Schweigen sei Zustimmung

Knapp 50 Personen hatten sich im Goldenen Löwen eingefunden, um den Ausführungen von Klaus-Peter Hufer zum Thema „Argumente gegen Stammtischparolen: Populismus aus der Mitte der Gesellschaft. Wie kann man kontern?“ zu folgen.
Unter den Zuhörern befanden sich auch die sieben Mitglieder der Gruppe „Wir stehen auf“, die zu dem Abend eingeladen hatte. „Wir wollen hier erfahren, wie man gegen Stammtischparolen vorgehen kann“, begrüßte deren Mitbegründerin Brigitte Middeldorf die Anwesenden. Jeder habe schonmal die Situation gehabt, dass man rassistische Sätze höre, aber gar nicht wisse, wie man in so einer Situation reagieren soll. „Ich hoffe, dass Sie mit neuen Erkenntnissen und Anregungen nach Hause gehen“, gab sie sie das Wort an Hufer weiter.
Er kläre seit über 30 Jahre über rassistische Tendenzen und Stereotype auf, erläuterte der Professor, der an der Fakultät für Bildungswissenschaft an der Uni Duisburg/Essen tätig ist. Seine Seminare waren schon in den 80er- Jahren vom Bundesinnenministerium zum Modell im Kampf gegen Rassismus erklärt worden. Die Arbeit habe sich mittlerweile über Deutschland, die Schweiz und Österreich weiterentwickelt. Mittlerweile gäbe es 40 Personen, die in Deutschland, Österreich und Schweiz jährlich an die 1.000 Veranstaltungen dieser Art abhalten würden.
Hufer ging in Kurzform die wesentlichsten Aspekte seines Tagesseminars durch und bezog dabei die Anwesenden in die Diskussion mit ein. Dabei lobte er ausdrücklich die Kevelaerer Initiative.
Zum Einstieg nannte er das Beispiel eines Professors, der auf der Zugfahrt die rassistischen Äußerungen zweier älterer Frauen anhört, aber nicht sofort einschreitet. „Beim Aussteigen sagte er dann zu den Damen: „Sie haben einen Preis gewonnen- den für die Fähigkeit, zwischen zwei Stationen soviel Unsinn erzählt zu haben.“
Das sei zwar nicht die perfekte Reaktion, weil er nicht mit den Frauen diskutiert habe, führte der Professor aus. Der Applaus bei dieser Bemerkung habe aber gezeigt, dass es richtig sei, solche Äußerungen nicht unwidersprochen stehen zu lassen. Anhand von Karikaturen und Artikeln aus der Zeitung und Plakaten versinnbildlichte er, welche Stereotypen und Vorurteile in der Gesellschaft gepflegt und vermittelt werden könnten. Äußerungen wie „Ich habe nichts gegen Ausländer, aber…“, „Schmarotzer raus“ oder „Man wird ja noch was sagen dürfen“ bildeten die „Einflugschneise“ für das Einsickern rassistischer Begriffe in den Alltag.
Hufer schlug den Bogen zu aktuellen rechtspopulistischen Publikationen, in denen mit dem Konterfei der Kanzlerin Angela Merkel die Schlagzeile : „Terrorists welcome“ im Rahmen der Flüchtlingsdebatte verknüpft würde. Natürlich bediene diese neue Rechte auch Vorbehalte gegen Homosexuelle und arme Schichten mit Bildern wie: „Zu viele Arbeitslose drücken sich vor Arbeit“. Sie bediene Vorurteileund Ängste gegen Überfremdung. Und sie suggeriere einen „einheitlichen Volkswillen“, den es gar nicht gäbe.
Aber diese Rechte erschöpfe sich nicht mehr nur in platten Parolen, sondern bediene auch die intellektuelle Ebene. „Die afd hat die höchsten Intellektuellenquote im Bundestag, es gibt eine hohe Frequenz an Publikationen.“ Sie habe im Netz mehr Follower als alle anderen Parteien;: „Das ermöglicht soziale Mobilisierung.“ Klar sei aber auch: Die Globalisierung werde die Welt und das Land weiter verändern, so Hufer. „Es werden demnächst 200 Millionen Flüchtlinge weitweit zu erwarten sein, aus Klimagründen, die von hier aus verursacht werden.“ Anhand von Bildern der Fußball-Nationalmannschaften von 1974 bis 2018 machte er deutlich, dass Migranten heute zum Bild der Gesellschaft gehören.
Erfahrungen mit Rassismus
Offen fragte er in die Runde, welche Parolen die Anwesenden in ihrem Umfeld schon gehört haben. Da war von „Andeutungen“ im Sportverein die Rede. Eine Frau sprach von einem „Hakenkreuz“ in einer whatsapp-Nachbarschaftsgruppe, eine weitere von dem Kindergartenfreund des Sohnes, der zwei Nonnen mit Burkaträgern verwechselt hatte und sie als „Kanacken“ und „Bimbos“ bezeichnet hatte.
Angst spiele eine große Rolle, werde bewusst kultiviert, andere Informationen würden ignoriert. Begegnung und Kontakt seien da ein gutes Mittel. „Da , wo die wenigsten Ausländer wohnen, gibt es die größte Ausländerfeindlichkeit.“
In einer Art Rollenspiel wechselte er dann komplett die Per­spektive. Hufer nahm die Position eines Rassisten ein, der mit dem Stereotyp „Arbeitsscheue Sozialschmarotzer“ in Bezug auf Ausländer begann und Argumenten mit Stereotypen wie „Ich muss niemanden kennen, um das zu wissen“ oder „Die nehmen uns alles weg“ antwortet. „Haben Sie gemerkt, ich bin immer gesprungen“, machte er deutlich, dass das eine der Strategien der Leute sei, mit denen man dann diskutiere.
Die Zweifler überzeugen
Gut fünf bis sieben Prozent der Deutschen wiesen ein festgefügtes rassistisches Gedankengut auf. „Ich bin mir nicht mehr sicher, ob es Sinn macht, da zu argumentieren.“ Es gehe trotzdem aber um alle, die schweigen oder unentschieden sind und die Diskussionen verfolgen. „Die Zweifler sind die Adressaten.“
Gemeinsam mit den Anwesenden arbeitete er den Charakter von Stammtischparolen als „verkürzt, aggressiv, dogmatisch, generalisierend, herabsetzend“ oder „ausgrenzend“ heraus. Es gelte, auf diese Parolen differenziert und ohne Dogma antworten zu können.
Zentral waren dann seine zehn Tipps zum Umgang mit populistischen Parolen, von der Anregung, den Gegenüber nicht mit einer Argumentationsflut zu überziehen über das Nein zu einer Kategorisierung bis zur Suche nach Verbündeten. „Der persönliche Auftritt ist nicht zu unterschätzen“, so Hufer.
Und man müsse demokratische Alternativen anbieten. „Vorurteile werden gelernt, können aber auch verlernt werden“, so seine Erfahrung mit Aussteigern aus der rechten Szene. Schweigen sei Zustimmung, verdeutlichte Hufer. Das sei ein Impuls zur Gründung der Gruppe gewesen, sagte Marie-Luise Müller: „Es haben schon mal Leute zuviel geschwiegen.“
Die Anwesenden fanden die Ausführungen überzeugend. „Man kann nicht genug darüber wissen“, meinte Jorgos Tsichlakis. „Wir dürfen nicht aufhören, objektiv zu informieren“, mahnte Helmut Komorowski, dass die Politik die Bürger besser mitnehmen müsse und man zur Europawahl gehen soll. Und Mitinitiatorin Ingrid Jürgens hofft, dass sich mehr Mitstreiter für ihr Anliegen finden: „Wenn wir in Kevelaer ein Grundrauschen erzeugen wollen, sind sieben Leute zu wenig.“