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„Friede sei in deinen Mauern, Geborgenheit in deinen Häusern“

Für das Vorbereitungsteam der Interreligiösen Wallfahrt schreibt Dr. Elke Kleuren-Schryvers, Kevelaer:

„Weit entfernt und immer unerreichbarer wirkt in der Welt von heute, in unserer Zeit, dieser Friede. Zunahme nationalistischer Denk- und Handlungsweisen, Rechtspopulismus, Spaltung der Gesellschaften, Angst vor Überfremdung und Dominanz fremder Religionen sind zumindest hier in Deutschland keine Friedensstifter. Kriminalisierung der Seenotrettung. Menschenwürde mehr als in Frage gestellt. Tagelang müssen erschöpfte Flüchtlinge zu Hunderten an Bord von Rettungsschiffen dümpeln. Europa demonstriert gerade zum x-ten Mal mit dem Leben der Menschen, die wie wir ein Recht haben, sich frei dorthin zu bewegen, wo ihre Chancen auf Zukunft gut oder wenigstens passabel sind, wie es um die Menschlichkeit auf unserem Kontinent bestellt ist.

Sie finden keine Aufnahme, keine Allianzen für ihre Zukunft in Frieden und mit einer Perspektive für ihr Leben. Wir geben enorm viel, um flüchtende Menschen abzuwehren. Aber wir haben offenbar wenig bis nichts dafür übrig – im Wortsinne – unser Leben, unsere Güter mit ihnen zu teilen. Maßnahmen zum Frieden in der Welt sind aus anderen Gedanken gewebt, erfordern anderes Handeln wie uns große Friedensaktivisten in der Geschichte unserer Welt zeigten.

Ethnische Kämpfe, djihadistischer Terror, Wirtschaftskriege, die sich anbahnen. Aufrüstung, neues Wettrüsten, Machtgehabe allenthalben und das „we first“ sind unsere Zeit-Zeichen! Konsumgesellschaft, Spaßgesellschaft, Profit-Maximierung – und wir beten für den Frieden?! Ja, denn mit Dr. Rupert Neudeck Neudeck, dem Mitbegründer der Interreligiösen Friedenswallfahrt, meldete sich 2015 im August ein zeitgenössischer Aktivist für Frieden und die Menschenrechte mit dem Zitat Martin Luther King´s zu Wort: „I have a dream“.

Diesen Traum haben wir noch nicht aufgegeben. Mehr noch: Wir wollen hier in Kevelaer weiter und immer mehr gemeinsam als abrahamitische Religionen vor allem nach Dialog, nach besserem Verständnis, nach Brücken und Gemeinsamkeiten suchen. Nicht das Trennende darstellen und betonen, sondern das, was uns allen gemeinsam ist. Wir wollen jede Art von Furcht überwinden durch das Bestärken unseres Vertrauens in einen Gott, der jeden von uns, gleich welcher Hautfarbe, welcher Religion, welchen Alters oder Geschlechtes ausgestattet hat mit dem angeborenen Impuls, der natürlichen, starken Kraft des Mitgefühls.

Versammlung am 25. August im Marienpark

Aus diesem Grunde versammeln wir uns am Sonntag, 25. August 2019, neuerlich um 16 Uhr im Marienpark in Kevelaer. Von dort ziehen wir mit den Mitgliedern der Religionsgruppen der Juden, der Muslime und der Christen sowie mit allen Menschen guten Willens von der Musik der unterschiedlichen Religionen begleitet über die Hauptstraße zum Kapellenplatz. Christel Neudeck und Veit Neudeck, Ehefrau und Bruder des verstorbenen Dr. Rupert Neudeck, haben ihr Kommen bereits im Vorfeld der Veranstaltung fest zugesagt.

Auf dem Kapellenplatz erwartet uns der Familienchor der Basilikamusik zum gemeinsamen interreligiösen Singen und Beten, zum Friedensgruß, zu Friedensgedanken und zum Schreiben von Friedensbotschaften. Diese werden gegen Ende der interreligiösen Wallfahrt für den Frieden an der Friedenslichtstele an eine große Klagemauer geheftet. Dort verbleiben sie eine Weile. Als sichtbares Zeichen, dass es den fehlenden oder sehr fragilen Frieden unserer Zeit zu beklagen gilt und dass wir nicht müde werden dürfen, immer wieder neu um Frieden zu bitten, für Frieden aktiv zu werden. Im Gebet, im konkreten Tun.

Der Kevelaerer Männergesangverein wird an der Friedenslichtstele ebenfalls gemeinsam mit allen Friedenspilgern versuchen, diesen großen interreligiösen Chor noch einmal zum Klingen zu bringen. Um 18.00 Uhr endet die diesjährige Interreligiöse Wallfahrt für den Frieden.“

Eine Kinderklinik für Gohomey

Nicht nur die Pfarrei St. Marien, auch viele Kevelaerer darüber hinaus unterstützen seit vielen Jahren die von der Kevelaerer Ärztin Dr. Elke Kleuren-Schryvers gegründete „Aktion Pro Humanität“. Im KB-Interview spricht die Gründerin über zwei Jahrzehnte Entwicklungshilfe und die Pläne für die zweite Hälfte 2018.

KB: Seit mehr als zwei Jahrzehnten engagieren Sie sich mit Ihrer Hilfsorganisation APH (Aktion pro Humanität) in Westafrika. Es konnte eine Krankenstation gebaut werden, vor vier Jahren wurde sogar ein Operationscontainer im Busch installiert – alles mit Hilfe von Spenden. Im November wird eine Kinderstation eröffnet. Werden Sie eigentlich nie müde?
Elke Kleuren-Schravers: Nein, in Anbetracht der Situationen, die die Menschen in diesen beiden Ländern vorgeben, ihre Lebensbedingungen, ihre Perspektiven, kann man gar nicht müde werden. Und wenn nahezu 70 Millionen Menschen auf der Flucht sind, können wir nicht die Beine hochlegen auf unserer Insel der Seligen. In Zeiten, in denen die Angst vor dem und den Fremden so geschürt wird, statt sie zu lindern, muss man agieren. Sich klar und unzweifelhaft für Mitmenschlichkeit und Solidarität aussprechen.

20 Jahre sind eine lange Zeit.
Das Krankenhaus der Aktion pro Humanität in Benin konnten wir 1995 eröffnen. Begonnen hat es mit wirklicher medizinischer Basisversorgung der Menschen. Wir hatten anfangs nicht viel zur Verfügung – einige Medikamente, ein paar Stethoskope und Blutdruckmesser, ein Mikroskop, einige Hals-Nasen-Ohren-Lampen und Mundspatel, ein bisschen Naht- und Verbandsmaterial, einige Infusionssets.

Das klingt abenteuerlich.
Das war es auch. Eine lokale Anästhesie vor einer Wundversorgung etwa kannte niemand. Die Menschen umarmten uns mit Tränen in den Augen, weil sie gar nichts spürten, wenn wir eine Kopfplatzwunde oder eine Macheten-Schnittwunde von der Feldarbeit versorgten. Und die Aidspatienten verstanden gar nicht, dass wir mit ihnen bei den Behörden streiten wollten, damit es endlich Aidsmedikamente im Land geben konnte. Heute ist unser Hospital in Gohomey, nah an der Grenze zu Togo, ein spezialisiertes Zentrum – das zweitgrößte im Land -für die Diagnostik und Therapie von HIV/Aids.

Wie muss man sich das Leben im westafrikanischen Busch im Jahr 2018 vorstellen?
Nun, ehrlich, in vielen Bereich wie vor 150 Jahren. In den Großstädten werden Infrastruktur-Fortschritte sichtbar. In den ländlichen Gegenden ist die Zeit aber noch stehen geblieben – viele Menschen leben nach wie vor in einfachen Behausungen, ohne Wasser und Strom, zu allermeist in bitterer Armut.

Wie finanziert sich das Krankenhaus?
Aus den vielen kleinen „Kostenbeteiligungen“ der Patienten für ihre Behandlungen. Diese liegen unter denen der staatlichen Krankenhäuser. Und dann sind es die Spendengelder vom Niederrhein. Wir können gar nicht laut genug Danke sagen. Und trotzdem bedeutet auch heute ein krankes Familienmitglied, das zur Behandlung im Krankenhaus ist, oft eine Mahlzeit weniger am Tag für den Rest der Familie.

2015 haben Sie in Benin Geschichte geschrieben.
Ein Jahr, das in die Geschichte des Projektes und der Gesundheitsversorgung der Menschen in dieser Region eingehen wird. Durch einen privaten Spender konnten zeitgleich eine digitale Röntgenanlage und ein Operationscontainer angeschafft werden. Somit wurde auch die operative Behandlung, insbesondere auch Kaiserschnittentbindungen möglich.
142 Geburten gab es im Mai dieses Jahres. 40 davon waren Kaiserschnitt-Entbindungen. Insgesamt gibt es monatlich ca. 60 Operationen in dem OP-Container. Pro Jahr werden aktuell sicher 25.000 bis 30.000 Menschen bis in die Nachbarländer hinein (Togo und Nigeria) versorgt. Das Krankenhaus pulsiert …

Gibt es ein Erlebnis, ein Schicksal, das Sie besonders in Erinnerung behalten haben?
Es gibt viele, tief bewegende Erinnerungen an einzelne Menschen und ihre Dankbarkeit über die möglich gewordene Hilfe – inzwischen sogar im ganzen Land. Eine besondere Erfahrung jedoch ist die Entwicklung des Projektes zum zweitgrößten Arbeitgeber in der Region. 85 beninische Mitarbeiter und ihre Familien stehen in Lohn und Brot der Aktion pro Humanität. Das ist die eine großartige Entwicklung. Das ist konkrete Lebensperspektive für die Menschen in ihrer Heimat.

Macht es Sie zornig, dass sich in all den Jahren am Alltag vieler Menschen in Benin nicht viel geändert zu haben scheint?
Nein, ich bin nicht zornig. Eher pragmatisch. Die Lebenssituation der Menschen in der Region Mono/Couffo hat sich schon deutlich verändert – durchaus zum Besseren. Durch das Krankenhaus sind Strom und Wasser in die Region gekommen, Schulen, die medizinische Versorgung ist adäquat bis fortschrittlich. Ebenso ist die medizinische Versorgung entschieden besser als in anderen Regionen. Und wir spüren sehr viel und wachsendes Vertrauen der Menschen in einer Region, die überwiegend noch vom Glauben an Götter, Geister und Ahnen dominiert wird.

Im November werden Sie erneut mit Medizinern aus Wesel, Emmerich, Xanten, Geldern, Kevelaer, Moers nach Gohomey aufbrechen und einen neuen Krankenhausbereich eröffnen.
Ja, wir werden eine pädiatrische Fachabteilung mit Neonatologie eröffnen. Kleinm aber ein wirklicher Segen. Damit ist ein weiterer Schwerpunkt gesetzt als Mutter-Kind-Behandlungszentrum. Eine kleine Zahnarztpraxis ist auf dem Krankenhausgelände ebenfalls in Bau. Wirtschaftlich betrachtet schafft unser Zentrum inzwischen ein Autofinancement von ca. 84 Prozent für die entscheidenden Kostenblöcke: Löhne der beninischen Mitarbeiter, Medikamente sowie medizinische Verbrauchsmaterialien. Das gilt als sehr herausragend im Land.

Das Interview führte Heike Waldor-Schäfer