Neuer Glanz in Backstube und Café
Wer in den vergangenen Wochen über die Busmannstraße gelaufen ist, hat es bestimmt längst bemerkt. Die Bäckerei Janssen-Heursen hat sich verändert.
Wer in den vergangenen Wochen über die Busmannstraße gelaufen ist, hat es bestimmt längst bemerkt. Die Bäckerei Janssen-Heursen hat sich verändert.
Mit einem wehmütigen Blick, aber auch voller Vorfreude auf die Zukunft blickt Bäckermeister Manuel Vloet auf den 30. September. An diesem Tag wird die Bäckerei Vloet nach über 30 Jahren ihre Filiale im Rewe-Markt Kevelaer schließen.
Wenn Manuel Vloet liebevoll über „Herkules“, „Mitja“ und „Chia Gonzales“ spricht, klingt es fast so, als würde er über alte Freunde sprechen. Tatsächlich verbergen sich dahinter aber die Bezeichnungen seiner „Back-to-the-roots“-Brote, die ohne Zusätze und zugeführte Hefe auskommen.
Ein freundliches „Was darf´s sein“ begrüßte jeden der Kund*innen der neuen Reffeling-Filliale, die am Freitag an der Weezer Straße einen Steinwurf entfernt von ALDI neu eröffnet und bereits am Premierentag gut besucht war.
Claudia Hoever ist seit drei Jahrzehnten bei Vloet beschäftigt – und damit die am längsten dort tätige Mitarbeiterin. Damals war sie noch gelernte Metzgerei-Fachverkäuferin. Als sie sich verändern wollte, wurde ihr von Vloet sofort ein Job angeboten. Denn ihre Mutter war selbst jahrzehntelang als Bäckerei-Fachverkäuferin tätig. „Vloet kannten mich von klein auf. Und die Lehrerin für den Job hatte ich quasi im Haus“, lacht die heute 49-Jährige. „Das war sehr effektiv – und so war ich nach wenigen Wochen in der Filiale. Und man hat mir frühzeitig viel Vertrauen entgegengebracht.“
Was sie an dem Job so liebe? „Den Kontakt mit Menschen. Ich bin durch und durch Verkäuferin, Ich habe das Gymnasium besucht und habe schon mit zehn Jahren gesagt: Ich will das machen, was Mutter macht.“ Sie wurde bei Josef Iding Innungsbeste, sollte mit dem Juniorchef das Geschäft führen – bis sie sich veränderte und bei Vloet anfing. Dass sie 2020 auch noch 30 Jahre mit ihrem Mann verheiratet ist, ist für die zweifache Mutter ein schöner Zufall.
„Der Beruf ist vielfältiger als viele glauben“, sagt Hoever. „Er ist umfangreicher geworden. Man ist da schon halbe Ernährungsberaterin und Allergologin, weil viele Unverträglichkeiten haben. Und wenn man den Kontakt mit Menschen liebt“, sei man da genau richtig, findet sie. „Schade, dass so wenige den Beruf lernen möchten.“
Eigentlich wollte sie Floristin werden
Ihre Kollegin Sabine Splettstößer ist seit dem 18. April 1995 mit bei Vloet. Damals bewarb sie sich „aus Familiengründen“, nachdem sie zuvor im Stadtcafé Biesenbach tätig gewesen war. Sie habe schon jung angefangen, zu arbeiten „und das immer gerne mit Menschen.“ In Hessen hatte sie schon eine Ausbildung zur Restaurantfachfrau absolviert. „Ursprünglich wollte ich mal Floristin werden, aber ich bekam Heuschnupfen, da machte das mit Blumen keinen Sinn“, bekennt die Mutter zweier Söhne lachend. Für sie gab es in all den Jahren „nie einen Grund, mich woanders zu bewerben. Man hat überall Höhen und Tiefen, aber ich bin dankbar drum, dass ich hierbleiben durfte“, sagt die 58-Jährige. Denn sie schätzt die Atmosphäre und die Zuverlässigkeit des Unternehmens. „Unser Weihnachts- und Urlaubsgeld gab es all die 25 Jahre. Das ist heutzutage nicht selbstverständlich.“
Auch sie fragt sich, wo der Nachwuchs bleibt – auch wenn der Job nicht nur schöne Seiten hat. „Es ist ja auch viel Wochenendarbeit, bis 20 Uhr oder auch schon bis 22 Uhr. Man fängt manchmal sonntags um 6 Uhr an, arbeitet bis 16.45 Uhr. Ich bin ja in dem Beruf mit samstags und sonntags aufgewachsen.“ Entscheidend bleibe es, dass man „mit Menschen kann.“ Mit Ende 50 merke sie schon mal das eine oder andere altersbedingte Zwacken. „Aber wenn es mit den Blessuren so bleibt, mach‘ ich die 30 noch voll.“
Mila Dingemans und ihre Kollegin Marion Schmitz haben hinter der Theke in der „Büsch“-Filiale am Antwerpener Platz gut zu tun. Mit einem Korb reichte Schmitz einer Kundin die Brötchen hinüber. Seit dem Frühjahr werben die Damen mit ihren Kollegen der anderen Filialen für die Aktion „Unverpackt“ und den Umweltpass, den das Unternehmen ins Leben gerufen hat. Die Aktion war an dem „Unverpackt-Tag“ am 5. Februar gestartet, erläuterte die Marketing-Leiterin des Unternehmens, Annett Swoboda. „Vor Corona war ja die Nachhaltigkeit ein großes Thema, ‚Fridays for Future‘ in aller Munde. Und jeder Mensch hat seinen Einfluss auf das Umweltverhalten.“
An diesem Tag konnte jeder Kunde in jeder Filiale alle Produkte des Unternehmens „unverpackt“ einkaufen, seine eigene Verpackung dafür mitbringen. Und wer seinen eigenen Kaffee- oder Mehrwegbecher mitbrachte, konnte einen „Coffee-to-go“ umsonst genießen. „Dann befüllt das Team mit Kännchen die Tasse.“ Danach wurde der Umweltpass eingeführt, auf dem man sich für den umweltbewussten Einkauf jedes Mal einen Stempel geben lassen konnte – und nach zwölf Stempeln ein „Bauernkrusten“-Brot gratis erhält. „Die Aktion wurde sehr gut angenommen“, lautet Swobodas Fazit – trotz Anlaufschwierigkeiten. „Der erste Tag war da noch sehr zögerlich. Wir dachten damals, wir werden damit überrannt.“ Das war allerdings nicht der Fall. „Das war für uns enttäuschend.“
Es war ein Lernprozess
Nach und nach habe der Ansatz aber gegriffen. „Wir haben dafür ja die Umfüllstationen mit den Backwaren. Da haben wir die Brötchen in Körbchen gefüllt und dann wurde das umgepackt.“ Dabei sei das über die Monate ein Lernprozess für alle Beteiligten gewesen – sowohl für die Verkäufer, die sich erst mal an den Polybeutel und die Körbe gewöhnen mussten, und für die Kunden, die die Alternative für die Brot-Plastiktüte dabeihaben mussten. „Viele bringen einfach ihre Taschen mit.“
Der „Lockdown“, bedingt durch die Corona-Pandemie, habe dabei die Aktion und die Idee des Ganzen nicht unterbrochen, unterstreicht die Büsch-Marketingreferentin. „Bemerkenswert ist, dass es stabil geblieben ist.“ Mittlerweile seien „einige tausend Umweltpässe“ schon zurückgekommen. „Das heißt, wir haben Zigtausend ‚to go‘-Bäcker und Tüten eingespart“, sieht Swoboda den Effekt der ganzen Sache. „Denn zum Beispiel die Deckel sind da gar nicht recyclefähig, die Becher selbst erst über Jahre.“ So gesehen habe das Ganze schon jetzt eine Menge gebracht. „Und wir haben lobende Verbraucherbriefe erhalten – auch das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich.“
Das Unternehmen setzt darauf, dass die Aktion, die noch bis zum 30. Juni weiterläuft, auch darüber hinaus langfristig trägt. Swoboda ist davon überzeugt, dass es wirklich eine nachhaltige Veränderung der Verhaltensmuster bewirkt hat. „Wir hoffen, dass diese feste Konstanz erhalten bleibt, auch wenn wir ab Juli keinen Einblick mehr haben, ob das zunimmt. Auch wenn die Stempel und der Anreiz weg sind, werden wir weiter nachhaltig verkaufen. Und die Kunden können weiter ihre Taschen mitbringen.“
Die Kunden brauchen noch Unterstützung
Die Hoffnung auf langfristig anderes Verhalten haben auch die Büsch-Verkäuferinnen am Antwerpener Platz. „Da waren davor schon Leute, die das gemacht haben“, erzählte Mila Dingemans. „Aber es gibt viele, die bringen selber Tüten mit.“ Meistens geschehe das „am Wochenende und morgens, wenn das Brot und die Brötchen über die Theke gehen und die Kunden mit dem Baumwollbeutel kommen“, war die Erfahrung von Marion Schmitz. „Man muss die Leute da schon anstupsen.“
An dem Nachmittag ließ sich auch Irmgard Simmes „anstupsen“, die sich gleich einen Umweltpass rüberreichen ließ. „Ich bemühe mich in der Hinsicht. Das geht nicht immer so gut“, klang es fast entschuldigend, dass die 51-Jährige angesichts des Spontaneinkaufs in dem Moment nichts zum Umverpacken dabei hatte. „Ich habe aber einen Brotbeutel zu Hause, womit ich dann Brot ‚ohne‘ kaufe.“
Am 30. Juni 2018 schlossen die Eheleute Birgit und Hans-Georg Wasser ihre Bäckerei für immer. Genau 50 Jahre übte Hans-Georg Wasser das Bäckerhandwerk aus. Ab 1968 machte er seine Bäckerlehre in Geldern in der Bäckerei Manten, ab 1971 dann noch die Lehre zum Konditor bei Heilen und nach den Gesellenjahren startete am 1.2.1980 die Selbstständigkeit als Bäckermeister in Kevelaer.
Rezepte entwickelt
Zunächst pachtete und übernahm er die Bäckerei Dicks, bevor er 1987 das heutige Haus kaufte und zur Bäckerei umbaute. Seit 1996 arbeitet Ehefrau Birgit mit im Betrieb. Kreativität und Weiterentwicklung der Rezepte waren das, was Wasser am meisten Spaß machte. Schattenseiten wie die Wochenend- und Nachtarbeit nahm er dabei gerne in Kauf. „Durch Supermärkte und Großbäckereien gab es bereits seit den 80er Jahren ein schleichendes Aussterben der kleinen Bäckereien und somit der Handarbeit, die sich in der Qualität widerspiegelt“, so Wasser.
„Auch wenn die Zusatzstoffe, die bei den Großbetrieben verwendet werden (müssen und dürfen) noch gar nicht in Langzeitstudien auf Auswirkungen auf die Gesundheit getestet wurden, werden sie verwendet, denn der Preis muss stimmen – möglichst billig, ohne Qualität.“
„Im Bäckerhandwerk werden die Mehlmischungen noch selber hergestellt und frisch gebacken“, erzählt er, „in den Großbetrieben und Supermärkten wird alles aus dem Froster aufgebacken.“
50 Jahre lang eine Sechs- bis Sieben-Tage-Woche und nie mehr als zwei Wochen Urlaub reichen dem Bäckermeister. „Krankfeiern konnte ich mir nicht leisten, denn die Arbeit musste immer weiter gehen“, sagt Wasser. „Jetzt freue ich mich auf einen schönen, hoffentlich langen Lebensabend.“
Die Bäckerei wird in Kürze zu drei Wohnungen umgebaut und unterm Strich sieht der scheidende Bäckermeister mit Zufriedenheit auf ein erfolgreiches Berufsleben. „Wir konnten davon leben, was will man mehr.“
Wohnen in Weeze
In Weeze, wo die Eheleute sich vor zwei Jahren ein Haus gekauft haben, werden sie jetzt auf Entdeckungsreise durch dortige Bäckereien gehen und erkunden, wo es die leckersten Brötchen gibt. Zuhause werden nur noch mit den Enkelkindern vor Weihnachten Plätzchen gebacken, sonst sollen jetzt die jüngeren Kollegen in die Backstube, findet Wasser.
Bei der Kundschaft, die über die langen Jahre die Treue gehalten hat, bedankt sich Familie Wasser herzlich und wünscht den Kunden alles Gute für die Zukunft und besonders Gesundheit.