Pater berichtet über IS-Geiselhaft
Seit April diesen Jahres läuft sie nun schon: die Veranstaltungsreihe „Laudato si“, die die Kevelaerer Stiftung „Aktion pro Humanität“ ausrichtet, um auf das Thema Frieden aufmerksam zu machen. „Wir haben im letzten Jahr auch Friedensveranstaltungen gehabt. Das Thema und die Aktionen haben sich am Niederrhein ganz gut etabliert“, sagt APH-Mitbegründerin Elke Kleuren-Schryvers. Was die Stiftung dazu veranlasst hat, diese Reihe 2019 ins Leben zu rufen? „Die Idee ist entstanden durch die Situation im Niger, unserem zweiten Einsatzland. Dort ist Entwicklung immer weniger möglich gewesen, weil der Terror alles zunichte gemacht hat, was bis vor zehn Jahren noch an Perspektive und Entwicklung möglich war.“ „Es ist keine Entwicklung möglich, wenn kein Frieden ist.“ Das sei der „Triggerpunkt“ gewesen, „an dem wir gesagt haben, dass wir dieses Thema Frieden von unterschiedlichen Standorten unter verschiedenen Gesichtspunkten beleuchten müssen, uns damit selbst auseinandersetzen und die Gesellschaft konfrontieren wollen.“ Die Veranstaltung steht unter der Schirmherrschaft des niederrheinischen Weihbischofs Rolf Lohmann.
Am 16. Juli hatte es zum Auftakt einen Eröffnungsgottesdienst auf dem Reiterhof der Familie Verhoeven in Uedem Keppeln gegeben, im August dann eine Friedensfilmnacht in Moers-Kapellen. Und im Kevelaerer Klarissenkloster fand am 5. September eine szenische Lesung unter dem Titel „Franziskus trifft den Sultan“ statt. „Wenn man das in Zahlen der Besucher bemisst“, sei die Resonanz verhalten gewesen, sagt die APH-Mitbegründerin. „Aber wenn man das mediale Echo ansieht, dann bemerkt man, dass viele einen darauf ansprechen.“ Dass nicht so viele gekommen sind, liege sicher auch an Corona, aber nicht ausschließlich, sagt Kleuren-Schryvers. „Frieden ist ein Thema, das man erobern muss, das man lange darstellen muss, um an eine größere Zahl an Interessenten und Menschen zu kommen, die das Thema zukunftsweisend für uns alle sehen wollen.“ Kleuren-Schryvers glaubt nicht, dass der Wert Frieden nicht existiert. „Aber in einer Gesellschaft, die so lange im Frieden leben darf, ist das Thema nicht so existent wie in Syrien oder Moria, an Brennpunkten, wo man merkt, wie nah der Unfrieden im Alltagsleben ist.“
In der kommenden Woche, am 28. Oktober 2020, ist der St. Viktor Dom in Xanten Ort der Friedensaktion. Dort wird Pater Jaques Mourad aus Syrien aus seinem Buch „Ein Mönch in Geiselhaft“ von seiner fünfmonatigen Gefangenschaft in den Händen des IS erzählen. „Der Ausgangspunkt, sich mit Jaques Mourad kurzzuschließen, war die Tatsache, dass ebenfalls wieder im Niger im September 2018 der italienische Afrika-Missionar Luigi Macalli entführt wurde. Er durchlebte mehr als zwei Jahre IS-Geiselhaft im Sahel.“ Die gleiche Erfahrung hatte Mourad gemacht, der aus dem Kloster der Ordensgemeinschaft in Mar Elian entführt wurde, das am Weg der weltbekannten Karawanenstraße auf dem Weg nach Palmyra liegt. Mourad erlebte als syrisch-katholischer Priester gemeinsam mit einem Novizen seiner Ordensgemeinschaft psychische und physische Folter, die seiner vorbelasteten Gesundheit geschadet hat.
„Momente göttlicher Liebe“
„Wir wollen aus dieser Zeit lernen: Kann man IS-Terror nur mit Waffengewalt begegnen, oder wie er meint, kann und muss man vor allem dialogische Wege finden?“ Mourad unterstreiche in seinem Buch die Bedeutung des interreligiösen Dialogs. Es sei bewegend, von ihm persönlich zu erfahren, dass er auch in seinen Folterern „Momente göttlicher Liebe“ aufblitzen sah. Sicher könne es in solchen Terrorregionen „nicht immer ohne Waffengewalt gehen, vor allem wenn die Menschen in großer Zahl Schutz und Sicherheit benötigen. Aber das größte Augenmerk, die wichtigste Intention muss der Dialog unter den verfeindeten Parteien sein.“ Das sei eine Botschaft des Buches.
Mourad sei ein „immenser Verfechter des interreligiösen Dialogs und des Dialogs mit den Führern des IS, um sozusagen die Ursache, warum sie sich so entwickelt haben, zu verstehen und dem besser begegnen zu können.“ Er erkläre in seinem Buch auch die Facetten des IS, so Kleuren-Schryvers – von den folternden Schergen bis zu den sehr gebildeten Köpfen der Bewegung, mit denen er sich durchaus auf Augenhöhe unterhalten konnte. Sie bewundere den Pater, dass dieser trotz Folter durch die Schergen des IS die Kraft zum Dialog mit den Leadern hatte. „Ich weiß nicht, ob mir das so gelingen könnte“, sagt Kleuren-Schryvers.
Ursprünglich sollte auch der Pater Firas Lufti als Ordensoberer der Franziskaner für einen großen Teil der Region um Syrien, Libanon, Jordanien mit an den Niederrhein kommen. Er werde aktuell aber in Beirut sehr benötigt. „Eine Videoschalte wäre möglich gewesen, aber es ist beeindruckender, ihn persönlich hier zu Gast zu haben, weil die Menschen am Niederrhein unter anderem das Projekt mit den kriegstraumati-sierten Kindern in Aleppo, das Pater Firas gegründet hat, unterstützen.“ Für ihn werde man nach einem separaten Termin suchen.
Am 6. November 2020 wird dann der Schauspieler Willi Schlüter in der Kevelaerer Marienbasilika in einem Monolog „Das Boot ist voll“ vortragen – quasi eine Anschlussgeschichte der Basilika-Lesung von 2015 „Ein Morgen vor Lampedusa“, bei der das Sterben und Überleben auf den Schiffen vor Lampedusa beschrieben wurde. Jetzt geht es um die Beschreibung der Situation auf Lampedusa, wie sich das Leben dort entwickelt hat – für diejenigen, die dort ihre Heimat haben und für die Flüchtlinge, die dort mit ihren Booten unter anderem in übergroßer Zahl aus dem wirtschaftlich danieder liegenden Tunesien ankommen.
Aktuell versucht die Stiftung, über den Schreiner des großen Lampedusa-Kreuzes, Francesco Tuccio, einen Kontakt zum Pfarrer der Insel aufzubauen. „Vielleicht können wir bis dahin sogar eine Videoschalte nach Lampedusa hinbekommen, um ganz aktuell zu hören, wie die Lage auf der Insel ist.“ Tuccio hat kleine Holzkreuze aus den Flüchtlingsbooten angefertigt, wie damals auch das große Lampedusa-Kreuz der Stiftung. Diese wird es im November in der Basilika zu kaufen geben, „damit wir den Menschen dort auf der Insel ein Signal senden.“
„Give peace a chance“
Den Abschluss der Reihe bildet im Dezember das Thekengespräch „Give peace a chance“ zwischen dem Bundesliga Trainer von Mönchengladbach, Marco Rose, Weihbischof Rolf Lohmann sowie dem Journalisten Ludger Kazmierczak an der Viller Mühle in Goch-Kessel. Es gebe weltweit viele fußballbegeisterte Menschen und damit ein riesiges Potential von Leuten, die für Frieden sein können, meint Kleuren-Schryvers. „Und Marco Rose ist ein Mensch mit sehr christlichen Werten.“ Es sei spannend, da einen völlig anderen Zugang und Kontext zum Thema Frieden zu erfahren.
Ob alle Termine hinsichtlich des Coronavirus haltbar sind, werde die Zeit ergeben. Bei der Xantener Veranstaltung im Dom, die als Friedensandacht mit dem Glaubens- und Lebenszeugnis von Jaques Mourad und einem Friedensgebet für die Menschen in Syrien angelegt ist, liege man aktuell in dem Bereich, „dass bis 100 Menschen dort sein dürfen, mit Abstandsgebot und Maskenpflicht am Platz.“ Aber auch da könne man die Entwicklungen nicht vorhersehen. Gleiches gelte für die Kevelaerer Veranstaltung. Die Oktober- und November-Friedensaktionen werden aber Veranstaltungen im gottesdienstlichen Rahmen und mit dem Gebet für die Menschen in Not verbunden sein. Die APH-Aktiven seien „sehr motiviert und engagiert“ für 2021, unterstreicht Kleuren-Schryvers. „Die ersten Themen sind schon da – und da sind wir voller positivem Drive, diese Reihe dann fortzusetzen.“