Pastor Poorten: „Nicht fasten um des Fastens Willen“

Am Aschermittwoch beginnt die Fastenzeit oder, wie sie in der Kirche genannt wird, die Passionszeit. Pastor Andreas Poorten von der Pfarrgemeinde St. Antonius äußert sich zur Fastenzeit aus heutiger Sicht – zur Bedeutung von Verzicht. Er hält nichts davon, zu fasten um des Fastens willen.

„Das Fasten ist kein Selbstzweck. Es geht nicht darum, Höchstleistungen zu vollbringen, um die Waage nach unten zu bekommen oder anderen Menschen zu zeigen, wie selbstbeherrscht man ist. Es geht darum, dass man Zeit freimacht, sich Raum schafft, in dem man in sich hineinhört und seine Beziehung zu Gott überdenkt.“

Die 40-tägige Fastenzeit der römisch-katholischen Kirche ist als österliche Bußzeit bestimmt und dient der Vorbereitung auf die Feier des Todes und der Auferstehung Christi. Die Fastenzeit dauert von Aschermittwoch bis Gründonnerstag. Ab Karfreitag bis zur Osternachtfeier schließt sich das Osterfasten an, als Trauerfasten zum Gedächtnis der Passion und der Grabesruhe Christi und zur Vorbereitung der Taufe oder Erneuerung des Taufversprechens in der Osternacht.

Die Anforderungen der katholischen Kirche an die Fastenpraxis sind detailliert in der apostolischen Konstitution Paenitemini Papst Pauls VI. aus dem Jahr 1966 geregelt ist. Neben der Beachtung besonderer Speisegebote werden auch andere Formen der Askese und Buße empfohlen.

Poorten sieht darin aber nur einen Leitfaden. „Es gibt viele Möglichkeiten, sich für Gott empfänglich zu machen, das Geschenk Gottes, die Zeit der Gnade und Zeit der Rettung‘ (2. Korinther 6,2) zu nutzen. Das kann sein, indem ich weniger fernsehe, mal mein Handy aus der Hand lege oder mich bewusster ernähre. Es geht eigentlich nicht um einen Verzicht, sondern es geht darum, was ich tun kann, um meine Beziehung zu Gott zu verbessern.“

Die Gläubigen sind angehalten, das Gebet intensiver zu pflegen und vermehrt an Gottesdiensten und Andachten teilzunehmen. Ebenso sollen sie mehr Werke der Nächstenliebe verrichten und Almosen geben. Poorten: „Wenn ich dann in der Fastenzeit bewusst auf Dinge verzichte und das Geld, das ich dabei einspare, als Spende an Arme gebe, dann macht es Sinn zu verzichten und dann ist das Almosen mit dem besetzt, womit es sein soll – mit Liebe.“

Er verweist beim Fasten auf das Buch Jesaja 58,6f., wo Gott sagt, dass es nicht darum geht, in der Fastenzeit Trauergewänder anzulegen und nur Verzicht zu üben: „Löst die Fesseln der Menschen, die man zu Unrecht gefangen hält, befreit sie vom drückenden Joch der Sklaverei und gebt ihnen ihre Freiheit wieder! Schafft jede Art von Unterdrückung ab! Teilt euer Brot mit den Hungrigen, nehmt Obdachlose bei euch auf, und wenn ihr einem begegnet, der in Lumpen herumläuft, gebt ihm Kleider! Helft, wo ihr könnt, und verschließt eure Augen nicht vor den Nöten eurer Mitmenschen!“

Für Poorten geht es darum, aktiv zu werden, sich zu fragen, was kann ich tun, um mein Verhältnis zu Gott besser zu machen. Was kann ich tun, um meine Mitmenschen mit dem Blick der geschwisterlichen Liebe zu sehen. „Wenn ich meine innere Haltung ändere und die Zeit nutze, um Gott in mir Raum zu geben, dann hat Fasten und Verzichten auch heute noch Sinn, dann hat dies automatisch Konsequenzen für den Umgang mit anderen und mein Verhältnis zu Gott.“

Auch Pastor Andreas Poorten hat sich für die Passionszeit etwas vorgenommen. „Es gibt Zeiten, da lasse ich mich von Terminen jagen und finde keine Ruhe für das Gespräch mit Gott. Ich habe mir für die Zeit bis Ostern vorgenommen, wieder mehr zu beten, und ich werde in Exerzitien gehen.“

Fasten in der evangelischen Kirche

Das Fasten war in den evangelischen Kirchen lange unüblich. Die Passionszeit als Zeit des Fastens und der Buße zu sehen, dagegen wandten sich Martin Luther und die Reformatoren. Heute entdecken evangelische Christinnen und Christen das Fasten neu: als eine Möglichkeit, eine spirituelle Zeit zu gestalten, um Gott zu begegnen. Fasten bedeutet, freiwillig für eine gewisse Zeit auf etwas zu verzichten.

Vor Luther herrschte das Verständnis vor, mit Fasten könne man nicht nur für seine Sünden büßen, sondern sich auch ein besonderes Verdienst erarbeiten. Viele Menschen gingen zum Beispiel in Klöster, um freiwillig asketisch zu leben. Sie versprachen sich davon eine intensivere spirituelle Erfahrung und eine besondere Stellung bei Gott.

Gegen all das wandte sich Martin Luther in der Reformation mit dem Argument, dass der Mensch sich die Gnade Gottes nicht erarbeiten könne. Die frohe Botschaft des Evangeliums sei es, dass der Mensch die Gnade Gottes geschenkt bekomme. Frei von dem Gedanken, Gott etwas schuldig zu sein, nutzen heute auch viele Menschen in der evangelischen Kirche die Fastenzeit, um sich bewusst für Gott zu öffnen.