Sie schuften und hoffen

Dass man durchaus auch mal die eine oder andere wirtschaftliche Delle aushalten kann, ist für eine Selbstständigen-Familie wie die Baumanns auf Keylaer durchaus nichts Neues. Der 36-jährige Stefan Baumanns ist mittlerweile in der vierten Generation Spargel- und Erdbeerbauer, zeigt stolz die Felder. Was sich aber aktuell in Zeiten von Corona tut, das nötigt ihm schon sehr viel Respekt ab. „Wir haben ja schon viel erlebt die letzten zwei Jahre durch die schnelle, trockene Hitze. Aber wenn das jetzt so kommt, ist das richtig schlecht.“ Denn die Sperrung aller Grenzen hat für den in Keylaer ansässigen Hofbesitzer Konsequenzen. „Ich habe mit meinem Vorarbeiter in Rumänien gesprochen. Der meinte: Es ist alles dicht. Sie lassen keinen mehr raus oder rein.“ 

Eine Studentin der Agrarwissenschaften habe sich bei ihm als Helferin beworben. „Vielleicht kommen da noch Bekannte von dem Vorarbeiter dazu, und die, die vielleicht in Gärtnereien schon mit den Arbeiten da fertig sind“, lautet Stefan Baumanns – allerdings eher vage – Hoffnung. „Wir machen schon selber sehr viel – ich, meine Frau Anja, die Eltern und dann eben fünf bis sechs Erntehelfer“, macht er klar, was der Ausfall von Helfern momentan bedeutet. Aus dem 13-Stunden-Tag ist mittlerweile ein 16- bis 17-Stunden-Tag geworden: „Und wenn die nicht kommen, dann lasse ich einen Teil des Feldes weg.“ 

Den Spargel genau treffen

Mit völlig Ungelernten drei Hektar Fläche Feld zu bestellen, wie es viele mit Blick auf Studenten, Asylbewerber oder Arbeitslose aktuell diskutieren, sei mal nicht eben so zu machen. „Das ist so, als würde man mich in die Küche stellen und sagen: Du kochst jetzt. Das kann nicht jeder“, sagt Baumanns. „Man muss den Spargel ganz genau treffen, sonst würde man ihm den Kopf abstechen.“ Und nicht jedem sei die Härte der Arbeit wirklich bewusst. „Nicht jeder wird wissen, worauf er sich da einlässt“, meint der 36-Jährige.  Die Rumänen, Polen und Bulgaren hätten einen unmittelbaren Bezug zu diesem urbanen Leben und Arbeiten „wie in den 50er-Jahren. Die haben noch Kühe und Schafe bei sich zu Hause, schlachten noch, backen ihr Brot selbst.“

Momentan spiele das Wetter noch mit, blickt Baumanns in Richtung Himmel und auf die Folienbahnen, unter denen sich der Spargel befindet. „Wenn die Nächte noch kalt sind, kommt er noch zögerlich.“ Schwierig werde es dann, wenn die Temperaturen anziehen und der Spargel schnell wächst. „Ende April/Anfang Mai ist viel Musik im Boden – und dann treibt es aus.“ Man habe ja auch noch ein Treibhaus, erzählt Baumanns. Es werde spannend, wie man den Arbeitsablauf in der Reihenfolge Treibhaus – Folie – Freiland – ohne Folie/Stellage für die Spargel- und Erdbeerernte organisieren kann.

Auswirkungen auf die Abnahmefrequenz

Was in den nächsten zwei bis drei Wochen in Sachen Corona passiere, „wird für den ganzen Markt sehr große Folgen haben“, befürchtet er. Denn das wird sich auch in der Abnahmefrequenz der Restaurants und Bäckereien niederschlagen, die sonst gerne auf Spargel oder Erdbeeren zurückgreifen. Ob da die Besucher auf den Wochenmärkten in Kevelaer und Umgebung ausreichen, der Verkauf am Hofladen angesichts der Situation überhaupt in Gang kommt? Keiner kann das voraussagen. Den Handel mit Supermärkten hat er nach seinen Erfahrungen mit einem Anbieter abgeschrieben, weil „die drücken ihre Händler so, bis man kotzt.“

Aber wenn jemand Erdbeeren oder Spargel haben wolle, müsse man auch liefern können. Und die laufenden Kosten für den Betrieb bleiben ja auch bestehen. Die Erdbeerpflanzen, die bestellt Baumanns zum Beispiel schon im September des Vorjahres – und muss sie dann auch bezahlen. Die Überlegung, beim Staat einen Antrag auf Soforthilfe zu stellen, die gebe es schon.  Aber er will weiter das Beste versuchen, schaut, welche Arbeitsschritte er jetzt schon vorarbeiten kann. „Wir bleiben Saisonarbeiter. In den drei Monaten Spargel- und Erdbeerenernte muss ich mein Geld verdient haben. Sonst habe ich das ganze restliche Jahr Probleme.“