Sie hat Veränderungen im Gepäck
Gespannt verfolgt Jessica Saric, wie die Kinder „ihres“ Jona-Kindergartens fleißig Holzstücke zusammenlegen. Seit einem Jahr ist die 34-jährige gebürtige Bottroperin Leiterin des Kevelaerer Kindergartens an der Heinestraße. Dass sie 2019 die Gelegenheit bekam, nach einer längeren Zeit im Mutterschutz wieder in ihren Beruf einzusteigen, dafür ist sie bis heute der evangelischen Kirchengemeinde sehr dankbar. An den Niederrhein verschlug es die ausgebildete Erzieherin, die in Gladbeck ihr Fachabitur machte und parallel die Ausbildung absolvierte, vor drei Jahren. Mit ihrem Ehemann und der heute vierjährigen Tochter ging es nach Geldern. Vor zwei Jahren wurde dann ihr Sohn geboren. „Uns hatte das Land gereizt, wir wollten der Stadt entfliehen – und die Kaufpreise im Ruhrgebiet…“ will die vital wirkende Frau darüber gar nicht mehr reden. „Ich bin zwar von Herzen Ruhrpottler, aber schon gut assoziierter Niederrheiner“, meint sie mit einem Augenzwinkern.
Nach der Elternzeit kam in ihr aber wieder die Motivation, „eine adäquate Stelle zu finden.“ Schließlich hatte sie eine ganze Zeit zuvor in Bottrop gearbeitet, war dann in Gelsenkirchen-Horst als Kindergartenleiterin in einem evangelischen Kindergarten beschäftigt. „Das war eine sehr gute Schule, da gab es viele sozial schwache Familien im Zusammenhang mit gut situierten Familien. Da die Mitte zu finden, das war immer die Herausforderung – auch zwischen den Kindern den Ausgleich herzustellen. Und die Eltern waren halt unterschiedlich ‚verrückt‘“, lässt sie zwischen den Zeilen erkennen, dass das nicht immer leicht war.
Als sie bei der evangelischen Kirche anfragte und tatsächlich die Stelle bekam, „da hatte ich erstmal null Erwartungen.“ Die Chance, zu gestalten, die sah sie von Anfang an. „Es war ein schönes Gefühl, dass man an mich geglaubt hat und Pfarrerin Dembek gleich gesagt hat: Sie sind genau die Richtige für den Job.“ Was sie vorfand, war „eine bestehende Einrichtung mit viel Entwicklungspotenzial“, wie sie es formuliert. Zu Beginn sei der Umgang unter den Beteiligten „nicht unproblematisch gewesen“, meint sie diplomatisch. „Wichtig war in der Zeit, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen, das von dem Team und das seitens des Trägers, das auch zu bestätigen.“ Sie habe viel beobachtet und sich anschließend viele Gedanken gemacht, was man konzeptionell alles angehen und ändern kann.
Gemeinsame Gottesdienste
Einer ihrer Leitgedanken dabei war, „die Bedürfnisse der Kinder nach vorne zu stellen.“ So holte sie zum Beispiel Kooperationspartner wie „Myokraft“ mit ins Boot, um Bewegung und Ergotherapie in den Alltag zu integrieren. „Wir haben einige Kinder, die Ergotherapie benötigen“, sagt Saric. Und sie betont das evangelische Profil der Einrichtung. Man wolle „Kirche und Kindergarten enger zusammenführen. „Wir feiern gemeinsam Gottesdienste mit Frau Dembek, bereiten sie mit den Kindern und Eltern vor.“ Auch das soll mehr „emotionale Bindung“ an die Einrichtung schaffen. Insgesamt betreuen die zehn Mitarbeiter 22 Kinder in den drei Regelgruppen und zehn U3-Kinder. Sie genieße es, dass man nur drei Gruppen hat, „weil man mit den Eltern intensiver arbeiten kann und jede Familie und die Kinder persönlich kennt. Da ist dann einfach mehr Bezug“, sagt die Kindergartenleiterin.
Die Corona-Krise habe alle Beteiligten dann vor große Herausforderungen gestellt. Denn die Präsenz musste man trotz des Lockdowns „mit den Wochenenddiensten für die Schlüsselpersonen“ wie ÄrztInnen und PflegerInnen und der „durchgängigen Notfallbetreuung“ schon aufrechterhalten. „Wir waren tatsächlich viel vor Ort, konnten so auch ein Stück Verlässlichkeit und Sicherheit geben.“ Immer konnte man so auch aktuelle Informationen weitergeben und den Tagesablauf der betreffenden Familien sichern.
Es gab auch „Risikokollegen“, die vom Dienst befreit wurden. „Die Küchenkraft gehörte auch dazu, sie hat gekündigt“, erzählt Saric. Und so hatte man auf einmal nur noch sechs Leute im Einsatz bei acht bis zehn Kindern, die unter den neuen Herausforderungen – U3 und Ü3 zusammen – betreut werden mussten. Die Vorgaben des Landes dazu seien leider fernab jeglicher Realität gewesen, muss sie aus ihrer Sicht klar sagen. Denn wie geht man zu U3-Kindern, die Mimik und Gestik für den Kontakt brauchen, mit Maske hin? „Oder wenn ein Kind hinfällt, das kann man da nicht auf Abstand und mit Maske betreuen. Das läuft so nicht. Da ist die emotionale Bindung das Wichtigste.“
Ihr ganz persönlicher Wunsch, das spricht sie offen an, wäre es, „dass alle Kinder und das Personal regelmäßig getestet werden, um das nachzuhalten.“ Sie sei selbst in der Zeit mal krank gewesen und hat bei ihrem Arzt auf einem Test bestanden. Die Eltern bringen die Kinder zur Tür mit Maske, betreten die Einrichtung auch nicht – bis heute. So unangenehm die Situation auch ist, sie hat tatsächlich auch Vorteile. „Dadurch bedingt können sich Kinder auch besser von den Eltern lösen und sich selbstständiger bewegen.“
Gemeinsames Frühstück
Was Zukunftsprojekte und Visionen angeht, habe Corona das Haus schon „ein bisschen gelähmt.“ Andererseits könne man nochmal intensiver über Struktur und Rahmenbedingungen nachdenken, sagt die Pädagogin. Auf jeden Fall soll es ein gemeinsames Frühstück vor Ort für die Kleinen geben, für das die Eltern einen Obolus entrichten, „sobald das mit Corona und so einem Hygiene-Buffet geht.“ Eigentlich habe man das schon für August angedacht, ehe Corona kam. Es gehe darum, „eine Gleichberechtigung zwischen den Kindern“ in der Hinsicht zu schaffen. „Und für viele Mütter, die berufstätig sind, kann das auch eine zeitliche Entlastung sein, dass ihr Kind da ein schönes gemütliches Frühstück hat.“
Was Veränderungen am Ambiente angeht, gibt es schon Überlegungen, aber richtig konkret ist da noch nichts, sagt die leidenschaftliche Motorbootfahrerin, die am Wochenende mal zum Ausgleich auf der Maas fährt. Die lesebegeisterte Frau, die ihre Familie als „mein wichtigstes Hobby“ bezeichnet, ist auf jeden Fall froh, dass sie diesen Schritt hierher gemacht hat. Und sie will weiter mit ihrem Team und den Eltern kreativ zum Wohl der Kinder arbeiten, dabei intelligente Konzepte weiterentwickeln. Ihr Credo dazu lautet: „Man muss Menschen für Veränderungen begeistern.“