Ohne die Kirche gäbe es keinen Karneval
„Ohne die Kirche gäbe es keinen Karneval,“ mit dieser Aussage fasste Dr. Gerhard Hartmann seine Ausführungen im Rahmen der Kevelaerer Glaubensgespräche zusammen. In der Hochphase der fünften Jahreszeit behandelte er den Zusammenhang zwischen Kirche und Karneval. Wie er ausführte, verdanken die närrischen Tage schon ihren Namen der Fastenzeit.
„Fastnacht“ etwa steht für die Nacht vor der Fastenzeit, „Fasching“ geht zurück auf Fast-Schank, also den Ausschank vor der Fastenzeit. Karneval leitet sich von den lateinischen Worten „caro“ (Fleisch) und „valere“ (Abschied nehmen) ab und verweist auf die letzten Tage vor der fleischlosen Fastenzeit. „Ohne die kirchlich gebotene vorösterliche Fastenzeit“, so der Theologe und Kirchenhistoriker, „gäbe es keinen Karneval.“
Wie er ausführte, gibt es in der Kirche zwei Fastenzeiten, die Adventszeit und die Fastenzeit vor Ostern. Beide dienen der Vorbereitung auf die Feste Weihnachten und Ostern. Sie sind von der liturgischen Farbe violett geprägt. Vor diesen kirchlichen Fastenzeiten hätten sich im Lauf der Zeit Tage der Ausgelassenheit etabliert.
Vor der Adventszeit war dies die Zeit zwischen dem 11.11. und dem Fest der hl. Katharina von Alexandrien am 25. November, das häufig mit Tanz gefeiert wurde. Während früher die Fastnacht nur der Tag vor Beginn der vorösterlichen Fastenzeit war, wurde die Fastenzeit um das Jahr 1091 aus insgesamt sechs Tage ausgeweitet, die auch die sechs „fetten“ oder „närrischen“ Tage genannt werden. Der Beginn dafür ist nun mit Altweiberfastnacht, gefolgt vom „rußigen Freitag“, dem „Schmalzsamstag“, dem „Rosenmontag“ oder „Blauen Montag“ und dem „Veilchendienstag“.
Fastnachtszeit und Fastenzeit, so Dr. Hartmann, könnten gegensätzlicher kaum sein. In der Kunst etwa stellte Peter Brueghel im Jahr 1559 die Fastnacht als fette Figur auf einem Fass dar und stellte ihr die magere, abgehärmte Personifizierung der Fastenzeit auf einem Kirchenstuhl gegenüber.
Die katholische Kirche folge der Zwei-Staaten-Lehre des hl. Augustinus, der den Gottesstaat dem Weltstaat gegenüberstellte und die Unvereinbarkeit beider Welten lehrte. Im Fasching herrsche das Reich dieser Welt, das jedoch nur kurz und vergänglich sei, mit dem Aschermittwoch beginne die Königsherrschaft Gottes.
Karneval und Fastenzeit würden durch das Gegensatzpaar Babylon und Jerusalem symbolisiert. Dass dieser Dualismus in der kirchlichen Praxis jedoch heute in den Hintergrund tritt und sich Freude am Leben und Kirche nicht ausschließen, führte Dr. Hartmann weiter an. Er verwies auf die Verkündigung der „frohen Botschaft“, des Evangeliums im Rahmen der hl. Messe und auf katholische Lebensfreude: „Wir können froh sein, dass wir froh sein dürfen.“
Karneval sei, so Dr. Hartmann, eine vorwiegend katholische Angelegenheit. Im evangelischen Glauben spiele der Fasching meist keine Rolle. Eine Teilnehmerin, selbst evangelischen Glaubens, bezeugte, dass ihr die Teilnahme am Fasching als Kind von den protestantischen Eltern immer verboten worden war.
Ende des 19. Jahrhunderts bezeugte auch der Mainzer Bischof Paul Leopold Haffner: „Ich halte den Karneval für eine höchst christliche und wahrhaft katholische Institution und würde fast eine Ketzerei darin sehen, wenn man ihn abschaffen wollte“. Mit einer regen Diskussion über Kirche und Karneval endete der Abend.