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Manuel Vloet ist stolz auf seine „Back-to-the-roots“-Brote, die ohne Zusätze und Hilfsmittel auskommen. Foto: JvS
Mit seinem Konzept „Back to the roots“ setzt Bäckermeister Manuel Vloet auf natürlich hergestellte Backwaren ohne Zusatzstoffe und zugeführte Hefe

Der Meister des Sauerteigs

Wenn Manuel Vloet liebevoll über „Herkules“, „Mitja“ und „Chia Gonzales“ spricht, klingt es fast so, als würde er über alte Freunde sprechen. Tatsächlich verbergen sich dahinter aber die Bezeichnungen seiner „Back-to-the-roots“-Brote, die ohne Zusätze und zugeführte Hefe auskommen.

Sterntaler besuchen Bäcker. Foto: privat
Vorschulkinder des Sterntaler Kindergartens zu Besuch in der Dorfbäckerei Steegmanns

Wer will fleißige Bäcker seh‘n…

Am 23. März 2023 durften die Vorschulkinder des Sterntaler Kindergartens die Dorfbäckerei Steegmanns in Wetten besuchen.

Die Hoffnung auf eine Zukunft

Mit zwei Schutzhandschuhen ausgestattet, schiebt Bäckermeister Rainer Kürvers die Tortenböden in den Ofen. „Die Form backen wir vor, die Erdbeeren kommen später frisch dabei“, erläutert der 57-jährige, erfahrene Bäckermeister den Arbeitsvorgang. Seit gut 30 Jahren – mit sechs Jahren Unterbrechung – geht der gebürtige Kervenheimer nun seinem Beruf nach. „Man sieht jeden Tag, was man gebacken und gefertigt hat, und dass Menschen dadurch auch glücklicher aussehen“, meint Kürvers.

Dafür steht er gerne immer wieder ab zwei Uhr in der Backstube an der Pastoratsstraße, um Kervenheim und das Umland mit frischen Brötchen, Brot und anderen Köstlichkeiten zu versorgen. „Wir haben auch Kunden außerhalb, die wir beliefern, und wir haben den Laden als Standbein“, beschreibt er die Situation. „Aber man ist letztendlich auch ein Wirtschaftsunternehmen und muss eine positive Bilanz haben“, kommt er ohne Umschweife auf den Kern der Sache zu sprechen. „Betriebswirtschaftlich mache ich mir Sorgen.“ Denn das stark veränderte Einkaufsverhalten seit Corona macht ihm zu schaffen. „Die Leute gehen seltener einkaufen, machen oft nur noch einen Großeinkauf pro Woche.“ Den machten sie dann lieber im Supermarkt.

Wenige Anziehungspunkte

Es gebe Stammkunden über 65 Jahre, die teilweise das Risiko, viel nach draußen zu gehen, scheuten. „Und die Maskenpflicht schreckt vielleicht auch einige ab.“ Dazu habe der Ort immer weniger Anlaufstellen, die die Menschen anzögen – ob nun der Arzt, der fehle, die Apotheke, die nicht mehr besteht, der Dorfladen, der nicht existenzfähig war, die Pizzeria, die geschlossen hat. „Dazu kommt noch, dass durch den Lockdown der Kindergarten zu war und auch da weniger Bewegung war. Das merken wir alles.“ „Vor allem an den Wochentagen Montag bis Freitag kommen die Leute nicht zu mir. Das ist deutlich spürbar.“

Dazu komme noch, dass es unheimlich schwer sei, qualifiziertes Verkaufspersonal zu finden. Das liege zum einen an den Möglichkeiten des Verdienstes, den er aufgrund der Verkaufsfrequenz aktuell anbieten kann. Zum anderen sind es die Arbeitszeiten, zu denen anscheinend nur noch wenige Menschen zu gewinnen sind. „Und ich hatte schon Abiturienten und Studenten hier, die die Komplexität der Arbeit nicht verstanden haben – den Gärschrank im Blick zu behalten, die Brötchen im Ofen, die Bestellungen, die Kasse ordentlich verbuchen und führen – da ist oft Multitasking gefragt. Und daran scheitern einige.“ Den Job könne man also nicht mal so nebenbei erledigen.

„Ich hab vor Jahren mal die Arbeitsagentur eingeschaltet“, schildert er seine Erfahrungen. Als er dann erwähnte, dass man „teilweise ab fünf Uhr und am Wochenende“ arbeiten müsse, habe der zuständige Mitarbeiter davon gesprochen, dass das „unzumutbar“ wäre. „Ich sagte: Danke für das Gespräch.“

Personalprobleme

Auch in Kervenheim habe er herumgefragt, aber da passten die Zeiten nie so richtig. „Es wäre ideal für eine Mutter, aber wenn die Kinder hat, die zur Schule müssen, ist das fast ein No-Go.“ Für die Zeit zwischen 8 oder 9 Uhr bis zum Mittag gehe es, „aber das deckt zu wenig ab. Die Morgenfrequenz ist entscheidend.“ Aus all diesen Gründen hat sich Kürvers dazu entschlossen, in den Sommerferien montags, dienstags und freitags seinen Laden dicht zu machen. Dann werde man sehen, wie sich das Geschäft entwickelt.

„Mittwochs und donnerstags gibt es noch Synergieeffekte“, macht er klar, dass die Situation für den Betrieb durchaus ernst ist – bei der geringen Frequenz an Abverkauf, der natürlich auch mit frischen Produkten stattfinden soll. „Ich habe nichts dagegen, wenn die Kervenheimer und andere kommen“, lautet seine klare Ansage an alle, die wegen der Corona-Krise sich in Zurückhaltung üben oder woanders hingehen.

Wie lange noch?

Zur Zeit könne er die Situation noch durch die Tatsache, dass er selbst arbeite, und durch andere Betriebszweige auffangen. „Es ist schwer absehbar, wie lange das noch geht“, lässt er diplomatisch durchblicken, dass das ohne einen verstärkten Verkauf nicht mehr ewig lange sein wird. Natürlich mache er erst einmal weiter. „Ich würde gerne bis 2026 weitermachen, weil der erste verbriefte Nachweis auf den Bäckerladen vom damaligen Vorfahr aus dem Jahr 1826 stammt.“ Das passe dann zum Lebensalter von 63 Jahren. Nebenbei könne er die Schwarzbrotproduktion noch weiterführen. „Vorher aufzuhören, das ist zu früh für mich.“

Aufgeben, das komme vor dem Hintergrund dieser Zielmarke eigentlich nicht in Frage. „Ich muss das für mich entscheiden, nicht für den Ort“, obwohl er auch „Kervenheimer mit Herz und Seele“ sei, sagt Kürvers. Er weiß natürlich darum, dass die Defizite der Versorgung vor Ort mit ihm geringer sind als ohne ihn, und dass das auch ein Signal in die Ortsgesellschaft hinein ist. „Da ist aber jeder mit seinem Kaufverhalten gefragt“, sagt er. Einen Vorwurf, den wolle er niemandem machen. „Aber das muss man nüchtern bewerten.“ Die Hoffnung auf eine Fortsetzung seines Betriebes, die hat er (noch) nicht aufgegeben.

Manuel Vloet prüft den Bäcker-Nachwuchs

Gewissenhaft macht sich Manuel Vloet auf dem Zettel an seinem Klemmbrett Notizen, als er mit Mundschutz die Tische im Handwerklichen Bildungszentrum Moers abgeht, an denen die Prüflinge die Ergebnisse ihrer zuvor geleisteten Arbeit aufgestellt haben.

„Hier haben wir alle Anforderungen, die wir brauchen. Hier finden auch drei überbetriebliche Lehrgänge statt. Wer hier nicht steht, der hat vorher schon gepennt“, lacht Vloet. Als mittlerweile dritte Generation kann der 31-jährige Bäckermeister aus Kevelaer im Prüfungsausschuss als Meisterbeisitzer die Prüflinge des jeweilige Jahrgangs mit abnehmen.

„Wir sind drei Parteien – der Lehrerpart, der Gesellenpart und der Meister eines eigenen Betriebes. Dadurch ergibt sich bei der Bewertung der Gesamtdurchschnitt.“ Das sei wichtig hinsichtlich des mathematischen Aspekts. „Ein Meister sieht die Dinge oft anders als ein Gesellen-Beisitzer. Dieser Gesamtblick ergibt dann im Schnitt die Gesamtnote.“ Für die Prüfung gelten ganz klare Anforderungen: „Brot herstellen, ein Spitz- und Mehrkornbrötchen herstellen. Die Zutaten dazu können sie selbst bestimmen. Die Rezepte kontrollieren wir.“

Dazu kommen noch ein Hefezopf und ein Snack – „irgendwas mit Fülling.“ Dabei entstehen besondere Kreationen, die Vloet so selbst noch nicht entdeckt hat. „Da war was mit Spargelfüllung. Einer hatte Wachteleier mit Spinat, das habe ich so noch nicht gesehen. Da sind pfiffige Sachen dabei.“ An einem Tag hat er einen „Pulled-pork-Snack“ geprüft. „Das war was Zeitgemäßes: Blätterteig mit Pulled-pork-Barbecue, das war für mich so ganz neu.“

Vloet absolvierte vor zehn Jahren seine Prüfung

Die dreiköpfige Kommission bewertet dann den Gesamteindruck. „Dazu zählen die Vorbereitungen, wie gearbeitet und gebacken wird, dafür gibt es Teilpunkte. Und natürlich auch zu der Verkäuflichkeit oder Unverkäuflichkeit der Ware.“ Wenn das Produkt am Ende gravierend schlecht ist oder verbrannt, dann gehen natürlich viele Punkte verloren. „Oder wenn da ein halb gebackenes Brötchen ist, das Pappe ist, das geht nicht.“

Von Vorteil ist dabei, dass sich Manuel Vloet als durchaus noch junger Bäcker in diese Situation der Prüflinge einfühlen kann – schließlich hat er selbst in Moers im Jahr 2010 seine Prüfung absolviert. Die Prüfungen in Corona-Zeiten sind naturgemäß von anderem Charakter als die in den Jahren zuvor. „Wir haben mehr zu tun, weil wir aufgrund der Abstandsregeln nicht so viele Prüflinge wie sonst auf einmal abnehmen können – das sind sechs Prüfungen bei 24 Leuten.“

Neun kommen aus dem Bezirk Geldern, 15 aus dem Bezirk Dinslaken. „Früher war es nur Geldern, aber mittlerweile wird das Handwerk ja immer kleiner, da legt man sich ein bisschen zusammen.“ Der Ablauf der Prüfungen sei dann natürlich anders. „Wir haben einen Fünf-Etagen-Ofen. Aber wegen Corona machen wir maximal vier Prüflinge, die jeweils an ihrem eigenen Tisch stehen und für sich vorbereiten können. Wir machen die größtmögliche Sicherheit, die geht.“

Prüfung unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen

Händehygiene und Desinfektion seien da wichtig und die Maskenpflicht sei natürlich eine Maßnahme, die man im Normalfall nicht bräuchte. „Das ist schwieriger, weil man damit durch die Gegend rennt. Und wenn man in der Backstube steht, ist es mit dem Atmen noch schwieriger“, erläutert Vloet.

Auf der anderen Seite ist er aber froh, dass man diesen Prüfungsbetrieb überhaupt so aufrechterhalten kann. „Sonst hieße es, du bleibst ein Jahr länger Geselle. Dann verdienen die in der Zeit auch weniger, wenn es nicht gerade faire Betriebe gibt, die damit anders umgehen. Aber die meisten würden es wohl nicht tun.“ Wie immer hat er sich bereiterklärt mitzuwirken. Wichtig sei, dass man sich in der Innung aktiv engagiere und sich mit einbringe.

Was das Bäckerhandwerk in Kevelaer anbetrifft, da sieht Vloet einen rückläufigen Trend ohne solche Betriebe wie Kammann, Pooten oder Tebart. „Das ist schon eine Katastrophe – und welche Auswirkungen Corona haben wird, sehen wir nachher.“ Man habe zwar Betriebe wie Stinges, Kamps oder Büsch – „aber das sind keine Handwerker mehr, sondern schon Großbetriebe“, meint er.

Denn wenn die mit ihren fertigen Produkten zur Auslieferung abends um 20 Uhr schon losfahren, dann sei das im Grunde keine Frischware im klassischen Sinne mehr. „Bei Janssen-Heursen oder bei uns sagt man noch: Das Brot ist noch nicht fertig.“

Weniger Kundschaft im eigenen Betrieb

Unter der Corona-Krise leiden würde auch der eigene Betrieb am Krankenhaus. „Vor unserem Hauptgeschäft dort ist die Frequenz wesentlich weniger. Und das Café hat zu.“ Wenn man bei zwei Personen mit Kuchen und Kaffee von sechs Euro redet, „dafür ist der Aufwand mit der ganzen Hygiene schon heftig.“ Was ihm auch Probleme macht, ist das Eintragen der Besucher in Listen. „Erst heißt es Trouble mit dem Datenschutz – und jetzt liegen Telefonnummern offen aus.“

Der eigene Betrieb bilde kontinuierlich aus. „Wir haben dieses Jahr zwar keinen Bäckerlehrling im Abschluss, aber einen bei uns aktuell im Betrieb.“ Es gebe immer wieder Bewerbungen. Was das angeht, sieht Vloet die Situation für das Handwerk nicht ganz so schlecht. Allerdings sei auch zu beobachten, dass viele, die das Bäckerhandwerk lernten, „das als Einstieg benutzen, um sich weiterzubilden und später gerne in die Lebensmitteltechnik rüberzugehen.“

Um den eigenen Laden macht sich Manuel Vloet aber keine Sorgen. „Ich will noch einige Jahre machen. Wir haben bei uns zwei Leute, die jung bei uns sind. Die haben wir selbst ‚rangezüchtet‘. Die könnten mit mir bis zum Ende gehen.“