Ratsarbeit wird digitaler
Fast 100 Kilo Papier waren es, die zur Vorlage des Haushaltsentwurfs im vergangenen Herbst im Ratssaal auslagen, rund 500 Blatt für jedes der 38 Ratsmitglieder. Die Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und Fraktionen, aber auch die Arbeit innerhalb der Fraktionen erforderte bislang Unmengen an Papier. Seit Ende Oktober hat sich das schrittweise zu ändern begonnen.
„Wir haben in der Verwaltung eine Erweiterung zum Programm SDnet eingeführt“, erklärt Beate Sibben, Leiterin der Zentralen Dienste der Stadt Kevelaer. Die neue Software, die von zahlreichen Kommunen genutzt wird, verwaltet die vielen Dokumente, die zur Ratsarbeit gehören, in elektronischer Form. Alle Ratsmitglieder können damit ebenso wie die Stadtverwaltung die Unterlagen wie bei einem modernen E-Book-Reader bearbeiten: Lesen, Durchsuchen, Markieren, Kommentieren – all das geht am heimischen Rechner ebenso wie am Tablet von unterwegs. Nur Smartphones sind wegen der zu geringen Displaygröße ausgenommen.
Selbst der Austausch von Anmerkungen mit anderen Ratsmitgliedern – in der Regel wohl mit der eigenen Fraktion – ist auf elektronischem Weg direkt aus dem Programm heraus möglich. Damit die Unterlagen auch während der Sitzungen verfügbar sind, wurde der Ratssaal extra mit WLAN ausgerüstet, das Sitzungszimmer soll folgen.
Aus Kostengründen müssen die Ratsmitglieder allerdings ihre eigenen Geräte verwenden, erklärt Sibben. „Die Nachfrage ist da“, freut sie sich über die Resonanz der Politiker. Zwar haben bislang nur vier Ratsmitglieder im Gegenzug die Unterlagen auf Papier abbestellt. Aber auch die, die derzeit noch zweigleisig fahren, dürften mittelfristig auf gedruckte Unterlagen verzichten, wenn sich das elektronische System bewährt hat, glaubt Sibben. Sie betont dennoch: „Jeder kann wechseln, keiner muss.“ Eine Einschränkung besteht jedoch: Wegen der wenigen Sitzungstermine, die sie betreffen, sind sachkundige Bürger bisher nicht für SDnet freigeschaltet – und sollen es wohl auch nicht werden.
Trotz der individuellen Geräte und unterschiedlichen Betriebssysteme, auf denen das System läuft, gab es bislang keine Probleme. „Nur vergessene Passwörter“, schmunzelt Sibben. Dazu trägt sicher bei, dass das Programm selbsterklärend ist und alle Inhalte mit wenigen Klicks oder Bildschirmberührungen zu erreichen sind.
Weitere Vorteile bietet die digitale Lösung beispielsweise dann, wenn es um Kartenausschnitte geht, wie beispielsweise bei Bebauungsplänen. Die können am Bildschirm bequem vergrößert werden und so mehr Details erkennen lassen. Und natürlich sind die digitalen Unterlagen schneller verfügbar als die Papierausdrucke, die mit der Post verschickt werden. Zwar gibt es mit dem Ratsinformationssystem schon seit 2014 ein Internetportal, in dem alle Unterlagen als PDF zugänglich sind – alle öffentlichen übrigens auch für Bürger. Mehr als Lesen ist damit aber nicht möglich.
„Aktuell ist App von SDnet vor allem ein Serviceangebot für die Ratsmitglieder“, sagt Sibben. „Aber wenn langfristig alle mitmachen, bedeutet es auch eine Kostenersparnis.“ Sibben und ihre Kollegen haben nachgerechnet, wieviel Papier dann gespart werden könnte: rund 200 000 Seiten pro Jahr – doppelt bedruckt.