Seit 90 Jahren gibt es das Martinskomitee in Winnekendonk
„An unsere Mitbürger auf dem Lande und im Dorf! Zum ersten Male veranstaltet Winnekendonk in diesem Jahre am 11. November seinen Martinszug, und alle Kinder sind voll Begeisterung dafür. Herr Herm. Derks wurde im Auftrage des Zugkomitees gebeten, Gaben zu sammeln, und kommt zu Euch. Gebet alle Euer Scherflein nach Euerem Können, und der Dank der lieben Kinder ist Euch gewiß!“
(Carl Schumacher im Auftrage des Martinskomitees, 1926)
Hauptlehrer Schumacher war spät dran, damals: Rund um Winnekendonk hatte es schon zahlreiche Martinszüge gegeben, so in Aldekerk 1886, in Geldern 1903, in Kevelaer 1921 und im Achterhoek 1925. Die Winnekendonker sprangen also quasi auf einen fahrenden Martinszug auf: Bei einem Kegelabend im Jahre 1926 soll die Idee entstanden sein, auch in Winnekendonk einen solchen Umzug zu veranstalten.
Gesagt, getan: Carl Schumacher rief zur Gründungsversammlung und die Herren Pfarrer Reiners, Bürgermeister Janssen, Johann Beyers, Otto Fehlemann, Heinrich Heistrüvers, Lehrer Hovestadt, Gerhard Kammann, Johann Kempkes, Lehrer Kronenberg, Mathias Looschelders, Johann Schülter und Johann Teloo folgten dem Ruf. Am Ende des Abends ward das Martinskomitee Winnekendonk gegründet und fürderhin zuständig für den Umzug. Dass der, bis auf Ausnahmen, die auf die angeordnete „Verdunkelung“ während der Kriegszeit zurückzuführen sind, bis heute jährlich stattfindet und sich immer noch großer Beliebtheit erfreut, darauf sind sie ein kleines bisschen stolz im Golddorf.
Und das zu Recht, denn wenn man einen Blick in die zum 90. Geburtstag erschienene Festschrift wirft, merkt man schnell, dass hier nicht immer nach der Devise „Dieselbe Prozedur wie in jedem Jahr“ verfahren wurde. Das Komitee zeichnete sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder durch besondere Pfiffigkeit aus, wenn es darum ging, die Kasse zu füllen, sei es durch besondere Benefiz-Fußballspiele oder humorvoll ausgeführte Spenden-Läufe, durch ganz tolle Gans-Aktionen oder kleine Frozzeleien bei der Ferkel-Verlosung. Aber auch die „Ausgaben-Seite“ hatte man beim Martinskomitee immer im Blick. „Unsere Devise: Jedes Kind bekommt eine Tüte“, sagt Präsident Ulrich Völlings und Schriftführer Klaus Mülders erzählt, dass zum Beispiel seit den 1970er Jahren auch alle Kinder von in Winnekendonk lebenden Ausländern zu den Beschenkten gehörten. Und genauso selbstverständlich würden heute die Kinder der Flüchtlinge – etwa im ehemaligen Sporthotel auf Schravelen – beschenkt. Und noch etwas hat Eingang in die Vereinschronik gefunden: Der demografische Wandel. Waren es Mitte der 1950er Jahre 460 Kinder- und 70 Seniorentüten, die gepackt wurden, waren es 2015 750 Kinder- und 450 Seniorentüten. Die Zahl der Kinder ist in den vergangenen Jahren stabil geblieben, die der Senioren steigt.
All diese Fakten und Geschichten hat Schriftführer Klaus Mülders liebevoll und fundiert für die Festschrift zusammengetragen. Was er nicht selbst aufgeschrieben hat – immerhin macht er den „Job“ seit 1980 – konnte er anhand einer Zusammenfassung der Ereignisse, die Franz Josef Drißen 1975 erstellte, sowie anhand der vorliegenden Chroniken und Niederschriften der Versammlungen und nach Angaben von Augenzeugen recherchieren.
Die Festschrift ist in den vergangenen Tagen mit der Sammlung an die Winnekendonker Haushalte gegangen. Wer sich dafür interessiert, kann noch ein Exemplar beim heutigen Präsidenten Ulrich Völlings (T.: 80422) bekommen. Im Internet, auf der Seite des Komitees, kann man sich die Festschrift auch ansehen.
Es passt zur Bescheidenheit und zum Selbstverständnis dieser Organisation – „Wir sind kein Verein, sondern ein Komitee“, sagt der Präsident -, dass die Einnahmen mittlerweile ebenso geteilt werden, wie es St. Martin mit seinem Mantel tat. So fließt seit 1988 der Erlös der traditionellen Verlosung bei der Nachfeier am Martinsabend nicht in die Martinskasse, sondern kommt der Andheri-Hilfe e.V. Bonn zugute, die in Bangladesh ein Blindenprojekt betreibt. Die Gründerin dr Hilfsorganisation, Rosi Gollmann, wird anlässlich des Jubiläums erstmals Winnekendonk besuchen und mit Elvira Greiner das Projekt und den Verein Vorstellen. Weitere Programmpunkte der Jubiläumsfeierlichkeit am Samstag, 6. November, 17 Uhr, in der Öffentlichen Begegnungsstätte in Winnekendonk sind Darbietungen des Musikvereins Winnekendonk und der Overberg-Grundschule. Präsident Ulrich Völlings wird die Gäste begrüßen, Ortsvorsteher Hansgerd Kronenberg wird sprechen, für den das Martinskomitee ein deutlicher Ausdruck für das rege dörfliche Zusammenleben in Winnekendonk ist. Und noch ein waschechter Winnekendonker findet anlässlich des Jubiläums und zu der Feier wieder den Weg in sein Heimatdorf: Sprachforscher Dr. Georg Cornelissen wird über den Namen „Martin“ einiges zu berichten wissen.
Martinszug am 12. November
Und dann ist da natürlich noch die Hauptsache: Der Martinszug am 12. November. Erst stellt man sich auf dem Schulhof der Overberg-Grundschule auf, um 18 Uhr geht‘s dann los über Sonsbecker Straße, Kervenheimer Straße, Nordstraße, Hoher Weg, Plockhorstweg, Tichelweg, Wissener Weg, Heiligenweg, Niersstraße, Marktstraße, Hauptstraße, Sonsbecker Straße zurück zum Schulhof. Auf die vielzitierten „leuchtenden Kinderaugen“ können sich die Mitglieder des Winnekendonker Martinskomitees wohl auch in diesem Jahr wieder verlassen. Wie darauf, dass Franz-Josef Pellander wieder den St. Martin gibt. Immerhin macht er das seit 1998 und ist deshalb kein „Geheimagent“ mehr, wie sein Vorgänger der Gründerzeit des Komitees.
Dessen Name sollte nämlich unbedingt geheim bleiben, so hatten es die Gründerväter vereinbart. Beim Martinszug am 11. November 1926 scheute der Schimmel jedoch beim Feuerwerk und St. Martin hatte alle Mühe, nicht herunterzufallen. „Minne Mann, Minne Mann“, schrie beim Anblick des heiligen Mannes in höchster Not damals eine helle Frauenstimme – und damit war die Identität des Darstellers gelüftet: Es war Johann Schülter. (nick)