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Es geht nicht weiter

Das Thema Corona-Impfung beschäftigt die Kevelaerer Allgemeinmedizinerin Angelika Klein zur Zeit recht intensiv. „Wir sind so eine Truppe von sechs Ärzten hier in Kevelaer, die hier überall schon geimpft haben – Katharinen-Stift, Josef-Haus, Elisabeth-Stift, Regina Pacis, Demenzgruppe – die sind alle schon geimpft. Wir haben überall BioNtech geimpft. (…) Beim Clemens-Haus standen alle schon in den Startlöchern, da war alles geplant.“ Einen Tag vorher kam dann die Information, dass kein Impfstoff da sei. Zum Glück hätten die anderen Häuser Impfstoff zurückgehalten, „sodass die zweite Impfung wohl gesichert ist.“ Den BioNtech-Impfstoff müsse man nach spätestens vier bis fünf Wochen das zweite Mal verimpfen, „weil sonst die erste Impfung hinfällig werden kann. Dafür halten die die Impfstoffe zurück.“ Auch das Marienstift sei noch nicht geimpft. „Das gilt als Wohngemeinschaft.“ Wann es in beiden Häusern weiter geht, weiß Angelika Klein nicht. Das Marienstift als ambulante Einrichtung habe wohl „zu hören gekriegt, dass es höchstens Ende Februar weitergeht.“ Der Impfstoff, der fehle, sei das eine. Ihre persönliche Meinung ist, dass auch die Kassenärztliche Vereinigung mit der Impforganisation überfordert ist.

„Die KV hat gedacht, wir organisieren das, aber festgestellt, das geht wahrscheinlich gar nicht so.“ Entsprechend hängen sich die Ärzte vor Ort da rein. „Fragen Sie mich nicht, wie viele Stunden wir für Impfvorbereitung, Organisation und für das Impfen gebraucht haben. Das waren schon einige Stunden. Aber dann fluppt es.“ Sich als Impfärztin bei der KV anzumelden, sei auch ein Unterfangen. „Ich hab mich zweimal schon angemeldet bei der Kassenärztlichen Vereinigung, das dritte Mal komme ich nicht in den Computer. Das ist so hochkompliziert, ich weiß nicht, es klappt nicht.“ Da werde es für sie spannend, ob sie jemals ihr Geld kriege für das Impfen. „Pro Stunde liegt der Satz so bei 135, 140 Euro“, sagt Klein. Da stecke aber auch der eigene Vorlauf mit drin. 

Die Häuser meldeten sich bei den Ärzten an. Die führten dann Begehungen durch, sichteten, ob alle Unterlagen vorbereitet sind. Dann erfolgten die Anmeldungen der Personen. „Und dann organisieren wir und die PTAs, das ganze Team zusammen.“ 

„Heiliger Bürocratius“

Wie die Impfungen vor sich gehen, erläutert sie am Beispiel des Regina Pacis vergangene Woche Mittwoch. „Drei Stunden Impfen und drei, vier Stunden bestimmt Vorbereitungszeit“ habe das in Anspruch genommen. „Die Impfung selber dauert drei bis fünf Minuten. Ich muss aber als Arzt sechs Unterschriften leisten für eine Impfung, der Patient vier.“ Der Verwaltungsaufwand sei riesig. „Der Aufklärungsbogen muss doppelt, der Anamnesebogen doppelt und die Impfbescheinigung – alles zweifach. Heiliger Bürocratius, sage ich Ihnen.“ 

Dementsprechend müsse man ein System schaffen, das das alles unter einen Hut bringt. „Wir haben mehrere Impfstationen gemacht, dann saß eine Verwaltungskraft vom Altenheim da. Dann saßen wir Ärzte da und dann wurde geimpft.“ Zwei Leute machten also konkret die Verwaltung „und eine MFA oder Krankenschwester oder ein Arzt hat geimpft.“

Trotzdem laufe das in den Heimen sehr gut, weil man Erfahrung damit kriege. Man schaue sich die Häuser vorher an und überlege gemeinsam, wie man das Ganze angehe und wie viele Impfstellen man wo einrichte. Und es werde dafür gesorgt, dass es einen Raum gibt, wo die PTA oder die Apothekerin den Impfstoff vorbereitet.

Gemeinsam mit dem Kollegen Christoph Starke habe sie dann die Patienten im Vorfeld aufgeklärt, genauso wie das Personal. „Wir haben das mit der Begehung gleichzeitig gemacht.“ Und daraufhin hätten sich fast alle entschieden: „Wir machen das.“ Das Haus habe einiges an Personal gehabt, das unentschieden war. „Aus Angst. Und eine Impfung heißt ja auch: Ich bin völlig gesund und lasse mir was spritzen und weiß, ich könnte mich danach mies fühlen.“ Da müsse der Verstand einem dann sagen: „Sich mies fühlen ist nix gegen eine Corona-Infektion.“ Dazu komme, dass man sich als junger Mensch nicht so gefährdet fühle wie ein alter Mensch. Und die „Laienmedien“ verwirrten die Menschen mit Meldungen zum Beispiel wegen angeblicher „erektiler Dysfunktion“ und anderen angeblichen Auswirkungen der  Impfungen. „Die Spitze war, dass eine Patientin mir sagte: Dann wird der Penis nicht mehr steif, und ich ihr sagte: Liebe Frau, Du hast gar keinen Penis, der kann gar nicht steif werden.“

Sie selbst habe die Altenpfleger, die sie gefragt haben, stets auf die Seite des RKI verwiesen, sagt Klein. „Die sind da extrem vorsichtig mit ihren Aussagen. Aber was da steht, darauf kann man sich verlassen.“ 

Eine Immunantwort des Körpers

Impfreaktionen habe es bei den Geimpften in Kevelaer durchaus gegeben. „Der Arm tut weh, sie sind müde danach. Diese Reaktionen sehe ich sogar ganz gerne, weil das heißt: Da findet im Körper auch eine Immunantwort statt. Wir hatten keinen mit irgendwelchen schwerwiegenden Sachen.“ Sollte sowas passieren, sei man mit einer Notfallausrüstung ausgestattet, dass man angemessen reagieren könne. „Das ist schon sehr sicher gemacht. Und wir hatten keine Zwischenfälle.“

Mittlerweile habe man um die 500 bis 600 Personen geimpft. Auf den eigenen Praxisbetrieb habe das bislang keine Auswirkungen gehabt. „Wir machen das Mittwochnachmittag und Samstag“ – also außerhalb der Sprechstunden. Sonst ginge das nicht. „Und wir arbeiten da unter Hochdruck. Wenn Sie uns da impfen sehen, da geht ein Patient nach dem anderen rein.“ 

Parcours im Impfzentrum

Was das Impfzentrum in Kalkar angeht, könne man sich als Arzt oder Ärztin dafür freiwillig anmelden. „Mir ist die Anmeldung noch nicht gelungen. Die KV-Seite ist einfach ein Graus. Die schlagen einem Stunden vor und man kann dann sagen: man kann oder man kann nicht.“ Die meisten Kolleg*innen könnten da ohnehin nur Mittwochnachmittag, Freitagnachmittag oder das Wochenende anbieten.

Wie das im Impfzentrum laufen wird, darauf ist Angelika Klein selbst gespannt. „Da kann man natürlich nicht eine ganze Gruppe aufklären. Da muss jeder Patient vorher aufgeklärt werden. Der durchläuft wahrscheinlich einen Parcours, kommt dann zum Arzt und der muss jeden alleine für sich aufklären.“ Da sei man in den Heimen natürlich schneller. „Da traut sich Mitarbeiterin A oder B auch mal zu fragen: Wie ist das denn, wenn ich schwanger werde oder so.“ 

Klein erinnert sich an die Schweinegrippe, wo man Impfungen vor Jahren in Kevelaer im Bühnenhaus gemacht hat. Die Idee damals fand sie gut. „Da haben wir Wege gemacht nach dem Motto: Ich fühle mich schon aufgeklärt und ich brauche deshalb wegen dem Aufklärungsgespräch keinen Arzt mehr. Der konnte geradeaus durchgehen, der andere zur Seite.“ Das sei sehr effektiv gewesen.

Corona-Spinner”

Für Kalkar erwarte sie das nicht. „Das wird höchstens so sein, dass der Arzt fragt: Haben Sie Fragen? Sagen Sie mir Ihre Erkrankungen. Das wird mit jedem Patienten ein Gespräch geben.“ Das koste zwar Zeit, aber sie verstehe den Aufwand, um allen Sicherheiten zu geben. „Es gibt soviele Corona-Spinner auf dieser Welt.“ 

Sie fände es richtig, wenn die Hausarztpraxen diejenigen zu Hause impfen, die über 80 sind, zu Hause bettlägerig sind oder nicht mehr aus dem Haus kommen. „Ich darf impfen, auch in der Praxis. Wenn ich den Impfstoff hätte, könnte ich das machen.“ Wenn man die Ärzt*innen das selbst organisieren lasse, so ihre Erfahrung aus den Altenheimen, dann werde man schnell viel geschafft kriegen. 

Eine Alternative sei eben auch das Bühnenhaus .„Wenn wir Impfstoff hätten und wir machen das Bühnenhaus für die Über-80-Jährigen in Kevelaer auf, dann würden wir die ganz schnell geimpft kriegen. Und wenn wir Impfstoff haben, gehen wir Rubbeldiekatz da durch. Punkt. Es liegt nur an der Menge des Impfstoffes.“ Und, ob man einen Impfstoff habe, der leichter aufzubewahren und zu transportieren ist. Die Alten nach Kalkar zu schicken, sei auch praktisch ein Problem. „Ich habe eine Patientin mit einer schweren Osteoporose, die kann noch laufen. Sie fragt mich: wie komme ich da hin? Sie hat keine Kinder, die sie da hin fahren können. Und sie darf sich noch nicht mal mit den Bewohnern ihres Hauses zusammentun und gemeinsam da hin fahren.“ Und weil sie keine außergewöhnliche Gehbehinderung habe, kriege sie keinen Taxischein. „Und Taxis in Kevelaer ist schwierig.“ 

„Überwältigende Hilfsbereitschaft“

Die Hilfsbereitschaft der Ärztinnen, Ärzte und Medizinischen Fachangestellten (MFA) in ganz Nordrhein beim Kampf gegen die Corona-Pandemie sei „überwältigend“, sagt die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein. Über das gemeinsame Freiwilligenregister von KV und Ärztekammer Nordrhein sowie das KVNO-Freiwilligenportal unter „coronaimpfung.nrw“ haben sich bislang über 5.000 Mediziner und Helferinnen für eine Mitarbeit in einem der mobilen Impfteams bzw. in den Impfzentren registriert – genauer: 4.184 Ärztinnen und Ärzte, 891 medizinische Fachangestellte und 41 pharmazeutisch-technische Angestellte. Wie viele davon allerdings aus Kevelaer und demnächst in den regionalen Impfzentren zum Einsatz kommen, könne man „im Detail (noch) nicht beantworten“, sagt Christopher Schneider, Sprecher der KVN. 

„Um zu ermöglichen, dass die Niedergelassenen weiterhin für die ambulante Regelversorgung ihrer Patienten in ihren Praxen bereitstehen können“, setze man in den Impfzentren „zunächst vor allem auf Honorarkräfte.“ Das umfasst beispielsweise ehemals Niedergelassene oder halbtags beschäftigte Ärzte, „die über ausreichend freie zeitliche Kapazitäten verfügen.“

Auch bei den mobilen Teams für die Impfungen in den Pflegeheimen sollen mit Blick auf einen möglichst zügigen und pragmatischen Ablauf „bevorzugt jene Ärzte zum Einsatz kommen, die das entsprechende Heim bereits heute schon im Rahmen der Regelversorgung als ,kooperierenden Arzt’ betreuen.“

Was die Vergütung des medizinischen Personals in den Impfzentren betrifft, verweis die Kassenärztliche Vereinigung auf das NRW-Gesundheitsministerium, das die entsprechenden Sätze und Regelungen vertraglich fixiert hat. „Das Ministerium wollte den Vertrag auch veröffentlichen“, so Schneider. „Grundsätzlich ist es aber individuell verschieden, was eine Praxis etwa stündlich kostet und lässt sich nicht pauschal beziffern – richtig ist aber, dass auch ein Arzt seine Arbeitszeit nur einmal nutzen kann, das heißt er hat bei weiter laufenden Kosten natürlich auch Verdienstausfälle, wenn er sich möglicherweise im Impfzentrum engagiert.“

„Es läuft alles in geregelten Bahnen“

Wenn Anne van Meegern von ihrer Arbeit als Ärztin in der aktuellen Corona-Krise berichtet, wirkt sie gefasst. Die Kevelaererin erzählt nicht von katastrophalen Zuständen im Krankenhaus oder einer Situation, die einem „Schlachtfeld“ gleicht, nein. „Ich glaube, dass wir gut vorbereitet sind; dass frühzeitig Maßnahmen ergriffen wurden. Deshalb läuft es so gut“, sagt die Anästhesistin, die aktuell ihre Weiterbildung zur Internistin auf der Intensivstation des Luisenhospitals in Aachen absolviert. Eine große Herausforderung in Bezug auf Covid-19 sei vor allem, „dass die Patienten alle mit sehr unterschiedlichen Symptomen kommen.“ Die meisten Patienten seien lange ansprechbar und es vergingen oft einige Tage, bis schließlich doch eine Beatmungstherapie nötig werde. Dafür könne man dann schon 10 bis 14 Tage rechnen. Doch einige Patienten habe man bereits erfolgreich wieder auf die Normalstation verlegen können.

„Die Influenza-Welle vor zwei Jahren fand ich von der Arbeitsbelastung her extremer“, sagt die 34-jährige Ärztin. Die Stimmung in der aktuellen Situation sei aber einfach eine andere – auch unter dem Fachpersonal. Man wisse nicht, was einen noch erwartet. Die Stimmung sei beinahe „gespenstisch“, die Notaufnahme im Krankenhaus fast leer. Durch abgesagte elektive Eingriffe seien im Arbeitsalltag Kapazitäten geschaffen worden. Chirurgen sind eingearbeitet worden, um im Zweifel auf den internistischen Stationen auszuhelfen. Aber auch, als sieben ihrer Kollegen auf einen Schlag aufgrund einer Infektion ausfielen, sei die Arbeit noch zu stemmen gewesen, sagt van Meegern. Die Kevelaererin musste sich selbst – nicht mit Covid-19 infiziert – für vier Wochen in Quarantäne begeben. Ihre Familie in der Wallfahrtsstadt hat die 34-Jährige seit Februar nicht mehr gesehen. Zu groß ist die Angst, das Virus unbemerkt weiterzutragen, und zu groß die Verantwortung gegenüber den Patienten und Kollegen.

Beatmungs- und Lagerungstherapie

Eine Herausforderung bei der Behandlung der Covid-19-Patienten sei der unberechenbare Krankheitsverlauf, erklärt van Meegern. „Der Verlauf der Patienten – auch bei jungen Patienten – ist schon lang.“ Jedoch gebe es keine Faustregel, nach der man handeln könne. Zum Beispiel gebe es einen jüngeren Patienten auf der Station, „der hat keine Vorerkrankung und trotzdem ist er nicht besser dran als der 80-Jährige mit Vorerkrankung.“ Allgemein sei ein langer Verlauf üblich. „Wenn die zu uns kommen, sind sie noch in einem relativ guten Zustand“, erklärt van Meegern. Um einer respiratorischen Erschöpfung (Lungenschwäche) vorzubeugen, sei es wichtig, frühzeitig zu erkennen, wann man intubieren und den Patienten damit künstlich beatmen muss. Nach der Beatmungstherapie und der Lagerungstherapie sei „man eigentlich auch schon schnell am Limit“, erklärt die Ärztin. Die Lagerung erfolge vor allem auf dem Bauch, um die Lungenareale zu ‚belüften‘. Auffällig sei, dass die Patienten viele Narkosemedikamente, also viel Sedierung, bräuchten.

Auch van Meegern hatte bereits Patienten, die das Virus nicht überstanden haben und verstorben sind. Viele der Verstorbenen jedoch, betont van Meegern, wären wahrscheinlich auch an ihrer vorhandenen Grunderkrankung gestorben und hätten auch eine herkömmliche Influenza nicht überlebt. Der Behandlungsweg, das wird bei den Ausführungen der Ärztin deutlich, müsse bei jedem Patienten individuell abgestimmt werden. Und eine solche Behandlung sei eben aufgrund der guten Vorbereitung und durch das Krisenmanagement aktuell noch gewährleistet.

„Jeder kommt an die Beatmung, der eine Beatmung braucht.“ Von einer Situation wie beispielsweise in Italien sei man im Krankenhaus „noch meilenweit entfernt“, sagt die Kevelaererin, die auf einer Intensivstation mit 22 Betten arbeitet. Ein Gedanke lasse sie bei all der Routine aktuell dennoch nicht los: „Was ist, wenn ich die letzte Person bin, mit der sie gesprochen haben, die sie sehen? Manchmal sieht man die Panik in den Augen. Das ist ganz schlimm.“ So ist es eben nicht die Routine als Ärztin, die einen vor solchen Gedanken schützt.

Auch die Sorgen der Angehörigen anhören

Auch der Umgang mit den Angehörigen – sowohl der Covid-Patienten als auch aller anderen Patienten – sei ein anderer, sagt van Meegern. Das Besuchsverbot mache vielen zu schaffen. So habe zum Beispiel eine Angehörige eines über 80-jährigen Patienten dreimal am Tag angerufen, um sich nach ihrem Familienmitglied zu erkundigen. Da kämen dann einfach Sorgen auf, weil man seine Liebsten über Wochen nicht besuchen darf. „Das ist furchtbar, das finde ich grausam“, fühlt die Ärztin da mit.

Eine ihrer Sorgen ist außerdem, dass in einigen Monaten auf einmal sehr viele Menschen zum gleichen Zeitpunkt kommen werden – und zwar diejenigen, die aktuell bereits aufgrund persönlicher Beschwerden ärztliche Hilfe benötigen, den Gang zum Arzt jedoch aus Angst vermeiden. „Die ganzen Probleme sind ja nicht in Luft aufgelöst“, sagt die Kevelaererin. Man solle sich auch weiterhin trauen, zum Arzt zu gehen, wenn man wirklich Probleme hat, appelliert sie.

Auch wenn die weiteren Entwicklungen ungewiss sind, hofft van Meegern, dass auch nach der aktuellen Krise die Wertschätzung gegenüber den Pflegekräften – und allen anderen Menschen, die das System aufrecht erhalten – bestehen bleibt. Denn zu vermuten ist: „Bald interessiert es niemanden mehr.“ Zu wünschen sei ein Umdenken in der Gesellschaft auf lange Sicht. „Ich hoffe, dass nach der Krise auch Pflegekräfte besser bezahlt werden und dass gesehen wird, dass man die Leute einfach braucht.“ Trotz der Ungewissheit und des hohen Drucks in der aktuellen Situation laufe die medizinische Versorgung hier immer noch in geregelten Bahnen. „Ich bin momentan total froh, dass ich arbeiten kann, dass ich den Job habe. Am Ende des Tages hat man doch eine sinnvolle Arbeit.“

Konstantin Deev verstärkt das Team im Marienhospital

Zügig formiert sich die Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums neu. Mit Konstantin Deev verstärkt ein weiterer erfahrener Oberarzt das Team um den neuen Chefarzt Prof. Dr. Sebastian Gehrmann, der die Leitung der Klinik zum 1. Oktober übernimmt.
Konstantin Deev kehrt damit als leitender Oberarzt und Durchgangsarzt ins Marienhospital zurück. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnung spezielle Unfallchirurgie, war im Marienhospital bereits mehrere Jahre als leitender Oberarzt und Durchgangsarzt tätig. Durchgangsärzte, kurz D-Ärzte genannt, haben eine besondere Zulassung der Gesetzlichen Unfallversicherung und sind für die Behandlung nach Arbeits- und Wegeunfällen zuständig.
Die neue Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin gewinnt damit rasch an Kontur: Mit Dr. Thomas Bertrams und Christian Philipps hatten zwei weitere bewährte Oberärzte bereits ihre Rückkehr zum Katholischen Karl-Leisner-Klinikum angekündigt.
Die Klinik für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin mit Standorten im St.-Antonius-Hospital Kleve und Marienhospital Kevelaer ist ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums. Sie ist zertifiziertes Endoprothetikzentrum und zertifiziertes regionales Traumazentrum – das einzige im Kreis Kleve.

Ein Fünftel mehr Patienten

„Das Sommerloch fiel weg.“ Auf diese wenigen Worte bringt Dr. med. Rüdiger Kerner, Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin am Marienhospital Kevelaer, die Bilanz der Hitzewelle der vergangenen Wochen. „Wir hatten rund 20 Prozent mehr Belegung durch temperaturbedingte Kreislaufstörungen“, erläutert der Mediziner weiter. Zugleich gibt es Entwarnung: „Nur wenn sekundär etwas zu den Hitzeproblemen hinzu kommt, wird es lebensbedrohlich. Normalerweise können wir die Hitzefolgen gut handeln.“
Vor allem ältere Menschen erlitten Kreislaufbeschwerden oder einen Hitzekollaps, medizinisch als Synkope bezeichnet. In der Regel fehlt den betroffenen Patienten Flüssigkeit und Natrium. Eine entsprechende Infusion schafft schnell Besserung. Nachträgliches Trinken alleine genügt oft nicht, da der Körper maximal 800 Milliliter pro Stunde an Flüssigkeit aufnehmen kann. Doch wie kommt es überhaupt zu den Beschwerden infolge der Hitze?
„Die Patienten müssten mehr trinken, aber schaffen es oft nicht“, weiß Kerner. 1,5 bis 2 Liter am Tag braucht ein Erwachsener ohne besondere Anstrengung. „An so heißen Tagen muss man das fast verdoppeln“, rät der Internist. Vor allem über die Haut erfolgt – auch unbemerkt – ein hoher Flüssigkeitsverlust. Tee, Saft oder Wasser mit einer Prise Salz schaffen Abhilfe. „Falsch wäre Limonade“, sagt Kerner, gut hingegen auch Gemüsebrühe – wegen der Mineralstoffe.
„Normalerweise ist natriumhaltiges Wasser nicht gesund“, bestätigt der Mediziner, dass Kochsalz – Natriumchlorid – das Herz-Kreislauf-System beeinträchtigt. Allerdings bindet Natrium auch Wasser und hält dieses an heißen Tagen in den Blutgefäßen und beugt so Kreislaufproblemen vor.
Neben älteren Menschen sind vor allem auch Kinder unter sechs Jahren durch die Hitze gefährdet. „Kinder haben ein hohes Flüssigkeitsvolumen im Verhältnis zu ihrer Körpergröße. Da kommt es schnell zu einem Defizit“, erklärt Kerner. Kopfschmerzen, Schwindel und auch Fieber seien typische Symptome, letzteres Reaktion des Gehirns auf die Störung des Elektrolythaushaltes. „Die Kinder sollten im Schatten spielen und regelmäßig ans Trinken erinnert werden“, empfiehlt der Arzt allen Eltern. Das scheint zum Glück schon vielen Eltern bewusst zu sein: Unter den Hitzepatienten im Marienhospital befinden sich nur selten Kinder.

Zum Tode von Dr. med. Robert Van de Velde

Viele Kevelaerer werden sich an Dr. Robert Van de Velde erinnern, sei es als ihren behandelnden Arzt (Internist), als Kunstliebhaber und Maler oder als Gärtner und Naturkenner, doch nur wenige werden gewusst haben, dass er auch Bücher verfasste.

Ein Mann mit vielen Interessen

Van de Velde wurde am 5.5.1936 in Deinze (Belgien), als ältester von 3 Brüdern geboren. Bereits mit 19 Jahren verließ er seine Heimat, um im Saarland Medizin zu studieren. Nach dem erfolgreichen Studium und der Spezialisierung auf Medizin des Inneren ging er später nach Köln, um dort in seinem Beruf zu arbeiten.
1976 bot man ihm die Gelegenheit, sich in Kevelaer mit seiner Praxis niederzulassen. Er war Arzt und Mediziner aus Leidenschaft. Für ihn stand immer der Mensch im Vordergrund, nie was oder wer er ist. Von Beginn an hatte er den Menschen immer helfen wollen, auch unentgeltlich. Seine internistische Praxis leitete er von 1976 bis 1998 mit seiner Frau Ursula, die vor sechs Jahren verstarb.

Robert Van de Velde hatte eine besondere Ausstrahlung, zurückhaltend, aufrecht und ehrlich, sowie nie im Vordergrund stehend. Immer ein offenes Ohr für die Probleme anderer, auch über seine aktive Zeit als Arzt hinaus. Wenngleich er sehr streitbar sein konnte und sich nie verbogen hat, wenn es um eine Sache ging, von der er überzeugt war. Er hat immer hinter die Kulissen geschaut. Gerne hat er mit anderen über Tiefgründiges philosophiert.

Als Kunstliebhaber war er dem Kevelaerer Museum sehr verbunden, seine große Leidenschaft war die Malerei. Als Motive dienten ihm Menschen, Blumen, Natur. Zuletzt malte er abstrakt.
Van de Velde war ein sehr belesener Mensch, der sich für vieles interessierte und den Dingen auf den Grund ging. Das ließ in ihm den Gedanken reifen, irgendwann selbst ein Buch zu veröffentlichen. Er hat 20 Jahre dafür gebraucht. Die Arztpraxis ließ ihm nicht genügend Zeit, erst mit dem Ruhestand konnte er das Werk zu Ende bringen.

Van de Velde als Autor

Im Herbst 2017 wurde sein Lexikon „Studium Generale“ (ISBN 3038311421) auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. In diesem Werk beschrieb er die Geschichte der Wissenschaften.

Dieses Ereignis hatte ihn derart begeistert, dass er den Entschluss fasste, ein weiteres Buch herauszubringen. Dr. Van de Velde konnte das Manuskript noch vor seinem Tode fertigstellen. Das Buch wird unter dem Titel „Homo stupidus – Der unvernünftige Homo sapiens“ in Kürze veröffentlicht.

„Wir leben weder in der „besten aller Welten“ noch in der „schlechtesten“, sondern in einer schönen, verletzbaren Welt. Ein Umdenken ist dringend erforderlich: Umweltethik, Verantwortung, Toleranz, Respekt vor dem Leben“ – so lautet ein Auszug daraus.
Seine Wahlheimat Kevelaer und den hier lebenden Menschenschlag hat er sehr gemocht. Gehadert hat er manches Mal mit den Einstellungen der Kirche und kein Verständnis hatte er für diejenigen Menschen, die scheinheilig waren oder Unwahrheiten verbreiteten.
Als Fußballinteressierter hätte er gerne noch erfahren, ob Belgiens Nationalmannschaft es bis ins WM-Endspiel geschafft hat (Belgien wurde Dritter im Spiel gegen England). Leider verstarb er zuvor am 24.06.2018 im Alter von 82 Jahren.

Neuer Experte für Schulter, Knie und Hüfte

Neuer Chefarzt der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums wird zum 1. Juli Priv.-Doz. Dr. Lars Victor Baron von Engelhardt (44). Er folgt Professor Christof Braun, der in den Ruhestand geht. Die Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie betreut Patienten sowohl im St.-Antonius-Hospital Kleve als auch im Marienhospital Kevelaer.
„Wir sind sehr froh, dass wir mit Dr. von Engelhardt einen so erfahrenen und engagierten Mediziner gewinnen konnten“, sagt Bernd Ebbers, Geschäftsführer des Katholischen Karl-Leisner-Klinikums. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie spezielle orthopädische Chirurgie und spezielle Unfallchirurgie war zuletzt unter Prof. Jörg Jerosch als Oberarzt am Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss tätig, das in der Unfallchirurgie und Orthopädie eine überregionale Strahlkraft hat. Zuvor hat er an den in Nordamerika und Frankreich führenden Gelenk- und Sportkliniken unter Professor Peter McDonald (Winnipeg) und Professor Phillipe Hardy (Paris) gearbeitet. „Für diese wertvolle Zeit bin ich dankbar“, betont von Engelhardt. „Sie hat mich besonders geprägt.“
Der angehende Chefarzt betont die Patientenorientierung seiner Arbeit: „Jedes Anliegen ist anders. Diagnostik und Therapie müssen für jeden Patienten individuell passen.“ Versorgungsqualität und Perspektiven des Klinikums haben ihn überzeugt: „Die einzelnen Standorte entwickeln sich spezialisiert und dynamisch. Das ist nicht nur fachlich beeindruckend, sondern auch glaubwürdiger als die Strukturen vieler anderer Großkliniken. Wir Mediziner und damit auch unsere Patienten werden davon auch in Zukunft profitieren.“ Dass die Menschlichkeit auch in der Hochleistungsmedizin nicht auf der Strecke bleibt, ist ihm ein besonderes Anliegen. „Die christlichen Werte werden in den Krankenhäusern des Katholischen Karl-Leisner-Klinikum wirklich gelebt“, so seine Feststellung.
Wichtige Schwerpunkte seiner Arbeit sind Operationen an Schulter, Knie und Hüfte. Alleine in den letzten wenigen Jahren kann er in diesen Einzelbereichen auf jeweils weitaus mehr als 1.000 Operationen zurückblicken – hochelektive Operationen und unfallchirurgische Eingriffe. Große Erfahrung hat er auf dem Gebiet der minimalinvasiven und knochensparenden Endoprothetik. „Je schonender wir unsere Patienten versorgen, desto besser“, betont von Engelhardt.
Weitere Schwerpunkte seiner Arbeit sind Gelenk-erhaltende Operationen wie Hüft- und Schulterarthroskopien, Beinachsenkorrekturen, komplexe Kniebandverletzungen, Operationen bei Instabilitäten der Kniescheibe sowie stabilisierende Operationen am Schultergelenk.
Dennoch ist von Engelhardt nicht nur im Operationssaal aktiv: Für die Universität Witten/Herdecke arbeitet er mit großem Engagement in Forschung und Lehre. Daher kann er mehr als 65 Monographien sowie weit über 100 klinisch-wissenschaftliche Vorträge alleine in den Bereichen Schulter, Knie und Hüfte vorweisen. Darüber hinaus ist er als Mitautor diverser Fachbücher, Instruktor bei OP-Kursen sowie als Experte bei Entwickler- und Anwendertreffen von Schulter-, Knie- und Hüftersatzsystemen sowie arthroskopischen Operationstechniken aktiv.
Er ist verheiratet und wird im Juni mit seiner Familie von Meerbusch nach Kleve ziehen. Gemeinsam mit seiner Frau Elma-Sophie freut er sich in diesen Tagen über die Geburt seines fünften Kindes. Er hat zwei Brüder, die sich ebenfalls der Medizin widmen. Sein Zwillingsbruder Boris leitet als Chefarzt die Fachklinik für Orthopädie im St. Josefs-Hospital Cloppenburg.

„Zu den Mädchenzimmern und den Jungenzimmern muss Mama nur die Treppe runter“

Kinderärztin Perihan Zengin und ihr Mann Ilhan haben ein Schmuckstück wieder zum Glänzen gebracht. Das alte Stadthaus an der Marienstraße 4, das unter Denkmalsschutz steht, wurde von ihnen in den letzten zwei Jahren liebevoll und aufwändig restauriert. Über der neu eingerichteten Praxis wurde die Wohnung von Familie Zengin eingerichtet. Die Töchter Pelda und Bengi strahlen über das ganze Gesicht, als sie gefragt werden, ob es ihnen denn im neuen Zuhause gefalle: „Zum Arbeiten in den Mädchenzimmern und Jungenzimmern muss Mama nur noch die Treppe runter.“
Mit Mädchenzimmer und Jungenzimmer meinen sie die vier Behandlungszimmer, in denen große Wandbilder neben Möbeln in modernen und komplementären Farben einen Schwerpunkt setzen. In den „Mädchenzimmern“ sind filigrane Baum-Ornamente mit Blüten, Vögeln und Fröschen zu sehen, in den „Jungenzimmern“ lenkt ein Wandbild mit Tieren von Walt Disney oder ein Blick ins Universum von Krankheiten ab.
In den funktional gestalteten Behandlungsräumen, die mit den Farben rot, gelb, grün und blau gekennzeichnet sind, können neben manuellen Untersuchungen auch Ultraschall-, EKG-Untersuchungen und Allergietests durchgeführt werden. Für Blutuntersuchungen steht ein eigenes Labor bereit. Hier können neben Urin-Untersuchungen auch erste Blutwerte bestimmt werden.
Das große Wartezimmer wird ebenfalls mit einem großen Wandbild dominiert. Alle Spielsachen darin müssen ständig desinfiziert werden. Für Kinderbücher und Erwachsenenlektüre ist gesorgt. Ein freundlich eingerichteter Empfangsbereich mit vielen farbigen Ordnern ist vom Wartezimmer räumlich getrennt. Die Verschwiegenheitspflicht und Wahrung der Persönlichkeitsrechte sollen so gewährleistet werden. Für „infektiöse Fälle“ gibt es einen gesonderten Eingang, eine eigene Toilette und einen Behandlungsraum, um Ausbreitungen zu verhindern. Zudem ist an jedem Behandlungsraum ein Desinfektionsspender angebracht. Alle Behandlungsräume sind gleich ausgestattet. Trotz 25 Grad Raumtemperatur gibt es noch einen Heizstrahler über jeder Liege und in jedem Raum befindet sich eine Babywaage im Schrank. Hierdurch wird verhindert, dass Säuglinge über den Flur zum Wiegen getragen werden müssen.

Das Gebäude an der Marienstraße 4 steht unter Denkmalschutz.


Perihan Zengin und ihr Team freuen sich auf die neuen Arbeitsbedingungen. Die alte Praxis an der Willibrordstraße 19 war viel dunkler, unmoderner und durch die Anordnung über zwei Etagen unpraktisch angelegt. Sie wurde von der kurdischen Kinderärztin übernommen, nachdem sie aus Duis­burg mit ihrer Familie nach Kevelaer gezogen war. Sie hatte zuvor in Münster studiert und ihre Zeit als Arzt im Praktikum abgeleistet. Es folgten sechs Jahre Mitarbeit in einer Klinik und drei Jahre in einer Essener Praxis.
Zengin schätzt die freundliche und positive Zusammenarbeit mit den zwei Facharztkollegen in Kevelaer. In der Großstadt sei zwischen den Kollegen ein deutliches Konkurenzverhalten zu spüren. „Hier ist es ein gutes Miteinander und wir vertreten uns gegenseitig bestens“ sagt die Medizinerin. Kevelaer gefällt ihr gut, weil die Menschen ihr und ihrer Familie ohne Vorurteile begegnen würden und weil die Innenstadt so schön sei: „Es ist alles so überschaubar und trotzdem mit so viel Leben gefüllt.“
Als Kurdin kennt sie Sprache und Kultur ihrer Landsleute nur zu gut. So verwundert es nicht, dass monatlich bis zu 100 Flüchtlingskinder die Praxis besuchen. Zengin weist darauf hin, dass diese Untersuchungen oft kulturellbedingt sehr aufwändig sind: „Da im Heimatland keine Krankenversicherung üblich ist, gehen die Menschen gewohnheitsmäßig erst sehr spät zum Arzt. Oft, wenn sie bereits alle Hausmittel ausprobiert haben.“
Alleine deshalb sei schon eine sehr gründliche Untersuchung erforderlich. Außerdem sei es nicht ganz einfach, die Kinder zu untersuchen. Das oft sehr hohe Schamgefühl macht es teilweise unmöglich oder es benötige langes Überreden, bis sich die Kinder zur Untersuchung ausziehen lassen. Bei bis zu 150 Kindern insgesamt, die an einem Tag in die Praxis kommen, bedeutet dies oft Verzögerungen.
Die Rahmenbedingungen für das private Leben im Haus Marienstraße 4 sind durch die historische Bausubstanz mit Stuckdecken, einer  Eichentreppe, uralte Bodenfliesen, viel Platz zum Wohnen und Spielen sowie der Nähe zum Arbeitsplatz gegeben. In den neuen Praxisräumen wird es schon bald hoch hergehen.
Dass dies in einem guten Arbeitsklima geschehen wird, sind sich die Mitarbeiterinnen (Medizinische Fachangestellte und Kinderkrankenschwester) sicher. Denn, so steht es auf einem Schild, das sie ihrer Chefin zum Einzug geschenkt haben: „Immer für uns da, unsere Chefin Perihan Zengin, stylish, emanzipiert, gerecht, geduldig, gelassen, ehrlich, emphatisch, schlau, verständnisvoll, humorvoll, fürsorglich, vertrauensvoll, kinderlieb.“

Lebensperspektiven für die Kinder schaffen

Seit 2015 führt der Weg von Hans-Herman Pieper und seiner Frau Annemarie für die Stiftung „Aktion pro Humanität“ nach Afrika. Vor einigen Wochen waren sie mit einem medinizischen Team zum dritten Mal in den Benin gereist.
„Man trifft dort so viele Menschen und es passiert so viel Zwischenmenschliches“, schildert Anne­marie Pieper ihre Eindrücke.  Auch wenn sie das Gefühl hat, das ist vielleicht nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sei, wäre das Bisschen, was man tun könne, doch sehr erfüllend.  Allerdings sei es schon „sehr strange“, wenn sie nach so einer Reise in ihren Job auf der Intensivstation mit Hightech-Geräten zurückkehre.
Der Antrieb zu der Arbeit ist für Hans-Herman Pieper ganz einfach: „Man wird Arzt, weil man sowas wie ein Helfersyndrom hat. Als Kinderarzt ist das nochmal anders.“So hat der 50-Jährige auch schon „Ärzte ohne Grenzen“ unterstützt hat: „Als Arzt hat man  wenig Möglichkeiten, sowas zu realisieren. Das Feld hier ist so unbeackert, da kann man noch was erreichen.“
In dem von der Stiftung aufgebauten Krankenhaus in Gohomey behandelten sie eine Woche lang Kinder und loteten dabei die Möglichkeiten aus, wie man vor Ort eine Fachabteilung für Pädatrie (Kinderheilkunde) aufbauen kann. Die Vorsitzende der „Aktion pro Humanität“ begrüßt diese Absicht, Elke Kleuren Schryvers, nachdem die Chirurgie und die Radiologie vor Ort gewachsen seien. Schließlich seien 50 Prozent der Menschen in Afrika unter 18 Jahre alt. Und somit auch gut die Häfte aller Patienten in Krankenhäusern.  Zumal es in der unmittelbaren Nähe in der Region Mono/Couffo so eine Einrichtung  nicht gäbe: „Das ist wichtig, um Kindern eine Perspektive zu verschaffen, genauso wie den Jugendlichen eine Ausbildung.“
Man wolle das Haus, das bisher als Kinderkrippe genutzt wurde, aber dafür einfach zu groß sei, dafür baulich umrüsten. Dazu müsse man das spezifische Fachpersonal vor Ort noch ausbilden, hofft sie, dass die dortige Kinderärztin ihre Ausbildung zur Fachärztin für Kinderheilkunde recht bald abschließen kann: „Der Umbau soll in der zweiten Jahreshälfte losgehen.“
Kinder hätten in Afrika eine ganz andere Lobby, lautet die Erfahrung des Xantener Arztes, der in  Moers praktiziert. „Die  Geburtenrate liegt bei acht bis zehn Kindern. Fünf davon überlebten in der Regel. Es gibt weniger Geburtenkontrolle. Viele sterben als ganz kleine Kinder. Da haben die Eltern einen ganz anderen emotionalen Bezug.“
Dazu komme, dass es keine soziale Absicherung. Das müssten die Eltern komplett entrichten. „Die Eltern müssen immer überlegen, ob man die eigene Familie versorgt- oder mit dem Geld das Kind behandelt“, laute oft die grausame Alternative. Oder es würde in der Kinderkrippe landen.

Hans-Hermann Pieper hilft Kindern in Afrika.


Die Krankheitsbilder ließen sich in drei Kategorien einteilen: Frühgeborene, für die es einen eigenen Bereich aufgrund der Hygiene und der Technik geben soll, mangelernährte  Kinder und allgemeine Krankheitsbilder von Malaria über Lungen- und Mittelohrentzündungen bis zu Brandwunden.
„Weil die Behandlung viel Geld kostet, kommen viele gar nicht“, sagt Pieper. Deshalb wolle man versuchen, die Behandlungen unabhängig von den Erwachsenen und ihrem Geldbeutel zu gestalten, so Elke Kleuren-Schryvers.
Das ganze Projekt sei aber so schon eine Herausforderung: Auch ohne den Umbau, nur mit der Beschaffung notwendiger technischer Ausrustung und Möbel, liegt man nach Kleuren-Schryvers Schätzung schon bei rund 70.000 Euro, die man aus Spenden generieren muss.
Da mache man laut Pieper schon Abstriche: „Wir sind da auf der Suche nach guten, auch gebrauchten Sachen.“ So könne man zum Beispiel kein hochdifferenziertes Atemschutzgerät, sondern eher eine einfache Atemhilfe mitnehmen, die auch vor Ort einsetzbar wäre.
Er sei schon in seinen vier Partner-Universitätskliniken unterwegs und knüpfe Kontakte. So braucht er unter anderem Wärmebetten, Lampen zur Behandlung für Neugeborene, Infusions- und Beatmungsgeräte. Aber alles habe seinen Preis. „Wir planen selbst, zehn Spritzenpumpen anzuschaffen“, sagt Pieper. Allein die kosten pro Stück schon gut 2.000 Euro.