Ohne sie läuft nichts

Die Schausteller sind das Rückgrat der Kirmes / Kevelaer ist für sie besonders
Kevelaer. Seit 1999 leitet Sandra Voss das Kinderkarussel auf der Kevelaerer Kirmes. „Gegenüber dem Rathaus stehen wir“, erzählt die 48-jährige Kerkenerin, die von kleinauf mit dem Schaustellerwesen aufgewachsen ist. „Man wird da hineingeboren“, erinnert sie sich an ihre Zeit als Kind, als sie mit ihrem Vater schon auf der Kirmes der Marienstadt gewesen war. „Als ich neben Papa kassieren durfte, da fing es an. Und die Hausaufgaben habe ich immer im Kartenhäuschen erledigt“. Jede Woche eine andere Stadt, andere Leute, das hat die Schaustellerin früh geprägt. „Das ist einfach offener als andere Berufe.“
Kevelaer, das sei ein gutes Pflaster. „Dieses Miteinander, das ist einfach toll.“ Man spüre, wie sich alle dem Projekt verpflichtet fühlten, „ob nun die Geselligen Vereine oder die Bürger, das macht das Besondere hier aus.“
Ähnlich wie Voss ist auch Dirk Jan-ßen, Vorsitzender des Schaustellerverbandes Kleve/Geldern/Goch und seit 1995 selbstständig, zum „Schausteller-Nomaden“ geworden. „Ich bin nach der Schule in die Fußstapfen meines Vaters getreten“, erinnert er sich an die Anfänge. „Meine Eltern hatten erst mit einem Verlosungswagen angefangen, aber dann im Laufe der Jahre den Getränkestand dazugenommen. Heute mache ich keine Verlosungen mehr, nur noch Getränke.“ 90 Prozent der Touren finden am unteren Niederrhein statt – vom festen Wohnsitz Kleve aus.
Auch er empfinde dieses Besondere, „jede Woche eine andere Stadt, jede Woche neue Kundschaft und neue Charaktere kennenzulernen“. Deshalb sei das so ein facettenreicher Beruf, nicht nur von der technischen Seite her. „Denn überall sind die Gegebenheiten auf einem Platz  unterschiedlich.“
Jeder Kirmesplatz sei für sich ein kleiner Kosmos, „und hier in Kevelaer ist das sehr familiär und herzlich geprägt“, meint Janßen, ganz abgesehen davon, dass Kevelaer der Auftakt der Saison für alle ist und „die erste Kirmes am unteren Niederhein“, wo man mit den Kollegen zusammenkomme.
Seit der Nachkriegszeit hier
Denn hier bestehe die Kirmes „nicht nur aus Schaustellern, sondern aus Kevelaerern.“ Viele seien seit der Nachkriegszeit hier, deren Kinder und Kindeskinder „nachgewachsen“. Und man kenne viele Kunden einfach sehr genau. „Jeden Donnerstag kommt immer seit Jahr und Tag eine Gruppe Niederländer zu uns. Wenn die um 13 Uhr, 13.03 Uhr nicht da sind, frage ich mich: Geht es denen gut ?“
Auch logistisch sei Kevelaer ein super Standort: „Was braucht ein Schausteller? Platz, einen Wasserhydranten und Strom. Das klappt hier in Kevelaer alles hervorragend.“
Als „Alleinstellungsmerkmal“ sieht Janßen den Zusammenschluss der Geselligen Vereine in Kevelaer, die die Kirmes unterstützen. „Da machen  vom Pferdeverein bis zu den Schützen alle Vereine etwas für das Fest, mit persönlichem Einsatz.“ Entsprechend stehe das Festzelt der Geselligen Vereine mitten auf dem Kirmesmarkt. „Das ist deren klare Aussage: Wir gehören dazu, sonst ist die Kirmes kein Volksfest.“
All diese „Standortvorteile“ drückten sich alljährlich in den Bewerbungszahlen aus, ergänzt Heinz-Josef Theunissen, für die Stadt zuständig für die Kirmes. „250 Bewerbungen hatten wir, die alle nach Kevelaer wollten“. Jetzt seien es wieder 65 , „alte und bewährte, neue und attraktive“. Man sei sehr zufrieden mit den Schaustellern, habe selten Erfahrungen mit kurzfristigen Absagen, und gebe es die Notwendigkeit von Ersatzfahrgeschäften, könne man Rücksprache mit dem Schaustellerverband halten, die einem sagen könnten, wie zuverlässig die seien. So kann man sich auch kurzfristig helfen, wie jetzt, als eine Woche vor dem Start ein großes Fahrgeschäft wie der „Booster“ wegbricht: „Da haben wir schon etwas gezittert.“
In der Regel hat die Vergabe einen langen Vorlauf. Bereits Mitte des Jahres nehme man die Bewerbungen für das Folgejahr entgegen, Ende November sei Bewerbungsschluss, dann gehen die Verträge raus, so Theunissen. „Dann wird der WC-Wagen besorgt, der Wochenmarkt verlegt und ab dem 2. Mai alles aufgebaut, der Peter-Plümpe-Platz gesperrt.“
Die Planung müsse immer einen gewissen Spielraum haben, so Theunissen. „Das Riesenrad, das man 2015 auf dem Peter-Plümpe-Platz stehen hatte, ist da nicht so gut gelaufen, weil es sehr regnerisch war.“ Disco-Jet und Scooter, „das läuft immer“. Man müsse strategisch denken und schauen, wie die Schausteller ihre eigenen Routen planen. „Das hat sich alles eingespielt. Wenn ein Imbiss zum Beispiel aufhört, suchen wir gezielt nach was Anderem.“ So bleibe die Variabilität erhalten.
Wo sich alle drei einig sind: „Kevelaer, das soll ein Volksfest bleiben.“ Keiner wünsche sich eine künstliche Ballermann-Atmosphäre. „Es gibt Zehnjährige, die erstmals allein mit ihrem Kirmesgeld für zwei Stunden über den Platz ziehen“, so Janßen. „Da muss alles passen und alles gut möglich sein.“
Alexander Florié-Albrecht