor“, erinnerte sie sich einmal lächelnd: „Und ich lebe noch.“
Im Oktober 1941 starb ihr Vater. Ihre Mutter bekam keine Rente, und Wohlfahrt wollte sie nicht. So ging Sophie nach Hause und sorgte für die Familie. „Nach dem Tod von Vater lebten meine Mutter und wir Kinder auf, denn Vater war zu streng gewesen und hatte oft die Peitsche gebraucht; er war ungerecht und hysterisch-krank gewesen.“
Doch ihre Mutter habe ihn nicht im Stich gelassen. „Sie war eine Kreuzträgerin. Von ihr haben wir viel Gutes gelernt.“ Von ihr behielt sie das Dienen bis zur Selbstaufgabe.
Sophie Willems nahm verschiedene Stellen an und bezeichnete sich offen als „Ata-Girl“, Waschfrau und „Parkettkosmetikerin“, morgens war sie in der Stadt, mittags bei der Mutter, nachmittags beim Bauern. „So verdiente ich genug, um den Haushalt zu bestreiten. Sogar die Marken für die Rente klebte ich.“
Nach dem Krieg brachte sie gemeinsam mit ihrem jüngsten Bruder das Haus wieder in Ordnung. Es hatte von Bombeneinschlägen eine Menge abbekommen. „Wir hatten viel Mut und Kraft, diese Zeit zu meistern. So vergingen meine Jugendjahre.“ Ihre vielen Geschwister, die in Stellung waren, kamen sonntags nach Hause und brachten ihre verschlissenen Sachen mit, dann wurde aus zwei Hosen oder Jacken eine einzige gezaubert.
Sie versorgte die Hühner, Kaninchen und Schafe. Die Wolle wurde abgeschoren, „und ich habe sie versponnen. Später bezahlte ich meine Trauringe mit sechs Strang schön gewaschener Schafswolle beim Goldschmied Sürgers in Kevelaer.“ 1947 hatte sie ihren Mann Heinrich kennen gelernt. Er machte sich an der Katstelle nützlich und half, sie zu renovieren: „So gewöhnten wir uns aneinander.“
Bereits 1961 erkrankte Hein Willems schwer. Einem Kreiskaufkollaps folgte ein Schlaganfall, er blieb linksseitig gelähmt und bot ihr die Scheidung an: „Jetzt bin ich nichts mehr wert.“ Sie sagte: „Du bekommst von mir den letzten Löffel Papp.“
Sie pflegte ihn und war immer für ihn da. Sie sorgte dafür, dass er ein zeitintensives Hobby, das Basteln, pflegen konnte, betreute nebenher eine gelähmte Frau und wurde 1968 selbst schwer krank. Sie hatte eine kinderkopfdicke Geschwulst an der Gebärmutter. Nach der Operation änderte sich ihre Lebenseinstellung. „Ich nahm mir vor, nur noch ehrenamtlich etwas für meine Mitmenschen zu tun. Und ich bekam sehr viel zu tun.“
Sie erlitt Unfälle mit schweren Verletzungen. 1978 fuhr sie mit ihrem Mann nach Lourdes. Es sollte die erste von sehr vielen Reisen werden. „Dort habe ich so richtig erfahren, was die Malteser leisten, eine unbegrenzte Bereitschaft.“
Büttenreden bis 1986
Die bewies sie drei Jahre später erneut selbst, als die Geselligen Vereine in Winnekendonk eine Kappensitzung für behinderte Menschen ausrichteten. Sophie Willems hielt ihre erste Büttenrede. „Und bis 1986 durfte das Publikum über mich lachen“.
Die Verbindung zu behinderten Menschen war geschaffen. Bis 1996 organisierte und leitete sie mit hohem Engagement das Blumenfest für die „Fraternität der Behinderten und Kranken“. Im Jahr zuvor war nach 48 Jahren Ehe und 34 Jahren intensivster Pflege ihr Mann gestorben.
Sophie Willems sagte einmal eindringlich, so, als müsse sie es sich selbst versichern: „Ich darf gar nicht an alles denken, aber ich bin immer glücklich gewesen.“ Und dann: „Ich habe aus meinem Leben etwas gemacht. Da freu´ ich mich drüber“.
Sophie Willems wurde 86 Jahre alt.

In der Gangart mit Takt und Gefühl

Kevelaer. Am Freitag, 25. August, wäre der frühere Rektor der Theodor-Heuss-Hauptschule Albert Pannen 95 Jahre alt geworden.
Er kam in Weeze auf die Welt, wo sein Vater Chef der Gemeindeverwaltung war. Zwei Jahre später wurde Brüderchen Laurenz geboren, der spätere Bürgermeister von Weeze. Im selben Jahr starb der Vater. Albert ging in Weeze zur Schule und wechselte 1933 zum Hindenburg-Gymnasium in Geldern.
Albert musste 1941 für sein Abitur in die schriftliche Prüfung, weil er sich nicht freiwillig zum Kriegsdienst melden wollte. Noch im selben Jahr zog ihn die Wehrmacht ein und schickte ihn an die russische Front.
Die Einberufung machte einen Strich durch seine Studienpläne. Albert wollte Arzt werden. In Flensburg erlebte der junge Mann das Kriegsende. Er kam mit einem Beinschuss davon und sagte später: „Ich habe Glück gehabt.“ Von seinen 22 Mitabiturienten war über ein Drittel gefallen.
Als Albert Pannen 1949 endlich daran denken konnte, sich zu immatrikulieren, war er für das Medizinstudium zu alt.
Er studierte Pädagogik in Essen und war einer von 90 Studenten. Unter ihnen traf er Cilli aus Billerbeck. Sie hatten dieselben Wahlpflichtfächer. Beiden stand von 1949 bis 1951 ein ausgesprochen intensives Studium an der Pädagogischen Akademie in Essen-Kupferdreh bevor. Einer ihrer Professoren war der Philosoph Josef Pieper, ein schon damals einflussreicher Träger der katholischen Kulturarbeit und Autor bedeutender Fachbücher.
Cilli und Albert wussten am Ende des Studiums, dass sie für immer zusammenbleiben wollten.
Als Cilli bis 1955 als Lehrerin im Münsterland eingesetzt wurde, mussten sich die Freunde mit seltenen Begegnungen begnügen, denn die Zugfahrt dauerte fünf Stunden. Cilli und Albert, der inzwischen als junger Lehrer in Kevelaer an der Antoniusschule für Mädchen arbeitete, sahen sich nur in den Ferien, zu Weihnachten und zu Ostern. 1955 heirateten sie und bezogen in Kevelaer an der Römerstraße eine Wohnung. Cilli hatte ihre Stelle aufgegeben.
Albert stand zu diesem Zeitpunkt in Kevelaer längst „im Geschirr“: Neben seinem Beruf als Lehrer engagierte sich Pannen, der in Weeze zusammen mit Willi Kotters bereits Erfahrungen in der Jungen Union gesammelt hatte und 1950 der CDU beigetreten war, in der Kevelaerer Kommunalpolitik und war ab 1957 Mitglied des Stadtrats.
In jenem Jahr wurde unter dem Vorsitz von Bürgermeister Peter Plümpe die Patenschaft für die südafrikanische Missionsstation „Kevelaer“ übernommen und vom Stadtrat feierlich bezeugt. Als Josef Heckens 1957 den Jugendkulturring in Kevelaer gründete, war Albert Pannen ein begeisterter Mitstreiter.
Seinen neuen Rufnamen „C & A“ erwarb das Ehepaar Pannen 1960 bei seinem ersten Ameland-Einsatz. Drei Jahre blieben Cilli und Albert zuverlässige Betreuer des Ferienhilfswerks. Bis heute schwärmen die Kinder von damals von der starken, liebevollen und klaren Begleitung durch „C & A“.
1963 kam Sohn Stefan zur Welt. Später zog die Familie von der Römerstraße in ihr Eigenheim an der Brucknerstraße 4.
Bis 1968 arbeitete Pannen engagiert im Stadtrat und im Jugend- und Kulturring mit. Das Theaterangebot für Kevelaer war ihm ein besonderes Anliegen. Es war ein Freudentag für ihn, als 1966 der erste Spatenstich für das Bühnenhaus getan wurde. Bis dahin musste das Heidelberger Fass (im Saal hinter der Gaststätte; heute Petrus-Canisius-Haus), manchmal auch der Don-Bosco-Saal, für Theateraufführungen genügen.
1968 war zudem das Jahr der Studentenunruhen. Auch in Kevelaer begehrten junge Leute gegen die Altvorderen auf, zu denen der 46-jährige Albert Pannen längst gezählt wurde. Die als „Jungtürken“ bekannt gewordenen „Revolutionäre“ in der CDU kegelten in Parteiveranstaltungen Fraktionschef Willy Dierkes und Ratsmitglied Albert Pannen aus dem Stadtrat heraus: Dierkes und Pannen wurden nicht mehr nominiert.
Doch ohne Pannen ging es nicht: 1975 war klar, dass „Jungtürken“ die Erfahrung, Übersicht, Ruhe und sachliche Verbindlichkeit des „Altvorderen“ nicht ersetzen konnten. Pannen kehrte in den Rat zurück. Er blieb Mitglied bis 1980. Da zog er sich wegen seiner angegriffenen Gesundheit zurück.
Er hatte längst als Pädagoge „Karriere“ gemacht. 1968 hatte er seine Ernennung zum kommissarischen Rektor der Theodor-Heuss-Hauptschule erhalten; 1970 folgte die offizielle Bestätigung. In dieser Funktion wurde Albert Pannen 1984 pensioniert. Bei seiner Verabschiedung sagte Theo Bogers als Vertreter der Stadt über Pannen: „Er ist in der Sache hart, aber in der Gangart mit Takt und Gefühl.“
Kaplan Wolf lobte, Pannen besitze die Fähigkeit zu loben und zu korrigieren. Für das Kollegium meinte Peter Maus, Handeln und Entscheidungen von Albert Pannen seien geprägt durch ein christliches Weltbild.
Pannen selbst erklärte: „Die Schüler waren es, die mir immer am meisten Freude bereitet haben.“ So bat er seine Kollegen: „Bewahren Sie sich ein Herz für die Kinder und besonders ein Herz für jeden einzelnen Schüler.“
Albert Pannen, der in die Bruderschaft Consolatrix Afflictorum berufen wurde und zwölf Jahre dem Kirchenvorstand von St. Antonius angehörte, nahm auch im hohen Alter aufmerksam Anteil an der Entwicklung Kevelaers. Als im April 2002 sein Tod bekannt wurde, erhoben sich bei einer CDU-Versammlung die Mitglieder zu seinen Ehren. Sie wussten, was die Stadt und ihre Kinder diesem Mann zu verdanken haben.