Samstagmorgen fuhren sie

Bevor das erste Feuer in eine Ballonhülle drang und das erste Luftgefährt des Kevelaerer Ballonfestivals in den Himmel aufstieg, durften Daniela Klees und ihr Team von den „Himmelsriesen“ aus Südlohn erst einmal einen besonderen Moment erleben. Denn ihr schwarz-rot-weißer Ballon wurde vom Kevelaerer Wallfahrtsrektor Gregor Kauling für seine große Jungfernfahrt offiziell gesegnet. „Es ist alte Tradition, dass der Ballon getauft wird. Wir haben viel in der Hand außer dem Wetter. Da ist der Segen wichtig“, machte Beisitzer Wolfgang Gerster deutlich.
„Ich bin schon mal in Warendorf über das eigene Stadtgebiet gefahren, das war interessant“, verriet Kauling seinen Bezug zur Ballonfahrt aus seiner Zeit am früheren Arbeitsort. „Für gutes Wetter und um Katastrophen zu vermeiden“ mache es großen Sinn, sich Gott anzuvertrauen, meinte der Gottesmann. Dann taufte er mit Weihwasser den Ballon. „Eine Champagnertaufe kann ja noch folgen“, scherzte er.
Die Champagnertaufe gab es zwar nicht, aber Daniela Kress stieß mit ihrer Mannschaft mit Sekt auf die Taufe an. „Die Welt von oben zu sehen, ist das Schönste, was es gibt.“
Schon früh am Freitag suchten dann die ersten Gäste die Fläche rund um das Ballongelände an der Hüls auf, um an dem sonnendurchfluteten Tag eventuell einen Ballonstart und vor allem das Ballonglühen bei Einbruch der Dunkelheit miterleben zu können. Der technische Leiter des Ballonfestivals, Michael Krämer, erläuterte nach dem Briefing der Ballonfahrer die Entscheidung, nicht in die Luft zu gehen: „Das Wetter ist fantastisch, aber wir haben starke Winde, die es unmöglich machen zu starten.“ Man stehe auf dem Platz relativ windgeschützt, aber an den Bäumen könne man es ein bisschen erkennen. „Wir haben Böen mit 20 Knoten, das sind umgerechnet 40 Kilometer pro Stunde.“ Allerdings machte er Hoffnung auf ein stimmungsvolles Ballonglühen und einen entsprechenden Ballonfrühstart am darauffolgenden Samstag gegen sechs Uhr.
Besonders freute er sich über die „wahnsinnig große Resonanz mit 32 Teams und elf Miniballon-Teams“, die in diesem Jahr am Start waren – und über die schöne Stimmung: „Siehst Du hier einen Menschen, der schlechte Laune hat?“, lautete seine Suggestivfrage. „So viele Ballone hatten wir noch nie“, war auch Bernd Pool vom Stadtmarketing bester Dinge.
Die Ballonfahrer, die an dem Abend noch nicht in die Luft gehen konnten, nahmen die Situation gelassen. „Wir freuen uns auf ein schönes Festival und schöne Fahrten“, zeigte sich Marina Henrichs von der Borkener Ballonsportgruppe entspannt. „Und für die Zuschauer hier ist das Glühen das definitive Highlight.“
Alle Anwesenden konnten sich kulinarisch auf diverse Art und Weise verwöhnen, ob am Bierstand, der mobilen Cocktailbar von Paulina Heilen und Ramona Kanders oder mit Gegrilltem und kühlen Getränken durch den „Wiesenwirt“ Heinz Kanders im Festzelt.
Der Meitinger Harry Roland wurde dort von Bernd Pool und der Volksbank an der Niers für die weiteste Anreise als Ballonfahrer mit einem Präsent geehrt. „Wir treffen hier Freunde, dafür ist uns kein Kilometer zu weit. Das ist das Wichtigste“, meinte der Schwabe. Und ein Ballonteam aus Belgien verfolgte mit Flagge das WM-Viertelfinale auf dem Laptop und jubelte über den 2:1-Sieg gegen Brasilien. Fußball stand mit einem Torwandschießen, einem „Speedkick“ für die Kids im Fokus – neben der nostalgischen Schiffsschaukel und der Ballhüpfburg.
„Es ist wichtig, dass es ein Event für die ganze Familie ist“, genoss auch der Kevelaerer Bürgermeister Dominik Pichler nach diversen Interviews mit dem WDR und dem lokalen Rundfunk mit einem seiner Söhne die Stimmung. Auch der Urlaubssender „sonnenklar TV“ übertrug das Event.
„Wir waren vor zwei Jahren hier, das war auch sehr schön. Aber es wirkt etwas kleiner und begrenzt durch die Baustellen“, fasste die Kempenerin Mirjam Klaas ihre Eindrücke zusammen. „Bei uns gibt es nicht so viele Highlights – das ist unser Familienausflug heute. Es wird viel für Kinder angeboten“, ergänzte die Weezerin Melanie Evers.
Viele der kleinen und „großen“ Kinder kamen dann auf dem an den Kran gehängten Miniballon immerhin zu einer kleinen „Ballonfahrt“ auf 45 Meter Höhe. „Man sieht ganz viel von der Stadt. Wir konnten sogar das Stadion, die Kirche und Rewe sehen“, war der siebenjährige Finn aus Winnekendonk begeistert.
Diejenigen, die am Abend gegen halb elf das Ballonglühen von dort aus wahrnehmen durften, erlebten ein sehr stimmungsvolles, farbenprächtiges Lichterspektakel. „Wir haben neun große Ballons mit Hülle, fünf ohne und einige Modellballone“, erläuterte Bernd Pool. Ganz nah dran durften die „Glühwürmchen“-Kinder – viele diesmal aus der vierten Klasse der Grundschule Overberg/St. Norbert.
Es gab dabei auch einen ernsten Moment: Pool erinnerte an den verstorbenen Ballonfahrer Bernd Landsmann, der von Anfang an das Kevelaerer Festival mittrug. Ihm zu Ehren lief der Udo-Lindenberg-Song „Stärker als die Zeit“.
Nach jedem Song gab es Beifall für die Fahrer, die zur Musik die Flammen in die Ballone oder in den Himmel aufstiegen ließen und so für eine fantastische Optik sorgten. „Einfach nur schön“, lautete das Fazit einer jungen Frau, die mit ihrem Partner das Glühen verfolgte. Ein Satz, der alles sagte.
Am Samstagmorgen verteilten sich die Ballonfahrer auf der Festivalwiese und der gegenüberliegenden Fläche, damit angesichts der Baustelle alle Ballone ausreichend Platz hatten, um sich auszubreiten und aufrichten zu können.
„Heute morgen ist relativ stabiler Nordwind und es werden so drei bis fünf Knoten Richtung Walbeck“, meinte der Moerser Helge Ringel, früher Mitinitiator des Moerser Ballonfestivals, der den Enni-Ballon mit seinem Team in die Luft brachte. Seine Mitfahrerin Barbara Haugland freute sich über die Gelegenheit, erstmals in die Luft gehen zu dürfen. „Traumhaft schön, das hat mir mein Mann zum Geburtstag geschenkt.“
Auch einige Frühaufsteher waren am Gelände, um das spektakuläre Schauspiel zu beobachten. „Sechs Uhr aufstehen ist schon hart, aber es ist schön zu sehen bei dem Licht morgens“, hatte sich Ursula Kersten mit der Fiets auf den Weg gemacht.
Nach und nach erhoben sich die 32 Heißluftballone majestätisch gen Himmel und sorgten für staunende Blicke bei den Menschen auf dem Boden. Einen besonderen Moment erlebte eine junge Frau aus Walsum auf 5200 Fuß Höhe: Ihr langjähriger Freund machte ihr über den Wolken schwebend einen Heiratsantrag.
Einen großen Wermutstropfen gab es am Samstagabend am Roermonder Platz. Dort war ursprünglich vorgesehen, die elf kleinen Modellballone aufzurichten und sie im Abendlicht glühen zu lassen. Aber leider erlitten die Ballone das gleiche Schicksal wie die großen Originale, sodass Modelle wie der „Kleine Aufsteiger“ oder der „Elefant“, die noch beim Abendglühen Tags zuvor zu sehen gewesen waren, hier nicht zum Zuge kamen. So packten die Ballöner ihre Sachen zusammen, fuhren zur Hüls auf die Ballonwiese und feierten mit den anderen die Ballöner-Party, zu der auch Festivalbesucher eingeladen waren.
Am Sonntag konnten die großen Ballone nochmal in den Himmel aufsteigen und Bernd Pool angesichts der „tollen Atmosphäre und der vielen Besucher“ auf der Hüls insbesondere am Freitag trotz der Widrigkeiten des Windes ein positives Fazit ziehen.

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