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Erneut flexibles Handeln gefragt

Am Donnerstagmittag, 28. Januar 2021, landete mal wieder eine Schulmail des nordrhein-westfälischen Bildungsministeriums in den Postfächern der Schulleitungen. Auch die Kevelaerer Verantwortlichen wurden auf diesem Wege darüber in Kenntnis gesetzt, dass ab kommendem Montag, 1. Februar 2021, bis zum 12. Februar die Schüler*innen, „die das Angebot des Distanzunterrichtes im häuslichen Umfeld ohne Begleitung nicht zielgerichtet wahrnehmen können, zur Wahrung der Chancengerechtigkeit die Möglichkeit, in der Schule am Distanzunterricht teilzunehmen“, erhalten sollen. Die weitere Organisation und die Entscheidung, ob bei den Schüler*innen ein Bedarf vorliegt, obliege den Schulleitungen. Diese erneut recht kurzfristig auf den Weg gebrachte Maßnahme stößt an Kevelaerer Schulen auf Zustimmung, bringt aber auch organisatorische Fragen mit sich. 

„Es stellt die Schulen natürlich vor eine Herausforderung“, lautete die Reaktion von Christina Diehr, Schulleiterin des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums. „Ich habe keinen Überblick, wie viele Schülerinnen und Schüler das betrifft.“ Da war die Erleichterung groß, dass ein unkontrollierbarer Ansturm an Schüler*innen am Montag ausgeschlossen ist – dafür sorgt eine in der Mail enthaltene Einschränkung: „Das erweiterte schulische Unterstützungsangebot kann nicht von den Eltern initiiert werden.“ Demzufolge liegt es nun an den Schulleitungen, herauszufinden, welche Schüler*innen möglicherweise „betroffen“ sind und mit ihnen bzw. ihren Eltern Kontakt aufzunehmen. 

„Es wird sicher vereinzelte Fälle geben, wo wir an die Kinder herantreten“, meint Diehr. „Ich glaube nicht, dass das eine große Anzahl sein wird.“ Dennoch müsse man nun in Zusammenarbeit mit den Koordinator*innen und den Klassenlehrer*innen herausfinden, wo Bedarf besteht. Zudem stehe die Frage der Räumlichkeiten auf der Liste sowie die Personaleinteilung. Möglicherweise sei eine Kopplung mit der regulären Notbetreuung möglich. Die aktuell vom KvGG acht anwesenden Schüler*innen werden im Mittagstreff betreut. Ob eine Verbindung der Angebote möglich ist, sei zunächst abzuklären, sagt Diehr. Es bestehe auch die Möglichkeit, Lehrpersonal im Bereitschaftsdienst sowie Referendar*innen für die Betreuung ab Montag hinzuzuziehen. Unterrichtet wird nämlich weiterhin auf Distanz. 

Es bleibt bei Distanzunterricht

Durch die ab Montag geltende Regelung des Bildungsministeriums wird den Schüler*innen lediglich eine Betreuung, keine Beschulung in den Einrichtungen ermöglicht: „Im Rahmen des schulischen Unterstützungsangebots wird den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gegeben, am Distanzunterricht in geeigneten Räumlichkeiten der Schule unter Aufsicht des nicht am Distanzunterricht beteiligten schulischen Personals teilzunehmen“, heißt es in der Schulmail. Weiter: „Während der genannten schulischen Unterstützungsangebote findet kein zusätzlicher Präsenzunterricht statt. Vielmehr dienen die Angebote dazu, Schülerinnen und Schülern, die im häuslichen Umfeld keine angemessenen Lernbedingungen haben, die Erledigung ihrer Aufgaben in der Schule unter Aufsicht zu ermöglichen. Die Schülerinnen und Schüler nehmen also – auch wenn sie sich in der Schule befinden – an ihrem Distanzunterricht teil.“

Christina Diehr befürwortet diesen Schritt grundsätzlich: „Ich finde es gut, wenn man sich dieser Kinder annimmt. (…) Alles, was den Kindern hilft, ist super.“ Natürlich wäre es hilfreich gewesen, wenn diese Information des Ministeriums ein paar Tage früher an die Schulen herangetragen worden wäre, aber „wir werden natürlich auch diese Herausforderung meistern. Wir sind es ja inzwischen gewohnt als Schulen, dass wir sehr flexibel reagieren müssen. Und ich glaube, das haben wir inzwischen auch ein bisschen drauf.“

Ähnlich ist die Einstellung an der Kevelaerer Gesamtschule, an der sich aktuell 11 Schüler*innen in der regulären Notbetreuung befinden. Schulleiter Christoph Feldmann sieht sich und seine Schule gut vorbereitet. Ob er mit einem großen Bedarf rechnet? „Ich glaube eher nicht. Es ist ja nicht mit Unterricht verbunden.“ Und mit der Kombination aus Videokonferenzen und der eigenständigen Bearbeitung der Unterrichtsmaterialen kämen die meisten Schüler*innen gut zurecht. Man werde nun in Zusammenarbeit mit den Klassenlehrer*innen „überlegen, welche Schülerinnen und Schüler das überhaupt betrifft. Und wo sehen wir da Bedarfe? (…) Ich glaube schon, dass das sinnvoll ist, da nochmal nachzufragen.“ 

Das Angebot betreffe aber natürlich nicht alle Schüler*innen, bei denen in seltenen Fällen mal die Leitung „instabil“ ist. Bei technischen Problemen, die das Distanzlernen tatsächlich beeinträchtigen, sei so eine Maßnahme sinnvoll. Man müsse nun die Abfrage abwarten, bei welchen Schüler*innen nach Ansicht der Klassenlehrer*innen Bedarf besteht. „Wir sind darauf gefasst, dass da etwas kommt“ – auch wenn sich das vermutlich in Grenzen halten werde, sagt Feldmann.

„Wir finden es sinnvoll”

Auch in den Grundschulen greift die Maßnahme des Bildungsministeriums, die alle Jahrgänge von 1 bis 13 umfasst. Helga Dückers-Janßen, Schulleiterin der Kevelaerer St. Hubertus Grundschule, sieht die Regelung für die kommenden zwei Wochen gelassen. Sie habe bereits am Mittwoch über eine Pressemitteilung auf der Internetseite des nordrhein-westfälischen Bildungsministeriums davon erfahren. Einen Kontakt mit den Eltern habe es ebenfalls bereits gegeben – das sei ohnehin ein wichtiger Bestandteil der Situation. „Wir haben sofort angefangen, nach den Weihnachtsferien mit den Eltern zu telefonieren“, erklärt Dückers-Janßen. Auf eine entsprechende Regelung habe man beinahe gewartet. „Wir finden es sinnvoll, wir haben vorher schon länger darüber nachgedacht. Aber wir müssen es immer abwägen in Hinsicht auf das Infektionsgeschehen. (…) Wir sehen das im Moment eher als Chance.“

An ihrer Schule werde sich nicht viel ändern. „Wir machen so weiter wie bisher“, sagt Dückers-Janßen. Die Abfrage der Eltern habe ergeben, dass vermutlich zwei Kinder aufgrund unzureichender Möglichkeiten des Distanzunterrichts daheim in die Schule kommen werden. Aktuell nehmen 27 Kinder die reguläre Notbetreuung an der Schule wahr. Dabei handle es sich durchweg um Schüler*innen, deren Eltern sie aus beruflichen Gründen nicht betreuen können. Die Organisation sei somit bereits durch die vergangenen Wochen sichergestellt. Einzig die Personalfrage stelle noch eine Herausforderung dar. Die Sozialpädagogin, die aktuell für die anwesenden Kinder zuständig ist, könne natürlich nicht alles übernehmen. Daher müsse man zusätzlich auf Lehrkräfte zurückgreifen.

Mehr Eigenverantwortung im Distanzunterricht

„Mal ein Test – könnt Ihr mich gut hören?“, fragt Christian Berghs in den „virtuellen Klassenraum“ hinein. Ein vielstimmiges, mal verzögertes, mal undeutliches „Ja“ schallt dem Mathelehrer des Oberstufen-Grundkurses als Antwort aus den diversen „Bildschirmkästen“ entgegen. Auf einem winzigen Bildschirm kann Berghs die diversen Schüler*innen ausmachen, die an der Videokonferenz teilnehmen. In dem „realen“ Klassenraum, in den er sich zurückgezogen hat, sieht er auf seiner winzigen Bildschirmleiste die „winkenden Hände“ neben den Namen. Sie zeigen an, wer gerade „aufzeigt“ und etwas sagen möchte. 

Die Nachbesprechung des Mathetests mit den Schüler*innen der elften Klasse geht konzentriert und leise vor sich. Immer wieder gilt es für alle Beteiligten, Geduld aufzubringen, um die Verzögerung des Netzes aufzufangen. Sich mit dem Bild wegschalten, das gibt es nicht. „Wir finden es nicht gut, Schüler nicht zu sehen. Es ist so eh schon schwer, weil man kein Gefühl für die Schüler hat“, sagt Schulleiter Christoph Feldmann. „Und es werden immer die Schüler eingeblendet, die was sagen.“ Wer nicht zeigen will, wo er gerade sitzt, kann eine Funktion zum Weichzeichnen des Hintergrundes nutzen. Den meisten Schüler*innen, die im Bild zu sehen sind, scheint das nicht so wichtig zu sein. Sie nutzen die Funktion nicht. 

Dass Lernen mit Hilfe des Programms durchaus funktioniert, beweist die virtuelle Schulstunde. Berghs schreibt die Aufgaben über das „Notes“-Programm auf den Bildschirm, wodurch die Schüler*innen die Schritte mit nachvollziehen können. Und später kommen noch Lernspiele dazu, mit denen die Schüler*innen noch aktiver in den Lernprozess einbezogen werden können. 

Der Lehrer unterrichtet am Tablet. Foto: AF

Viele lernen mit dem Tablet, tatsächlich noch einige mit dem Smartphone. „Solange das Tablet nicht da ist, wird es so gehen“, sagt Jana. Es gab da Probleme beim Versand. „Es ist nicht zu klein, man kann ranzoomen“, meint sie zu der praktischen Seite.  Aber ein bisschen beobachtet fühle man sich in dieser Unmittelbarkeit schon. Ob es anstrengender als der „reale“ Schulunterricht ist? „Hier muss man sich mehr konzentrieren, zuhören und gleichzeitig arbeiten“, sagt Lara. Und ab und zu komme es vor, dass man in Kervenheim halt mal Internetprobleme habe, sodass „ich nix sehe, nix höre und eine Minute verpasse.“ Ihm fehle der Lernrhythmus im Klassenzimmer, sagt Danny.

Ein Quantensprung

Technisch sei das digitale Lernen „ein Quantensprung für die Schule“, sagt der Digitalbeauftragte der Schule, Patrick Cosar. „Es geht um unterschiedliche Lernplattformen – „Logineo“ und „Moodle“ für die Klassen fünf bis zehn und in der Oberstufe arbeiten wir mit ,Teams 365‘“, erklärt die didaktische Leiterin der Gesamtschule, Martina Boudewins.  Schule habe sich in kürzester Zeit komplett gewandelt, ergänzt Schulleiter Christoph Feldmann. „Was sich die Schüler und Lehrer ,draufgeschaufelt’ haben“ an digitalem Umgang und Wissen, „das gab es so noch nicht.“ Für die Lehrer*innen gab es zu Beginn des ersten Shutdowns eine Art dreitägige „Turbo“-Fortbildung, mit der sie erstmal arbeiten mussten. „Es gibt dann immer so kleine ,Fortbildungs-Snacks’ in der Woche von 30 bis 60 Minuten“, ergänzt Boudewins. 

Die Voraussetzungen seit dem ersten Shutdown haben sich deutlich verbessert, nachdem die Lehrer*innen über den Digitalpakt mit iPads von der Stadt versorgt wurden und 150 iPads für die Schüler*innen leihweise parat stehen. Und das Lernen laufe besser als im Frühjahr, bezieht sie sich dabei auf eine aktuelle Umfrage an der Schule. „Da zeichnet sich ab, dass Eltern und Schüler deutlich zufriedener sind.“ Oftmals könnten Eltern schon für ihre Kinder am Vorabend die bereitgestellten Aufgaben ausdrucken und sogar vorbesprechen. 

Über die Videokonferenzen ließen sich nicht nur gezielte individuelle Fragen beantworten, sondern durchaus auch mal andere Fragen bereden, so Boudewins. Auch das sei in der Zeit wichtig. „Klar ist, dass das alles viel mehr Eigenverantwortung für die Schüler bedeutet“, ergänzt ihr Kollege Cosar. 

„Es wird weniger in die Klasse reingerufen“

Die Schüler*innen haben zu dem virtuellen Lernen eine differenzierte Meinung. „Ich denke schon, dass ich in der Schule motivierter bin als vor dem Bildschirm, aber ich finde es richtig, dass wir das jetzt hier so durchziehen wegen Corona“, sagt eine Schülerin. „Wegen Lüften und Corona“, sei es im Moment so besser, meint Maret. Für Emilie ist es aktuell „bequemer, wenn man nicht um 6 Uhr aufstehen und früh mit dem Bus fahren, sondern erst um halb 8 aufstehen muss.“ Und Lara hat einen weiteren interessanten Vorteil ausgemacht: „Es wird weniger in die Klasse reingerufen.“

Aber bei allen klingt deutlich durch, dass ihnen der normale Schulunterricht fehlt. „Ich hätte das früher nicht gedacht, aber ich freue mich auf die Schule“, sagt Lara. „Es fehlt das Stück Normalität und der geregelte Ablauf, morgens um 6 Uhr zu frühstücken, zum Bus und dann zur Schule zu laufen“, fasst Danny das Gefühl aller gut zusammen. Dieser Aspekt kommt bei vielen durch.

Gut vorbereitet auf den Distanzunterricht

Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulen in Kevelaer sind auf den Distanzunterricht bis Ende Januar gut vorbereitet. Das ist die Botschaft, die die Stadt und die Einrichtungen jetzt zum Auftakt der Beschulung im neuen Jahr vermitteln. Der Rat der Stadt habe bereits Ende Juni beschlossen, dass die digitale Ausstattung für Schüler*innen an Kevelaerer Schulen schnellstmöglich erfolgen soll, heißt es dazu in einer Stellungnahme der Stadt. 

Unmittelbar nach der Bewilligung der beantragten Mittel aus dem Digitalpakt und den ergänzenden Sofortausstattungsprogrammen in Höhe von gut 423.300 Euro habe man im September die digitalen Geräte für die Schulen über das Kommunale Rechenzentrum Niederrhein bestellt. Dazu kamen noch 34.255 Euro, die die Stadt entsprechend der Förderrichtlinien als Eigenanteil beigesteuert hat. 

Aufgrund der hohen Nachfrage nach digitalen Endgeräten kam es aber teilweise zu Lieferengpässen und zeitlichen Verzögerungen. Trotzdem konnten die Geräte für Schüler*innen, die keinen Zugang zu digitalen Endgeräten hatten, bereits vor den Weihnachtsferien ausgegeben werden.

Die Geräte bleiben Eigentum der Stadt

Die herausgegebenen Tablets gehen dabei nicht in das Eigentum der Schüler*innen über, sondern gehören der Stadt und werden leihweise für solche Kinder und Jugendliche zur Verfügung gestellt, die zu Hause keine ausreichende technische Ausstattung haben, um beispielsweise am Distanzlernen teilzunehmen. Im Falle eines Verlusts oder Diebstahls können die Geräte aus der Ferne verfolgt und gesperrt werden, sodass die Geräte für Diebe schnell unbrauchbar gemacht werden könnten.

Bürgermeister Dominik Pichler zeigte sich erfreut darüber, dass man in so kurzer Zeit digitale Geräte zur Verfügung stellen konnte. „Alle Schülerinnen und Schüler sollen den gleichen Zugang zu Bildung erhalten. Dies darf nicht an mangelnden finanziellen Mitteln für eine technische Ausstattung zu Hause scheitern“, so der Bürgermeister.

iPads für Lehrkräfte

Auch die 280 Lehrkräfte an den Kevelaerer Schulen wurden bereits Anfang Dezember mit iPads ausgestattet, um sich im Vorfeld mit den Geräten vertraut machen zu können.   

Um die digitalen Kompetenzen der Schüler*innen kontinuierlich zu verbessern, stehen künftig in den Schulen auch stationäre und / oder mobile Klassensätze mit iPads zur Verfügung, die dazu beitragen, die Lernerfahrungen der Schüler*innen auszubauen. Der Betrag für schulgebundene mobile Endgeräte ist nach den Förderrichtlinien zum Digitalpakt auf 25.000 Euro je Schule begrenzt.