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Gestaltungsbeirat nimmt seine Arbeit auf

Kevelaer. In der vergangenen Woche hat sich erstmals in Kevelaer ein Gestaltungsbeirat aus fünf unabhängigen, nicht in Kevelaer ansässigen Experten konstituiert. Das Kevelaerer Blatt sprach mit dem frisch gewählten Beiratsvorsitzenden Prof. Dr. Franz Pesch.

Herr Dr. Pesch, was genau soll der Gestaltungsbeirat machen?
Der Gestaltungsbeirat arbeitet gemeinsam mit Politik, Verwaltung, Bauherren und Architekten an der Fortentwicklung der Baukultur in Kevelaer. Gebäude und Freiräume, die das Stadtbild zukünftig prägen, werden dem Beirat vorgestellt und besprochen.
Die Bauherrenschaft und beauftragte Architekten erhalten von den Beiräten Hinweise zur Verbesserung der Gestaltqualität. Diese Empfehlungen werden im Gespräch entwickelt und in einer Empfehlung schriftlich festgehalten. Der Beirat stellt Fachkenntnis und Erfahrung als kollegialen Rat zur Verfügung.

Was versprechen sich Politik und Verwaltung von Ihrer Arbeit?
Die immer wieder gelobte Schönheit unserer historischen Städte geht zurück auf die Verwendung regionaler Materialien, eine hervorragende Handwerkskultur und ein gemeinsames Verständnis von gutem Bauen. Diese gemeinsame Grundhaltung gibt es heute nicht mehr. Baumaterialien werden quer durch die Welt transportiert, Gestaltmerkmale werden zu Versatzstücken, Kunststoffe ersetzen natürliche Materialien. Ein toskanisches Haus kann man heute auch im Rheinland antreffen. Baukultur meint hingegen Bauen im Einklang mit dem Ort.
Wir Beiräte wollen dazu beitragen, Gestaltqualität zu erhalten, wo es sich um die Modernisierung des Bestands handelt, und weiter zu entwickeln, wo sich Neubauten im Stadtbild zeigen. Haus für Haus soll sich das Stadtbild in Kevelaer positiv entwickeln.

Haben Sie auch Veto-Rechte oder sind Sie nur empfehlend tätig?
Gestaltungsbeiräte sind empfehlende Gremien. Wir wollen mit unserer Kritik und unseren Anregungen überzeugen. Selbstverständlich vertrauen wir darauf, dass die Politik und Verwaltung diese Arbeit unterstützen. Deswegen werden die Projekte auch in Anwesenheit der Entscheidungsträger besprochen.
Gemeinsam wollen wir dem Missverständnis vorbeugen, dass Beiräte autoritäre Geschmacksurteile fällen. Gutes Bauen folgt klar bestimmbaren Kriterien, die der Beirat in einer offenen Diskussion auf die vorgelegten Planungen anwendet. Wichtig ist dabei der Diskurs aus unterschiedlichen Blickwinkeln auf Gebäude und Quartier: Städtebau, Architektur und Freiraum müssen als Einheit gesehen werden.

Wenn Sie auf andere Kommunen blicken – folgt die Politik Empfehlungen aus Gestaltungsbeiräten?
Ich blicke auf überwiegend positive Erfahrungen zurück. Nicht selten sagen uns auch Architekturkollegen, wie sehr ihnen die Empfehlungen geholfen haben.

Gelegentlich gibt es die Befürchtung, dass strenge Vorgaben hinsichtlich der baulichen Gestaltung Investoren abschrecken.
Natürlich wird eine zusätzliche Instanz auf dem Weg zum Bauantrag immer auch ein wenig kritisch betrachtet. Meine Erfahrungen sprechen jedoch eine gegenteilige Sprache. Gestaltqualität macht die Gebäude unabhängig vom schnell wechselnden Zeitgeist, spart nicht selten auch Kosten ein und erhöht die Nutzungsdauer. Unsere Beratung zielt also im besten Sinne des Wortes auf nachhaltiges Bauen.

Haben Sie für Bauherren einen Tipp für eine erfolgreiche Zusammenarbeit?
Eine Botschaft möchte ich allen Architekturkollegen am Ort, vor allem aber auch den Bauherren und Investoren vermitteln: Legen Sie Ihre Pläne in einem möglichst frühen Stadium vor, um mit dem Beirat ins Gespräch zu kommen. Dann werden die Empfehlungen zum Teil der Entwurfsarbeit. Aufwendige Umplanungen bereits fertiger Pläne können so vermieden werden und die Zusammenarbeit mit dem Beirat wird zum kreativen Dialog um die beste architektonische Lösung …

Sie wurden zum Vorsitzenden des Gestaltungsbeirates gewählt. Wie gut kennen Sie Kevelaer bereits?
Im Jahre 2015 habe ich gemeinsam mit einem Kollegen einen Workshop zu einem Einzelhandelsprojekt am Antwerpener Platz moderiert. Dabei habe ich die Wallfahrtsstadt mehrfach besucht und erforscht. Aber das war nur ein Einstieg. Durch die gemeinsame Besichtigung der Baugrundstücke müssen wir Beiräte Kevelaer noch viel genauer kennenlernen und den Geist des Ortes verstehen.

Welche positiven oder negativen Eindrücke haben Sie spontan beim Gedanken an Kevelaer?
Gut, die Bedeutung als Wallfahrtsstadt ist das erste, was jedem Fremden einfällt. Ich habe bei meinen bisherigen Besuchen die kleinstädtisch urbane Atmosphäre schätzen gelernt. Diese entspringt nicht nur der historischen Bausubstanz, sondern auch den gut geschnittenen Stadträumen. Kevelaer zeichnet sich durch einen menschlichen Maßstab und eine besondere Identität aus, die es zu bewahren gilt.

Wie geht es nun weiter mit der Arbeit des Gestaltungsbeirats? Stehen bereits konkrete Projekte auf Ihrer To-Do-Liste?
Bisher gab es zunächst die konstituierende Sitzung, in der uns erste Eindrücke von Geschichte und Gegenwart Kevelaers vermittelt wurden. In den nächsten Sitzungen wollen wir uns in Abstimmung mit der Verwaltung mit mehreren öffentlichen Räumen beschäftigen, dem Ensemble im Umfeld der Basilika zum Beispiel, aber auch mit der Zukunft des Peter-Plümpe-Platzes.
Interview: Björn Lohmann

Verena Möller von der Kevelaerer Stadtplanung berichtet: „Aus unserer Sicht war es ein sehr konstruktives erstes Treffen, in dem sich alle Beteiligte kennenlernen und über die Rahmenbedingungen und Ziele der gemeinsamen Arbeit austauschen konnten. […] Wir blicken sehr optimistisch auf die künftige Zusammenarbeit und die anstehenden gestalterischen und städtebaulichen Herausforderungen in der Stadt.“