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Holodomor-Gedenken. Ukrainische Sänger gesucht.

Theodosiuschor singt wieder in Frankfurt

Auch in diesem Jahr ist der Theodosiuschor – der Projektchor des Kevelaerer Männer-Gesang-Vereins für die Ostkirchenliturgie – eingeladen, das Holodomor-Gedenken in Frankfurt musikalisch zu gestalten.

Die Rückkehr des Gesangs in den Chören

Chordirektor Romano Giefer verantwortet als Chorleiter der Basilikamusik mit dem Familienchor (60 Leute), dem Basilikachor (35), dem Mädchenchor (bis zu 70) und dem Knabenchor (an die 100) das Zusammenspiel vieler Sänger in der Pilgerstadt. Auch seine Arbeit und die der Sänger ist von der Corona-Krise unmittelbar betroffen. „Es ist sehr eingeschränkt mit den Möglichkeiten der Schutzverordnung.“ Proben mit einer großen Gruppe, das ist für ihn und seine Sänger und Sängerinnen nicht drin. „Wir proben maximal in Sechsergruppen im Musiksaal mit Auflagen und Abstand, in einem ausreichend großen Raum, belüften ihn großzügig, haben sogar Schutzwände. Die Abstände betragen da drei Meter zur Seite. Und nach vorne ist es frei.“ Bei den Kindern und Jugendlichen versuche er, mit gezielter Einzelstimmbildung zu arbeiten. „So kann ich denen eine individuelle Anleitung geben.“ So sei das doch irgendwo eine produktive Zeit, obwohl es „keine choralischen Sachen sind.“

„Wir müssen halt das Beste draus machen“, meint Giefer in Anbetracht der akuellen Situation. Das Bistum habe auf Basis der NRW-Schutzverordnung Sechsergruppen erlaubt, die die Gottesdienste gestalten. „Das machen wir dann im Rotationsverfahren.“ Aber auch da rufe nicht jeder Chorist „Hier“. „Es gibt da auch ‚Risikogruppen‘ oder Kinder mit erweitertem Haushalt, die vorsichtig sind.“ Aber für diejenigen, die da mit vorbereiten, sei das eine „gute Sache, auch mal in kleinen Formationen zu arbeiten.“ Natürlich verändere sich auch irgendwo das Empfinden einer Gruppe. „Die Formationen können nicht so wie vorher zusammenkommen. Das verändert was im Selbstverständnis der Chöre“, sagt Giefer.

Damit der Kontakt nicht ganz schwindet, findet am Freitag, 19. Juni, auf Einladung von Wallfahrtsrektor Gregor Kauling so etwas wie eine interne Andacht für alle Basilikachöre statt, bei der man natürlich unter Wahrung der Verordnungen „aus dem Stehgreif ein Chorgefühl erzeugen kann.“ Mal wieder zusammenkommen, das sei der Sinn des Ganzen. „Es soll ein Impuls sein.“

Christian Franken probierte es digital

Als Chorleiter und Organist an der St.-Antonius-Gemeinde kann auch Christian Franken momentan nicht viel in Sachen Chorarbeit ausrichten. „Die Chorarbeit ruht – wir haben wohl mit den Jugendlichen der Antonius via Videokonferenz geprobt.“ Das funktioniere aber nicht besonders gut. „Ich sitze zu Hause am Flügel, singe und spiele und höre die, die drin sind, zeitversetzt. Das ist problematisch. Und Proben ist das nicht“, sagt Franken. „Ich kann da schlecht den Gesang kontrollieren.“ Die Situation zwinge die Beteiligten dazu, viel um die Ecke zu denken und andere Sachen zu probieren. „Wir sind mit drei Leuten in der Kirche für die Erstkommunionkinder gewesen. Wir haben eine Datei erstellt für die Erstkommunionkinder, damit sie damit akustisch proben können. Das findet sich auf der Homepage.“

Beim Kinderchor laufe zur Zeit „gar nichts. Die Betreuer treffen sich mal.“ In Twisteden im Projektchor, wo er auch aktiv ist, „haben wir für die Erstkommunion geprobt und mit sechs Leuten gesungen. (…) Wir halten uns an die Bestimmungen, die Gesundheit geht vor“, lautet die klare Maxime.

In der vergangenen Woche habe man noch zum Thema Proben mit dem Vorstand des Kirchenchores von St. Antonius getagt. „Da ist eine Ärztin mit drin im Vorstand. Die hat deutlich gemacht, wie gefährlich das ist und hat Fälle genannt. Wir sind da lieber absolut vorsichtig. Und wenn sich was ändern sollte, treffen wir uns natürlich wieder.“

Biggi Lehnen musste nicht ganz verzichten

Auch Biggi Lehnen gestaltet seit 1988 in Kevelaer mit diversen Chören Musik, Aufführungen und studiert Lieder ein – aktuell seit 2011 beim Chor „Klangfarben“ und bei dem Kirchenchor „Cäcilia“ Wetten. „Für die Chöre war es traurig, eine Osterzeit ohne Musik. Das war alles sehr beeinträchtigt“, erzählt die 53-Jährige. Und auch der Wegfall des Heimatabends in Wetten, für den man etwas Schönes vorbereitet hatte, war ein Einschnitt. Für viele Chormitglieder sei der Chor auch „so eine soziale Sache. Da war es schon schwer – zum Beispiel wenn die Älteren dann zu Hause alleine sitzen.“ Persönlich habe sie viel mit ihrem Mann, dem Organisten Elmar Lehnen, über die Musikübertragungen der Basilikamusik kompensieren können. „Darüber konnten wir gestalten und die Eltern im Schwarzwald konnten das im Netz sehen.“

Was den Kirchenchor „Cäcilia“ betrifft, da befänden sich auch einige darunter, die zur „Risikogruppe“ der Älteren zählten. „Die sind schön zu Hause geblieben. „Selbst die Chorausflüge wurden abgesagt. Jetzt durfte man aber schon wieder mit beiden Chören ins Wettener Pfarrheim – mit offenem Fenster und ausreichend Abstand. Mit dem „Klangfarben“-Familienchor habe man vor zwei Wochen mit Sechsergruppen wieder angefangen. „Da ist die Kunst, die sechs so einzuteilen, dass es vernünftige Stimmproben gibt. Die Leute waren da sehr glücklich und dankbar“, sagt Biggi Lehnen. Aus ihrer Sicht sei es jetzt ein guter Zeitpunkt, mit den Lockerungen anzufangen. „Dass es mit kleinen Schritten weitergeht“, das sei psychologisch schon irgendwo wichtig. Was aber die aktuellen Bestimmungen des Bistums Münster – orientiert an den Verordnungen des Landes NRW – genau bedeuten und wie man sie umsetzen kann, das müsse man halt sehen.

Derix und Lammerts probten im Freien

Christina Derix und Marloes Lammerts, die Begründerinnen des „Theaterchors Niederrhein“, sind über die aktuellen Schritte Richtung „Normalität“ schon froh. Man müsse schon aufmerksam schauen, „welche Auflagen derzeit gelten. Und so sind wir vor zwei Wochen gestartet mit Kleingruppen, ausreichendem Abstand in einem privaten Garten“, erzählt Derix. So richtig gut, das ist ihre Erfahrung, funktioniert das Ganze aber nicht. „Weil es halt eine ganz andere Geschichte hat, wenn man sonst mit 100 Leuten gesungen hat und dann fünf, sechs Meter keinen um sich rumstehen hat, quasi alleine singt und die anderen nicht wirklich gut hört, dafür sich selbst so laut.“ Das sei „ungewohnt für viele, schüchtert auch ein“, ergänzt Marloes Lammerts. Im ersten Anlauf habe man versucht, in kleinen Gruppen mit den diversen Stimmen zu singen. „Da war die Stimme nach 20 Minuten vielleicht dann mal da, aber die Probe schon wieder vorbei“, ergänzt Derix.

Jetzt hat man sich mit Chorleiter Tom Löwenthal darauf verständigt, es in den einzelnen Stimmen mit jeweils einer Stunde zu probieren – Tenor und Bass und jeweils einmal Sopran und dann Alt. „Das hat mit Chorarbeit aber nichts zu tun“, sind sich beide einig. „Du hast nicht den Eindruck eines Gesamtklangs, siehst immer nur wenige Leute“, meint Lammerts.
Seit Mitte März gebe es keinen gemeinschaftlichen Chorklang mehr. Kontakt untereinander, den halte man aber trotzdem. „Tom Löwenthal hat ein paar Stimmen eingespielt, ab und zu gab es eine aufmunternde Mail. Es gab Vorschläge, Sachen über Zoom zu machen. Aber das funktioniert nicht in einer großen Gruppe und einzeln macht es auch keinen Spaß.“ Die Männer hätten versucht, was gemeinsam zu erarbeiten – und ein Chormitglied überrasche jeden Dienstag mit einer Chor-Zuggeschichte über WhatsApp.

Jetzt werde man sehen, wie sich die nächste Zeit entwickelt. „Die Zeiten sind, wie sie sind. Wir probieren halt aus.“ Wichtig sei nur, für alle die Freude am Singen zu erhalten. Und vielleicht sei die Pause auch ganz gut, um sich zu vergegenwärtigen, dass es auch Wichtigeres gebe, als jedes Jahr ein großes Konzert zu präsentieren, meint Derix. Sie würde sich freuen, „diese ehrliche Freude wieder als Gemeinschaft zu spüren.“ Und dann wird auch das für Februar 2021 geplante Konzert wieder ein Gelungenes werden – wenn es dann auch stattfinden kann.

1000 Stimmen für die Brüderlichkeit

Seit einigen Jahren dirigiert und komponiert der Niederländer Tom Löwenthal in der Wallfahrtsstadt – ein Mensch, der für seine Musik lebt und sie mit der Portion Leidenschaft vermitteln kann, die es braucht, um von ihr begeistert zu sein.

Im Laufe seines jahrzehntelangen Schaffens hat er viele große Projekte verwirklichen können – der vergangene Samstag dürfte aber als eines seiner schönsten Karriereerlebnisse in seine Vita mit eingegangen sein.

Denn in Eindhoven wurde zu Ehren des niederländischen Theolologen und Dichters Huub Osterhuis, der 85 Jahre alt wurde, das große Oratorium „Lied van de Aarde“ aufgeführt.
Interpretiert wurde das einstündige Oratorium von dem Orchester „La Passione“ aus Lier bei Antwerpen und dem „Kamerkor Helicon“ unter der Leitung von Geert Hendrix.

„Das Oratorium mit dem Lied von der Erde hab ich 1989 geschrieben mit viel Vergnügen und Spaß“, zeigte sich Löwenthal nach dem Konzert begeistert. „Die belgischen Leute haben das super gemacht. Es hätte sicher etwas kräftiger und theatralischer sein können, aber ich muss nicht unzufrieden sein“, sprach aus diesen Worten auch eine gehörige Portion Stolz.

Denn in Anwesenheit des Jubilars boten die Ensembles eine klang- und gesangsmächtige Umsetzung des Stücks mit dem Text von Osterhuis, das von dem Chaos auf der Erde und dem Unvermögen der Menschen kündet, die Erde und die Natur zu bewahren.

„Die Musik ist polystilistisch gedacht – ein bisschen im Stil von Eisler und Weill, mit etwas Bach und Latin“, erläuterte der Komponist danach. „Das hat gut funktioniert, die Stile ergänzen sich schön“, war sein Eindruck.

Aus dem Dialog Gottes (fantastisch: die Sopranistin Dani van Hoog als „Gott“) mit dem Realisten geht am Ende die Botschaft hervor, dass die Menschen sich ändern können und sie „Aarde.Deze. Enig denbare. Rond en blau in de ruimte“ bewahren können.

„Dieses Stück bleibt immer aktuell, diese Umweltfrage, das hat Huub Oosterhuis damals schon wie ein Prophet vorhergesehen“, sieht Löwenthal fast drei Jahrzehnte nach der erstmaligen Aufführung, dass dieses Problem drängender ist denn je. „Und auch diese Sache mit den orthodoxen Radikalen, mit Islam und dass so viele Leute denken, die Wahrheit zu haben.“

Danach trat der 64-Jährige selbst als Dirigent an das Pult und führte zusammen mit dem Amsterdamer „Koor Helicon“, den er am Wochenende teilweise noch bei sich zu Hause zur Probe versammelt hatte, sechzehn moderne Kirchenlieder mit Texten des 85-Jährigen auf.

Selbst komponiert

Viele der Lieder hatte Löwenthal selbst komponiert, dazu kamen Bearbeitungen von Arjen van Baest und Antoine Oomen. Arrangiert hatte der 64-Jährige dann alle 16 Stücke – und er dirigierte selbst dabei die Chorsänger, das Orchester und die 1060 Menschen im Publikum, die alle mitsangen.

„Für mich war das eine Premiere, die Kirchenlieder, die orchestriert sind, mit einem ganzen Saal zu singen“, wurde dem Komponisten danach bewusst, dass das etwas war, „was Du nicht alle Tage so erlebst.“

Für den Zuhörer im Saal war es eine durchweg magische Stunde – allein aufgrund der gewaltigen Macht der Musik und der zusammen singenden Stimmen, die das moderne Gebäude mit ihrem Klang förmlich erstrahlen ließen. Und Lieder wie „Die mij drug“ („Der mich trug“) besaßen eine so emotionale Wucht, dass bei einigen die Augen nicht mehr trocken blieben.

Dazu kam das mit ganzem Körpereinsatz geführte Dirigat von Löwenthal, der danach gestand: „Ich weiß, ich bin ein thetralischer Dirigent. Ich habe versucht, die Menschen zu begeistern, und wenn ich sie richtig anfeuere, finden die Leute das schön.“

So sah es auch Huub Oosterhuis selbst, der danach für sein Lebenswerk und die 1000 Bücher mit all seinen Texten warb. Danach forderte er die Regierung – stellvertretend für viele andere Flüchtlinge in den Niederlanden – auf, eine von Ausweisung bedrohte Familie in einer Kirche in Katwijk zu verschonen. „Bewahrt mir mein freundliches Holland“, lautete sinngemäß seine Botschaft des Tages: „Für die Brüderlichkeit.“

Tom Löwenthal will den Eindhoven-Impuls gerne weiter nach Kevelaer transportieren. „Sowas wie das Mitsingen, das brauchen wir auch am Kapellenplatz mit Orchester“, das wäre sein Traum für den Krippenmarkt. Und vielleicht könne man ja eines Tages auch das Oratorium in Kevelaer zusammen mit Akteuren vor Ort verwirklichen.

Knabenchor auf großer Fahrt

Auf großer Fahrt sind momentan 14 junge Sänger des Knabenchores von St. Marien unter der Leitung von Basilikakantor Sebastian Piel. Der Chor nimmt am internationaler Pueri Cantores Festival aller katholischen (bzw. ökumenisch christlichen) Kinder-, Jugend-, Mädchen- und Knabenchöre in Barcelona mit ca. 5000 Sängerinnen und Sängern aus aller Welt teil.
Ohne Eltern ins Ausland
Die Teilnehmer des A-Chors sind zwischen 8 und 13 Jahren alt und für viele ist es nicht nur die erste Reise ins Ausland, sondern auch die erste Fahrt ohne die Eltern.
Das Programm der Reise beschränkt sich aber nicht nur auf die Festival-Teilnahme. Der Knabenchor ist vom 9.7.2018 bis 16.7.2018 unterwegs und gibt noch ein Konzert in Freiburg gemeinsam mit den Essener Domsingknaben.
In Barcelona stehen Musizieren mit Tausenden anderen jungen Sängerinnen und Sängern aus aller Welt und gemeinsames Singen und Beten für den Frieden, Gestaltung diverser Gottesdienste und Konzerte unter anderem zur Unterstützung sozialer und caritativer Projekte, Abschlussmesse in der Sagrade familia und zwei Tage am Meer auf dem Programm.
Der Knabenchor ist seit seiner Neugründung 2015 durch Sebastian Piel Mitglied des Pueri Cantores Verbandes und hat schon an einigen Kongressen, zum Beispiel in Münster, teilgenommen. Im vergangenen Jahr wurde ein bistumsweiter Kongress in Kevelaer ausgerichtet.
Im Chor singen 55 aktive Sänger zwischen 7 und 13 Jahren und verschiedener Konfessionen aus Kevelaer und Umgebung. Zusätzlich gibt es 36 neue Sänger, aufgeteilt in zwei Vorschulgruppen, die sich ab September ein Jahr lang auf ihre Aufnahme vorbereiten werden. Das Repertoire erstreckt sich über ein- bis zweistimmige klassisch geprägte Vokalmusik von Gregorianik bis hin zu zeitgenössischer Literatur.
400 Chöre im Verband
Der Deutsche Chorverband Pueri Cantores besteht seit 1951 und wird heute von ca. 400 katholischen Chören (Knabenchöre, Mädchenchöre, Kinderchöre, Jugendchöre und Scholen) mit mehr als 16.000 Sängerinnen und Sängern getragen.
Der Chorverband möchte, wie es in seiner Satzung heißt, „die kirchlichen Knabenchöre, Mädchenchöre, Kinderchöre und Scholen in Deutschland in ihrer musikalischen, kulturellen, erzieherischen und religiösen Arbeit (…) unterstützen und ihre gegenseitige, freundschaftliche Verbundenheit, wie die mit den Pueri Cantores anderer Länder (…) fördern und die Gründung neuer Chöre und Scholen anregen“. Lob Gottes, Begegnung in Freundschaft und Einsatz für den Frieden sind traditionell die drei Säulen der Pueri-Cantores-Arbeit.

American Beauty

Die „kulturpolitische“ Botschaft gleich vorweg: Allen tatsächlichen Schwunderscheinungen und den diese begleitenden Kassandrarufen zum Trotz, das künstlerisch anspruchsvolle und engagierte Laienchorwesen lebt und hat auch Zukunft.
Sich davon ein Bild zu machen, hatte man am Freitagabend, 8. Juni, in der mit etwa 70 Zuhörern gut besuchten Clemenskirche die Möglichkeit. Der noch recht junge, erst 2016 in Kempen gegründete Kammerchor „Libera Voce“ hatte unter der Leitung von David Nethen ein Programm ausschließlich amerikanischer Komponisten unter dem Titel „American Songs“ in der Notenmappe.
Hauptwerk des Abends war der zweiteilige Liederzyklus „Old American Songs“ von Aaron Copland (1900–1990), in einer Fassung für gemischten Chor und Klavier, den er zwischen 1950 und 1952 komponierte. In Deutschland weniger bekannt, ist Coplands Bedeutung für die amerikanische Musik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht zu unterschätzen, die er als Komponist und Lehrer maßgeblich prägte. Zeitlebens bewegte er sich musikalisch in einem Spannungsfeld aus farbig-großflächiger Harmonik spätromantischer Prägung und einem kleinteilig-schroffen Neoklassizismus. Diese Gegensätze prägen auch die zehn kurzweiligen, auf Volksliedern basierenden Kompositionen der „Old American Songs“.
Der Chor eröffnete in einer die Weite des Raumes der Clemenskirche ausnutzenden runden Aufstellung mit „The Boatmen’s Dance“ – Tanz der Schiffer – und legte sich damit selbst die Messlatte in ausgesprochen anspruchsvolle Höhe. Die beinahe nachhallfreie und wenig tragende Akustik beförderte einerseits eine gute Durchhörbarkeit, legte im Gegenzug aber auch die kleinste Schwäche gnadenlos offen. Die spannungsreichen Wechsel aus ungestümem Solopart und Chorpassagen kamen gut zur Geltung, wenn auch die Homogenität unter der weiten Verteilung der Stimmgruppen und des begleitenden Klaviers zuweilen etwas gelitten hat.
Fortgesetzt wurde das Programm in klassisch frontaler Choraufstellung, was Sängern und Zuhörern gleichermaßen zugutekam. Im stimmgewaltig-markanten „The Dodger“ – Der Gauner – entwickelte der Chor dann auch gleich eine ganz andere Strahlkraft und Geschlossenheit.
Symbiose aus Chor
und Publikum
Die so wunderschönen Momente der Symbiose aus Chor und Publikum stellte sich im von Vokalität und langen Spannungsbögen geprägten „Long Time Ago“ – Vor langer Zeit – ebenso ein, wie im erfrischend naiven „Ching-a-Ring-Chaw“, das mit seinen rhythmischen Akzenten nicht nur den Chor in Bewegung versetzte.
Einen zweiten Block bildeten die „Three Nocturnes“ von Daniel Elder, ein 1986 geborener und in den USA lebender Komponist. Thematisch ging es um Erscheinungen der Nacht: Ein einzelner Stern am Nachthimmel, eine Ballade an den Mond, ein Schlummerlied – tonsprachlich war es denn tatsächlich auch nichts Neues unter der Sonne, sondern kompositorisch vielmehr ein weiterer Aufguss des ungemein eingängigen und beliebten Stils anglo-amerikanischer Chormusik der Nachkriegszeit. Der Chor liebt das Bad im Klang, das Publikum liebt die einhüllende Wärme und so hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können.
Für die Schlussnummer verteilte sich der Chor wieder im Rund um die Zuhörerschaft und brachte „Sleep“ von Eric Whitacre (*1970) zu Gehör. Die beinahe transzendenten Klangflächen und fein gesponnenen Melodiefäden kamen hier durch die Aufstellung bestens zur Geltung und verfehlten ihre Wirkung nicht. Eine ungemein effektvolle und ausbalancierte Komposition, die im wahrsten Sinne des Wortes den Abend ausklingen ließ.
Stille wäre eigentlich die angemessene Konsequenz auf „Sleep“ gewesen. Allerdings war die Begeisterung des Publikums verständlicherweise eine große und so setzte (gefühlt einen Moment zu früh) großer Applaus ein. Dank erging an den Leiter des Chors, David Nethen, selbst gebürtiger Amerikaner, der sich spürbar mit diesem Programm „zu Hause“ fühlte. Ina Otte begleitete den Chor am Klavier in perfekter Art und Weise. Der technisch und künstlerisch anspruchsvolle Klavierpart im Copland ist wahrhaft kein Spaziergang.
Das Publikum erlebte einen jungen, motivierten Chor, auf dessen nächste Projekte man ebenso gespannt sein darf wie auf dessen weitere stimmliche Entwicklung. In Puncto Intonationssicherheit und klangfarblicher Breite spürt man beim Chor und seinem Leiter gleichermaßen das Streben nach dem Besten, wenn auch bei der Einlösung dieses Anspruchs noch Potential erkennbar ist. Der eingeschlagene Weg aus thematisch gut durchdachtem Programm, in Verbindung mit künstlerischem und technischem Anspruch, ist in jedem Fall einer, der die Begeisterung am Chorgesang lebendig hält, und an dem (hörend) teilzuhaben auch zukünftig eine Freude sein wird.