Rat verweist Entscheidung über „Klimanotstand“ an Umweltausschuss

Bürgermeister Dr. Dominik Pichler hatte noch versucht, einen gemeinsamen Nenner zu finden. In einer Runde mit den Fraktionsvorsitzenden habe er „mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede“ ausgemacht. Dass es am Ende zu keiner Entscheidung darüber kam, wie die Wallfahrtsstadt künftig mit dem Klimawandel umgehen will, lag nicht etwa daran, dass sich die Ratsmitglieder nicht über eine Richtung einig wären. „Wir sind uns nicht einig über den Weg“, fomulierte es der Bürgermeister.
Die Idee, die wohl hinter dem recht lasch formulierten Antrag der Grünen an den Rat steht – die Stadt möge ihre Anstrengungen zum Klimaschutz intensivieren -, traf durchaus auf breite Zustimmung in den anderen Fraktionen. Doch schon bei der Formulierung des Titels „Kevelaer ruft den Klimanotstand aus!“ war‘s vorbei mit der Einigkeit.
Die Freien Demokraten halten den Notstands-Begriff mit Blick auf die Geschichte (Weimarer Republik, Machtergreifung der Nationalsozialisten, Diskussion um die Notstandsgesetze und den Eingriff in die Freiheitsrechte der Bevölkerung in den 1960er Jahren) für „untauglich, wenn nicht sogar vergiftet“. Die CDU-Fraktion sieht „Verbote und Bevormundungen, denen ein ,Notstand‘ Tür und Tor öffnet“ als „für die notwendige breite Akzeptanz einer klimagerechten Stadtentwicklung eher kontraproduktiv“. Und auch Dominik Pichler äußerte als Jurist seine Bedenken gegen den Begriff.
Keine Kompromisse

Dem vom Verwaltungschef erarbeiteten Kompromissvorschlag, der außer dem Wort „Notstand“ sowohl die Anerkennung eines menschengemachten Klimawandels, dessen Dramatik sowie die Absichtserklärung, Maßnahmen dagegen zu forcieren als gemeinsamen Nenner umfasste, und zu dem SPD und KBV ihre Zustimmung signalisiert hatten, wollten in der Fraktion der Grünen aber widerum nicht alle zustimmen. Und so machte CDU-Fraktionschef Paul Schaffers dem Hin und Her schließlich ein Ende, indem er die Verschiebung der Diskussion in den ohnehin zuständigen Umweltausschuss beantragte. Dem Antrag folgte der Rat mehrheitlich. Der Umweltausschuss tagt nach der Sommerpause am 13. September.
Bis heute liegen, in groben Zügen, folgende Forderungen öffentlich auf dem Tisch:
Die Grünen fordern, die „akute und gegenwärtige Gefahr für Mensch und Umwelt durch den Klimawandel“ solle „durch schnelles Handeln abgemildert oder sogar ganz abgewehrt werden. Bisherige Maßnahmen waren nicht besonders effektiv. Es müssen neue und teils radikalere Lösungen für die Probleme gefunden werden.“ Die Stadt solle vor allen Beschlüssen mögliche Auswirkungen auf das Klima prüfen. Geprüft werden sollen auch die klimaneutrale Energieversorgung von Neubauten sowie die Einstellung eines/einer Mobilitätsmanagers/managerin.
Die CDU hat nach eigener Auskunft gerade einen 7-Punkte-Katalog erstellt, „der eine differenzierte Betrachtung in den Vordergund stellt.“ Laut Fraktionsgeschäftsführerin Dr. Jutta Bückendorf wolle man damit „konkreter ansetzen, in eben den Bereichen, wo wir als Einzelne und als Stadt unseren Teil beitragen können.“
Die KBV fodert die Erstellung eines Klima- und Umweltstatus‘ durch die Klimaschutzmanagerin und sieht in dem jährlich erstellten Klima- und Umweltbericht ein „geeignetes Mittel“ für Rat und Verwaltung, „um den Auswirkungen des Klimawandels, soweit dies überhaupt kommunal möglich ist, entgegenzuwirken“.
Die FDP fordert „unmittelbar nach der Sommerpause eine Task-Force ,Klimaschutz‘ einzurichten, die dem Rat regelmäßig Bericht erstattet. In dieser sollen alle relevanten Abteilungen der Verwaltung sowie der Stadtwerke beteiligt werden und Konzepte entwickelt werden, wie in Kevelaer Energie noch effizieter genutzt werden kann, wie Emissionen reduziert und wie zukunftsgerichtete Mobilitätskonzepte konkret in Kevelaer umgesetzt werden können.“
In ihrer Stellungnahme zum Antrag der Grünen im Rat zählt die Stadtverwaltung einige Maßnahmen im Zuge eines nachhaltigen kommunalen Klimaschutzes auf:
„Die Wallfahrtsstadt Kevelaer hat bereits eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, die zeigen, dass man sich der Bedeutung und Verantwortung um das Thema Klimaschutz bewusst ist:
– In 2001 wurde ein nachhaltiges Stadtentwicklungskonzept 2015 mit Bürgerbeteiligung ausgearbeitet, u.a. für Verkehr, Mobilität
– Grundwasserschutz durch Kooperationsvereinbarung mit den Landwirten und Garten- und Landschaftsbauern seit rd. 25 Jahren (Reduzierung der Nitratwerte)
– Errichtung von Photovoltaik-Anlagen auf städtischen Gebäuden
– Beteiligung an der Bürgerenergie Schwarzbruch-Nord GmbH & Co. KG und der Bürgerwind Kevelaer GmbH & Co. KG (Windenergie)
– seit 2009 nimmt die Stadt am European Energy Award teil; in 6 Handlungsfeldern wird das kommunale Energiesystem (umfasst nicht nur die Verwaltung, sondern die gesamte Stadt) un-tersucht und Verbesserungen ausgearbeitet
– seit 2009 gibt es ein Energiemanagement für die kommunalen Verbräuche von Wärme, Strom, Wasser und Treibstoff. Ebenfalls wurde eine Energiemanagerin eingestellt
-Erarbeitung des Klimaschutzkonzeptes (in 2015-2016) in Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro, dem Energiebeirat und Bürgern. Ebenfalls wurde eine Klimaschutzmanagerin eingestellt zur Umsetzung der Maßnahmen des Klimaschutzkonzept
– Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED
– Errichtung von Ladesäulen für Elektrofahrräder und –autos
– Unterhaltung des Bürgerbussystems
– Einrichtung eines Biodiversitätsberaters für Landwirte zusammen mit Geldern, Straelen und Nettetal im Rahmen von LeiLa (LEADER)
– Bereitstellung von Informationen zur Sanieren von Wohnhäusern durch das Web- und Veranstaltungsangebot AltBauNeu
– Maßnahmen an der Gebäudehülle (Fassade, Fenster, Dach) an städtischen Gebäuden im zweistelligen Millionenbereich z.B. Schulzentrum, Konzert- und Bühnenhaus, Heizungen der Grundschulen
– Verzicht auf Plastik bei städtischen Veranstaltungen.“
Dazu: KB-Plus, Mediathek: Pichlers PolitikPanorama, in der Playlist der unterste Beitrag