„Seid immer brav, fleißig und ehrlich“
Winnekendonk/Wetten. Die meisten Menschen kannten Sophie Willems aus Winnekendonk als Helferin, die gern strahlte, Späße machte und sich zu Karneval in die Bütt stellte, damit andere lachen konnten. An diesem Freitag jährt sich ihr Todestag zum 10. Mal.
Einmal, erzählte Sophie Willems vor Jahren dem KB, sei sie von einer alten Frau gefragt worden, ob sie wirklich nur Glückstränen lache. Der Blick dieser Frau hinter ihr Gesicht hat Sophie Willems berührt.
Viele Jahre hatte sie nichts zu lachen gehabt – eine Sophie Willems, die kaum jemand kannte und die jahrzehntelang klaglos ihren kranken Mann Hein pflegte, der sie fast ganz für sich in Anspruch nahm.
Das Dienen kannte sie aus ihrer Kindheit. Ihre Mutter hatte einen Witwer mit sieben Kindern geheiratet und selbst noch elf Kinder bekommen. „Wir wohnten auf einer Katstelle in Wetten.“ Als Älteste packte Sophie früh mit an, so klein sie war. Mit fünfeinhalb Jahren kam sie in die Schule, „immer mit Holzschuhen, denn Vater war Holzschuhmacher“.
Von ihm, erzählt Sophie Willems, „hatten wir ein Handikap geerbt, man hat uns oft gehänselt wegen unserer kleinen Augen. Wenn wir es der Mutter klagten, strich sie uns übers Haar und sagte: ‚Sit gej mar brav, fleißig on ehrlich, dann kommt gej ok dör et Lewe‘.“
Mit 13 Jahren kam Sophie als Magd zu einem Bauern, wo sie im Stall und auf dem Feld hart anpackte. Abends strickte, stopfte und spann sie. „Für die Arbeit beim Bauern bekam ich 10 Mark 50 im Monat, die meine Eltern am Ersten abholten.“ Trotz ihrer Aufgaben, so erinnerte sich Sophie Willems später, empfand sie sich als glücklich. Als ihr Vater krank wurde, wechselte sie 1939 zu einem Bauern in der Nähe.
Ihre Arbeit wurde noch schwerer. Sie war keine 18, als sie zum Eggen und Walzen auf die Felder ging. Sie erinnerte sich an einen 20 Zentner schweren Stier. Den musste sie morgens auf ein Kleefeld führen und an die Kette legen: „Das stelle man sich vor“, erinnerte sie sich einmal lächelnd: „Und ich lebe noch.“
Im Oktober 1941 starb ihr Vater. Ihre Mutter bekam keine Rente, und Wohlfahrt wollte sie nicht. So ging Sophie nach Hause und sorgte für die Familie. „Nach dem Tod von Vater lebten meine Mutter und wir Kinder auf, denn Vater war zu streng gewesen und hatte oft die Peitsche gebraucht; er war ungerecht und hysterisch-krank gewesen.“
Doch ihre Mutter habe ihn nicht im Stich gelassen. „Sie war eine Kreuzträgerin. Von ihr haben wir viel Gutes gelernt.“ Von ihr behielt sie das Dienen bis zur Selbstaufgabe.
Sophie Willems nahm verschiedene Stellen an und bezeichnete sich offen als „Ata-Girl“, Waschfrau und „Parkettkosmetikerin“, morgens war sie in der Stadt, mittags bei der Mutter, nachmittags beim Bauern. „So verdiente ich genug, um den Haushalt zu bestreiten. Sogar die Marken für die Rente klebte ich.“
Nach dem Krieg brachte sie gemeinsam mit ihrem jüngsten Bruder das Haus wieder in Ordnung. Es hatte von Bombeneinschlägen eine Menge abbekommen. „Wir hatten viel Mut und Kraft, diese Zeit zu meistern. So vergingen meine Jugendjahre.“ Ihre vielen Geschwister, die in Stellung waren, kamen sonntags nach Hause und brachten ihre verschlissenen Sachen mit, dann wurde aus zwei Hosen oder Jacken eine einzige gezaubert.
Sie versorgte die Hühner, Kaninchen und Schafe. Die Wolle wurde abgeschoren, „und ich habe sie versponnen. Später bezahlte ich meine Trauringe mit sechs Strang schön gewaschener Schafswolle beim Goldschmied Sürgers in Kevelaer.“ 1947 hatte sie ihren Mann Heinrich kennen gelernt. Er machte sich an der Katstelle nützlich und half, sie zu renovieren: „So gewöhnten wir uns aneinander.“
Bereits 1961 erkrankte Hein Willems schwer. Einem Kreiskaufkollaps folgte ein Schlaganfall, er blieb linksseitig gelähmt und bot ihr die Scheidung an: „Jetzt bin ich nichts mehr wert.“ Sie sagte: „Du bekommst von mir den letzten Löffel Papp.“
Sie pflegte ihn und war immer für ihn da. Sie sorgte dafür, dass er ein zeitintensives Hobby, das Basteln, pflegen konnte, betreute nebenher eine gelähmte Frau und wurde 1968 selbst schwer krank. Sie hatte eine kinderkopfdicke Geschwulst an der Gebärmutter. Nach der Operation änderte sich ihre Lebenseinstellung. „Ich nahm mir vor, nur noch ehrenamtlich etwas für meine Mitmenschen zu tun. Und ich bekam sehr viel zu tun.“
Sie erlitt Unfälle mit schweren Verletzungen. 1978 fuhr sie mit ihrem Mann nach Lourdes. Es sollte die erste von sehr vielen Reisen werden. „Dort habe ich so richtig erfahren, was die Malteser leisten, eine unbegrenzte Bereitschaft.“
Büttenreden bis 1986
Die bewies sie drei Jahre später erneut selbst, als die Geselligen Vereine in Winnekendonk eine Kappensitzung für behinderte Menschen ausrichteten. Sophie Willems hielt ihre erste Büttenrede. „Und bis 1986 durfte das Publikum über mich lachen“.
Die Verbindung zu behinderten Menschen war geschaffen. Bis 1996 organisierte und leitete sie mit hohem Engagement das Blumenfest für die „Fraternität der Behinderten und Kranken“. Im Jahr zuvor war nach 48 Jahren Ehe und 34 Jahren intensivster Pflege ihr Mann gestorben.
Sophie Willems sagte einmal eindringlich, so, als müsse sie es sich selbst versichern: „Ich darf gar nicht an alles denken, aber ich bin immer glücklich gewesen.“ Und dann: „Ich habe aus meinem Leben etwas gemacht. Da freu´ ich mich drüber“.
Sophie Willems wurde 86 Jahre alt.