Provokation und Beleidigung

Die Vorkommnisse im Deutschen Bundestag am vergangenen Mittwoch, bei der von zwei AfD-Abgeordneten eingeladene Gäste Abgeordnete auf den Fluren bedrängt haben sollen, haben bei einer Aktuellen Stunde des Deutschen Bundestages am Freitagmorgen, 20. November 2020, hohe Wellen geschlagen.

Alle Fraktionen verurteilten das Verhalten der AfD-Gäste und die Art und Weise, wie die AfD grundsätzlich mit dem Parlamentarismus umgehe, aufs Schärfste. In die Debatte griff dabei auch die frühere Bundesumweltministerin und SPD-Abgeordnete für den Kreis Kleve, Barbara Hendricks, ein.

„Wir hatten eine Fülle von Herausforderungen zu bestehen, die wir nicht immer einstimmig vorangebracht haben, aber doch in einem prinzipiellen Einvernehmen darüber, was der Wert einer Demokratie ist und wie man sich in diesem Hause sowohl arbeitsmäßig als auch persönlich verhält“, führte die 68-Jährige dabei aus.

Seit 2017 habe sich aber „nicht nur die Arbeitsweise, sondern auch die Atmosphäre in diesem Haus grundlegend gewandelt, und das liegt daran, dass die AfD als Fraktion Mitglied dieses Parlamentes werden konnte“, machte Hendricks deutlich.

„Wir wissen das, aber wir wollen uns daran nicht gewöhnen. Wir wissen, dass Sie insbesondere Kollegen, die in Ihrer Nähe sitzen, beleidigen, so dass die Kollegen das hören, es aber nicht im Protokoll aufgenommen werden kann“, unterstrich die SPD-Politikerin.

Mitglieder der Bundesregierung könnten es fast nicht mehr aushalten, „in Ihrer Nähe zu sitzen wegen der provokanten Äußerungen, die wiederum aus Ihren Reihen kommen, aber die nicht im Protokoll auftauchen, weil sie nicht so laut gerufen werden.“

Verachtung gegenüber dem Parlament

Unter lautstarken Zwischenrufen, die zu einem zweimaligen Ordnungsruf des AfD-Politikers Armin-Paul Hampel durch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble führten, sagte Hendricks: „Wir wissen, dass in Ihren Reihen Nazis sind und wissen, dass in Ihren Reihen Menschen sind, die so tun, als seien sie Nazis, um der Provokation willen. Bis hin zur Körperhaltung einiger Mitglieder Ihrer Fraktion wird hier provoziert, dass man dieses Parlament verachten will.“

Dieses Verhalten legten nicht nur die Abgeordneten der AfD an den Tag. „Was Sie nicht selbst erledigen, lassen Sie durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erledigen, die Sie ganz offenbar unter dem Gesichtspunkt auswählen, wer denn wohl der Skrupelloseste sei.“

Kolleginnen aus anderen Fraktionen trauten sich nicht mehr abends spät auf den Fluren unterwegs zu sein, „weil sie von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihrer Fraktion oder von Mitarbeitern von Abgeordneten Ihrer Fraktion bedrängt werden.“

Hendricks zitierte eine nicht schriftlich dokumentierte, aber ihr gegenüber glaubhaft versicherte Bemerkung, die von dem Mitarbeiter der AfD-Fraktion oder eines AfD-Abgeordneten gegenüber einer Person, die dort ein vegetarisches Gericht bestellt habe, in der Kantine gefallen sein soll: „Euch kriegen wir auch noch, Ihr Körnerfresser.“ Das sei „eine Bedrohung im strafrechtlichen Sinn“, so die SPD-Politikerin. „Sie machen dies alles, um dieses Parlament verächtlich zu machen. Ganz bewusst provozieren Sie“.

Hendricks zitierte zum Ende ihrer Rede den Staatsrechtler und Rechtsphilosophen Ernst Wolfgang Böckenförde. Dabei wandelte sie dessen Satz „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“  folgendermaßen ab: „Der freiheitliche demokratische Rechtsstaat ist gefährdet, wenn eine kleine, aber lautstarke Minderheit an diesen Voraussetzungen nicht nur nicht mitwirken will, sondern andere daran hindern will, diese Voraussetzungen unserer Demokratie zu stärken.“

Dies würden „die Demokraten in diesem Parlament nicht zulassen und wir wissen die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes an unserer Seite.“