Standortmarketing aus einer Hand
Die Spatzen pfeiffen es nicht erst von den Dächern, seit die Unternehmervereinigung Kevelaer (UVK) vor einigen Tagen ihre Auflösung beschlossen hat: Die Strukturen, in denen Kevelaerer Wirtschaftspolitik gemacht wird, stehen vor der größten Veränderung mindestens seit der Ablösung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG) durch eine Stabstelle im Rathaus im Jahr 2014. Sollte alles wie geplant gelingen, stünde Kevelaer vor einem ganz großen Wurf, den unabhängige Strategieberater von „Moduldrei“ schon jetzt mit Lob überschütten.
Antwort auf Unzufriedenheit
Groß war allerdings auch die Unzufriedenheit vieler Unternehmer mit der Situation in den vergangenen Jahren: Da war zum Einen das Chaos, das die Abwicklung der WfG hinterlassen hatte: Lagen zuvor die Aufgaben von Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und der Leitung des Verkehrsvereins in einer Hand, wurden nun die Zuständigkeiten aufgeteilt – was in der Praxis so kaum möglich war. Zeitweise kam es zu regelrechten Blockaden, weil ja nun offiziell der jeweils andere zuständig sei, erinnert sich Dr. Rainer Killich, Geschäftsführer des Verkehrsvereins. Das machte es Außenstehenden nicht einfacher, Ansprechpartner für neue Ideen zu finden, und drückte auf die Motivation engagierter Unternehmer.
Und engagierte Unternehmer hat Kevelaer glücklicherweise so einige. Allerdings, das war das zweite Problem, waren die an unterschiedlichen Stellen involviert, dafür oft mehrfach: Werbegemeinschaften, Verkehrsverein, UVK, Initiativkreis Wirtschaft – um nur einige zu nennen. Jedes Thema fünfmal zu diskutieren, ermüdet allerdings. „Wir verbringen so viel Zeit in Sitzungen, wir kommen gar nicht dazu, etwas anzupacken“, bringt es Gabriele Polders, Vorsitzende des Verkehrsvereins Kevelaer und Umgebung, auf den Punkt.
„Wir wollten den Schwung, der da ist, nicht verlieren“, schildert Hans-Josef Bruns, Leiter der Kevelaerer Wirtschaftsförderung. In den vergangenen Monaten h abe man daher gemeinsam überlegt: „Gibt es Strukturen, die uns in die Lage versetzen, effektiver zu sein?“ Die Sache drängte, denn es mehren sich in Kevelaers Wirtschaft die Warnsignale: Was den Tourismus betrifft, so gehen in Kevelaer die Übernachtungszahlen gegen den Trend zurück. „Viele Häuser sind nicht zeitgemäß aufgestellt“, formuliert Bruns, ohne daraus einen Vorwurf machen zu wollen, denn oft stünden dahinter Probleme der Betriebsnachfolge. Hoffnung setze er diesbezüglich auf das künftige Hotel auf der Hüls. Und dann ist da noch der Rückgang beim Kaufkraftzufluss, jenem Maß, das angibt, ob Auswärtige mehr Umsatz in Kevelaer verursachen als Kevelaerer auswärts. Zwar hat Kevelaer hier immer noch eine positive Bilanz, doch seit dem Ende des Sonntagsverkaufs ist der Zufluss um rund ein Fünftel gesunken.
Alle Branchen vertreten
Bruns blickt lieber auf das Positive: „Wir sprechen immer von 800 000 bis 1 000 000 Besucher pro Jahr. Dabei vergessen wir immer das Irrland.“ Tatsächlich seien es dann eher zwei Millionen Gäste. Doch weder profitieren davon Hotellerie und Einzelhandel in Kevelaer, noch findet das Niederschlag im Stadtmarketing – ein weiteres Symptom für das, was in Kevelaer bislang schief läuft.
Damit soll nun Schluss sein. Die monatelangen Analysen der Kevelaerer Wirtschaftsakteure haben, extern moderiert durch die IHK, zu einem Ergebnis geführt. Die tourismusorientierte Arbeit des Verkehrsvereins, die eher allgemeinwirtschaftlichen Aktivitäten der Unternehmervereinigung und das politische Engagement des Initiativkreises sollen in einem einzigen Verein gebündelt werden. Geplant ist dazu eine Satzungsänderung des Verkehrsvereins, die dessen Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung am 13. November beschließen sollen – die Einladung geht in diesen Tagen in die Post. Dann wird daraus der „Wirtschafts- und Verkehrsverein Kevelaer e.V.“.
Die „Wahrung branchenübergreifender Interessen für die wirtschaftliche Entwicklung in Kevelaer“ soll auf dessen Fahne stehen, ebenso wie Netzwerkarbeit, Veranstaltungen und die Zusammenarbeit mit Politik und Stadtverwaltung. Weiterhin haben die Initiatoren Öffentlichkeitsarbeit und das Abgreifen von Fördertöpfen im Blick. Aufgeteilt werden soll die Arbeit in derzeit sieben Handlungsfelder, die alle Branchen der Wirtschaft abdecken. Dadurch können alle Mitglieder dort tätig werden, wo sie ihre Zeit sinnvoll eingesetzt sehen. So sollen sich mehr Mitglieder engagieren, als das zuletzt im Verkehrsverein der Fall gewesen ist.
Am bemerkenswertesten ist jedoch die Entscheidungsstrukur: Jedes Vereinsmitglied – das können auch Privatpersonen sein – kann Ideen initiieren. Meist werden die Ideen wohl aus den Handlungsfeldern entstehen. Ein Beirat aus den Vorsitzenden der Kevelaerer Ratsfraktionen, dem Bürgermeister, dem Wallfahrtsrektor und sieben Vereinsvertretern soll dann entscheiden, was tatsächlich angegangen wird. So soll jedes Thema nur einmal diskutiert werden müssen und alle Akteure von Beginn an beteiligt werden. Projekte sollen ganzheitlicher geplant werden, ein Ballonfestival beispielsweise stärker in die Stadt hinein wirken.
Sind von der Maßnahme finanzielle oder personelle Mittel der Stadt betroffen, hat der Stadtrat das letzte Wort. „Und natürlich kann der Verein die Ressourcen der Stadt nicht gegen den Willen des Bürgermeisters beanspruchen“, betont Bruns.
Vorschusslob der Experten
Besonders wichtig ist am Ende der unternehmerische Blick auf die Arbeit des Vereins: Zu allen Projekten soll es eine messbare Erfolgskontrolle geben. „Nur das, wovon auch jemand profitiert, soll fortgeführt werden“, sagt Bruns; selbst wenn das bedeute, eine über viele Jahre gepflegte Veranstaltung einzustellen.
„Innovativ und beispiellos“ habe der Experte von „Moduldrei“ das Kevelaerer Modell genannt, freut sich Killich. Gemeinsam mit Bruns wird er zunächst die Geschäftsführung übernehmen, bis die Mittel für eine hauptamtliche Geschäftsführung stehen. Über den Vorsitz laufen derzeit Gespräche. Sicher ist: Gabriele Polders möchte ihr Amt nicht fortführen – das hatte sie schon 2015 kundgetan, als die neue Struktur noch kein Thema war. 15 Jahre lang – wie Polders – wird der oder die Neue die Verantwortung wohl auch nicht schultern müssen. Angedacht sind regelmäßige Wechsel, „als Entlastung und für frischen Wind“. Ob ein eben solcher bald durch den Wirtschaftsstandort Kevelaer weht, darauf dürfen nun alle gespannt sein.