Die „Tigers“ aus Kevelaer zeigten mit neuem Final- und Vereinsrekord ihre Krallen

SSG gewinnt das Bundesliga Meister-Triple

Die SSG Kevelaer wurde zum dritten Mal in Folge Bundesligameister: (unten v.l.) Jana Erstfeld, Franziska Driessen, Franka Janshen, Anna Janshen, Alexander Thomas; (oben v.l.) Sergey Richter und Spielertrainer Simon Janshen. Foto: SSG

Es war ein Kampf der sportlichen Giganten: Am Ende der Bundesliga gab es das erhoffte Traumfinale zwischen der SSG (Schieß-Sport-Gemeinschaft) Kevelaer als Titelverteidiger und Nordmeister der Bundesligavorrunde und dem SV Pfeil Vöhringen, Südmeister und Inhaber des Bundesligarekords. In einem historischen Wettkampf stellte Pfeil Vöhringen den von der SSG vor zwei Jahren aufgestellten Finalrekord von 1986 Ringen ein und musste sich dennoch mit 3:1 geschlagen geben. Denn die Marienstädter*innen schraubten den neuen Final- und eigenen Ver-einsrekord auf ganze 1988 Ringe. Mit dem dritten Meistertitel in Folge bei den Luftgewehrschütz*innen schaffte die SSG dann auch noch das Meister-Triple, was bisher keinem Gewehrteam in der 24-jährigen Bundesligageschichte gelungen war.

Doch vor dem Happy End setzte das Finaldrehbuch Hochspannung, Dramatik, Wettkämpfe am Rande der Niederlage. Aber vor allem gab es eine mannschaftliche Geschlossenheit im Team der SSG Kevelaer, die letztlich zum Erfolg führte. Einen bitteren Wettkampfeinstieg hatte der „Leitwolf“ der SSG Tigers, Sergey Richter. Nach seiner Anreise aus Moskau stand sein Gewehr nicht zur Verfügung. Ein Austauschgewehr musste in München auf der Olympiaschieß-anlage, Ersatzaustragungsort für das vorgesehene Finale in der Ratiopharm Arena in Neu-Ulm, organisiert werden. 

Ganz nach dem Motto: Erst hat man kein Glück und dann kam noch Pech hinzu, hatte das Ersatzgewehr in der Viertelfinalbegegnung gegen SV Niederlauterbach einen technischen Defekt, der den Schützen vier Ringe kostete. Nach vorläufigen Reparaturen ging es für den ehemaligen Europameister und Olympiateilnehmer von Tokio wieder auf den Stand. Doch trotz Zeitgutschrift konnte der Routinier, der seit über zehn Jahren für und mit den Tigers schießt, den Rückstand nicht mehr aufholen. So musste er seinen Punkt in seiner Partie abgeben und die anderen Mannschaftsmitglieder mussten es richten. Denn mindestens drei Einzelsiege sind in den fünf Wettkampfpaarungen für einen Mannschaftserfolg notwendig. Dabei ist der Druck besonderes im Viertelfinale groß. Wer hier im K.O.-Modus verliert, für den ist das Finale zu Ende, bevor es richtig losgegangen ist. 

Trotz Schwächen noch dabei

Glücklich die Mannschaft, die weitere Schütz*innen wie Anna und Franka Janshen, Jana Erstfeld und Alexander Thomas in ihren Reihen hat. Die ersten drei konnten ihre Partien gewinnen und Thomas konnte mit 397 Ringen ein Remi erzwingen. Somit hatten die Tigers das so wichtige Viertelfinale mit 3:1 überstanden, auch wenn das Ergebnis mit 1973 Ringen zu den weniger guten Wettkämpfen der Saison zählte. 

„Der Druck in der ersten Begegnung ist immens groß. Dort gibt es immer wieder das große Favoritensterben, weil die vermeintlichen Underdogs nichts zu verlieren haben. Auch wir hätten verlieren können. Aber unsere Schützen haben sich vom technischen Gewehrdefekt bei Sergey nicht aus der Ruhe bringen lassen und sich voll auf ihren Wettkampf konzentriert. Diese Leistung kann man gar nicht hoch genug anrechnen“, resümiert Spielertrainer Simon Janshen.

Mit der überstandenen Viertelfinalbegegnung ging es im Halbfinale gegen den Wissener SV, gegen den die SSG die einzige Saisonniederlage in der Vorrunde hinnehmen musste. Daher hatten sich die Schütz*innen aus dem nördlichen Westerwald durchaus Siegeschancen gegen die SSG ausgerechnet. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf.

Hier kam Franziska Driessen für Jana Erstfeld an Position Fünf ins Team. Ihre 396 Ringe stellten nicht nur eine persönliche Bestleistung in der Bundesliga dar, sondern sorgten gleichzeitig für den ersten Einzelpunkt der SSG im Halbfinale. Das Team um Simon Janshen hatte wieder in die gewohnte Ergebnisspur gefunden. Die 1981 Ringe der SSG Kevelaer waren für die Wissener (1969) zu viel, so dass sie sich mit 4:0 geschlagen geben mussten. Gleichzeitig war das Ergebnis ein Fingerzeig dafür, was vom SSG-Team im Finale erwartet werden durfte. Dabei lagen die Ergebnisse der Kevelaerer*innen in der Bandbreite von 395 bis 398, was das hohe sportliche Niveau der SSG-Schütz*innen und die Ausgeglichenheit unterstrich.

Fokus lag auf den Wettkampf-Ergebnissen

Im Finale kam es dann zum besagten Showdown zwischen Kevelaer und Vöhringen – für Kevelaer die Möglichkeit, das historische Triple als Bundesligameister zu holen. Dabei hatte das bei der Vorbereitung gar nicht so sehr im Mittelpunkt gestanden, auch wenn es für die Außenstehenden einen besonderen Reiz hatte. „Wir wollten unsere Wettkämpfe gewinnen und nicht darauf achten, dass wir das Triple holen“, sagt Simon Janshen. 

Im Finale kam für die SSG wieder die Besetzung aus dem Halbfinale zum Einsatz. Franziska Driessen an Position Fünf fand allerdings zunächst nicht in ihr Match. Mit drei Neunern gleich zu Beginn und einer ersten 95er-Serie von 100 möglichen Ringen war die Begegnung bei dem im Finale gezeigten Niveau früh entschieden. Auch wenn sie Biss zeigte und noch drei 100er-Serien mit einem abschließenden Top-Ergebnis von 395 folgen ließ. Gegen Alisa Zirfaß und ihre 398 Ringe hatte sie das Nachsehen. 

Bei Sergey Richter hielt im Finale nicht nur das Gewehr, sondern wie gewohnt auch sein Nervenkostüm. Als seine Gegnerin, die Inderin Elavenil Valarivan, ihm mit 398 ein mächtiges „Brett“ vorlegte, musste er noch 13 Schüsse absolvieren und durfte sich keine Neun leisten, um einen Gleichstand herzustellen. Schuss für Schuss arbeitete er sich am Ergebnis der Weltklasseschützin in den Reihen der Vöhringer ab, bis auch bei ihm nach dem letzten Treffer die 398 angezeigt wurde. 

Gegen eine Schnellschützin musste auch Franka Janshen antreten. Antonia Back brauchte keine 30 Minuten für die 40 Schuss, um ihr Sportgerät ab- und der SSG-Schützin ein Ergebnis von 394 vorzulegen. Zwar hatte Franka Janshen zu diesem Zeitpunkt vier „Miese“ weniger auf ihrem Konto, musste aber auch noch 16 Schuss durchbringen. Das gelang ihr, sie leistete sich dabei nur noch eine Neun. So konnte sie ihre Partie mit 397 Ringen gewinnen. 

Zweiter Einzelpunkt war sicher

Ganz großes Kino zeigte dann Alexander Thomas. Fast im zeitlichen und leistungsmäßigen Gleichklang absolvierte er seinen Wettkampf gegen Hannah Steffen. Vor der letzten Serie neutralisierten sich beide Schütz*innen, die sich bis dahin jeweils nur eine Neun in den ersten 30 Schüssen leisteten. Eine weitere folgte bei der Schützin aus Vöhringen, die damit die Tür für einen weiteren Einzelpunkt einen kleinen Spalt öffnete. Allerdings zeigte sie zum Schluss einen schnelleren Rhythmus und so musste Thomas die letzten vier Schüsse unter dem Druck abliefern, sich keine Neun mehr einfangen zu dürfen, um den Wettkampf direkt zu gewinnen. Mit einer „satten“ 10,8 und einem tiefen Seufzer der Erleichterung machte er mit 399 Ringen in seiner Partie den Deckel drauf und sicherte den zweiten so wichtigen Einzelpunkt für die SSG. 

Das war eine Steilvorlage für Anna Janshen für den dritten Einzelpunkt auf dem Weg zum Meister-Triple – ein Druck, mit dem die 20-Jährige aber umgehen konnte. So nahm sie sich trotz fünf Zehnern zu Beginn ihres Wettkampfes eine Auszeit im Rahmen der Wettkampfzeit. „Das Match war spannend, wir hatten – auch ohne Zuschauer – viel Druck. Ich bin nicht ruhig gewesen und musste dann einfach eine längere Pause machen, um mich wieder zu sammeln.“ Die SSG-Schützin ist die derzeit beste Luftgewehrschützin Deutschlands. Vor einer Woche hatte sie sich nach fünf Wettkämpfen mit über 24 Ringen Vorsprung auf die Zweitplatzierte und einem Durchschnitt von 10,5 Ringen für die im März im norwegischen Hamar stattfindenden Europameisterschaften qualifiziert. Und auch gegen ihre Finalgegnerin Anita Mangold musste sie all ihr Können aufbringen. Denn diese ließ nur zwei Ringe „liegen“ und schloss mit 398 Ringen ab. Davon scheinbar unbeeindruckt schoss Anna Janshen Zehner um Zehner und setzte mit einer 10,7 den Schlusspunkt zum Endergebnis von 399. 

Damit holte sie den ersehnten dritten Punkt zum Sieg. So musste das Remi an Position Eins nicht mehr in einem Stechen entschieden werden und die SSG Kevelaer sicherte sich mit 3:1 die dritte Bundesligameisterschaft in Folge. 

„Wir haben Bestleistung in der Saison geschossen“

„Dass wir das Goldfinale in so einer Art und Weise gegen Vöhringen, die auch sehr stark geschossen haben, gewinnen, ist unglaublich. Man darf sich eigentlich keine Neun erlauben, wir haben Bestleistung in der Saison geschossen“, zog Simon Janshen als erstes Resümee. Beweis für seine Einschätzung sind die 24 100er-Serien der beiden Teams im Finale, was mit 1986:1988 der leistungsstärkste Wettkampf in der Geschichte der Bundesliga war. 

Überglücklich über das Meister-Triple, blieb den SSG-Schütz*innen dennoch nicht viel Zeit zum Feiern – schließlich musste das Team noch fast 700 Kilometer hinter sich bringen, um wieder heimischen Boden zu reichen. „Wir werden in den nächsten Tagen den Erfolg verarbeiten, genießen und überlegen, wie wir den Erfolg mit den Mitgliedern, Förderern, Offiziellen und Fans angemessen und würdevoll feiern werden“, erklärt Lambert Janshen, Vorsitzender der SSG Kevelaer.