Ode an das Buch und das Leben

Schon im Programmheft fand sich ein mehr als deutlicher Hinweis dafür, dass die beiden  Aufführungen der Theater- und Musik-AG der Städtischen Realschule und der Gesamtschule Kevelaer-Weeze im Bühnenhaus etwas sehr Besonderes waren. „Wir wollen weiterführen, was Michael Cuypers an der Real- und Gesamtschule mit Begeisterung und Herzblut von Beginn an aktiv als Orchesterleitung unterstützt hat“, hieß es dort in dem Abschnitt „Musik“ mit Verweis auf den Tod des früheren Direktors. 

Und noch etwas kam schon in den Zeilen deutlich zum Ausdruck, „Der große Verlust von Michael Cuypers hat uns aber auch gezeigt, wie viele Schülerinnen und Schüler sich mit dem Projekt verbunden fühlen.“

Das drückte sich nicht nur darin aus, dass ein ehemaliger Schüler die Musiker unterstützte und der Schüler Luca Wuttke ein eigenes elektronisches Stück dazu verfasst hatte, sondern dass mit Levin Ripkens ein ehemaliges Orchestermitglied die Leitung desselben übernommen hatte. „Ich dachte mir, was passiert jetzt mit dem Orchester und dem Theater“, war seine erste Reaktion auf den Tod von Cuypers gewesen. „Er hat das Projekt jahrzehntelang verkörpert“, sagte Ripkens und es war für ihn selbstverständlich, da zu helfen.

Dementsprechend konnte man auch die Motivation spüren, die eigentlich jeden einzelnen der Akteure in diesem Jahr bei der Inszenierung von Cornelia Funkes „Tintenherz“ mit trug. Die Proben seien da schon „sehr emotional“ gewesen, beschrieb Hauptdarsteller Luca Wuttke die Gefühlswelt der Gruppe. „Er bleibt in unseren Herzen.“

Momente mit Michael Cuypers, die bleiben

Und Regisseurin Saskia Reinkens hatte eine besondere Anekdote beizusteuern: „In Xanten ist ihm in einem Antiquariat vor seinem Tod ein Drehbuch mit Bildern zum Film in die Hände gefallen, dass er mitnahm, damit die Schüler sich das angucken können. Das sind Momente mit Michael, die bleiben werden.“  Das Buch selbst zeige ja, „wie wichtig Erinnerungen und Geschichten sind.“

Dass das „Herz“ weiterschlägt – und auch das „Herz“ des Buches im übertragenen Sinne, machte die Tanzgruppe gleich zu Beginn der Aufführung mehr als deutlich. Sie ließ mit Händen und Klatschen das Herz „schlagen“ und bezog das Publikum aktiv ein. Später wiederholte sich dieses Motiv noch einmal – eine in dieser Vieldeutigkeit berührende Idee der Inszenierung. Und das Tanzensemble von Claudia Kanders überzeugte auch später mit Neon-Tanzeinlagen und starken Choreografien.

Vor dem Hintergrund des von Eva Tannhäuser, Ralf Lottermoser und Anke Brauers mit Helfern fabelhaft gestalteten Bühnenbildes entfaltete das Ensemble die wunderbar spannend dargebotene Geschichte von Mo (Luca Wuttke) und seiner Tochter Meggie (Ronja Diebels), der er aber nie etwas vorlesen möchte.

Großartige Darsteller: Foto: AF

Mit der Ankunft der Figur „Staubfinger“ (Anna Woyte), die vor dem bösen Capricorn warnt, gewinnt das Stück zunehmend an Dynamik und Komplexität der auftretenden Figuren. Gemeinsam mit der Großtante Eleanor (wunderbar kess von Fiona Marie Ehren verkörpert) versuchen sie zu flüchten.

Als Capricorns Schergen (stark: Leonard Davies-Garner als „Basta“ und Hezar Hajraschid als „Flachnase“) plötzlich auftauchen, um das „Tintenherz“-Buch mitzunehmen, wird nach und nach erkennbar, dass Mo derjenige ist, der Geld oder auch Figuren aus Büchern „herauslesen“ kann. 

Aus Büchern herausgelesen

Deutlich wird das, als er in Capricorns Gegenwart aus der „Schatzinsel“ und „1001 Nacht“ vorliest und einmal Gold und dann Figuren aus dieser Welt auftauchen. Denn er hatte Capricorn, Basta, Flachnase und Staubfinger aus dem „Tintenherz“ herausgelesen – und Meggies Mutter Teresa verschwinden lassen.

Die Familie vereint. Foto: AF

Später merkt Meggie selbst, dass sie diese Gabe besitzt, als sie die „Tinker Bell“ aus „Peter Pan“ quasi „hervorliest“. In Abwandlung des Originals löst das Ensemble das Stück dahingehend auf, dass der böse „Schatten“, den sie dann herbeilesen soll, die bösen Schergen zur Strecke bringt – nachdem der Autor des Buches auftaucht und das Ende des Buches umschreibt. Und die Familie mit Mo und Meggie wird durch die Mutter vereint.

Das Orchester trug mit sehr atmosphärischen Interpretationen von „Somooth criminal“ von Michael Jackson, „Memory“ aus „Cats“, „Alles brennt“ von Johannes Oerding als Ausdruck der Verzweiflung von Staubfinger über das Verbrennen der „Tintenherz“-Bücher und dem tollen „Zaubermotiv“ zu dem Gesamtbild der Aufführung bei.

Am Ende kamen alle Schaupieler, Beteiligten und Helfer mit auf die Bühne und Regisseurin Saskia Reinkens dankte allen für die gelungene Darbietung. Der kollektive Jubel des Ensembles hinter dem geschlossenen Vorhang verriet die Erleichterung. Und es galt das, was Michael Cuypers‘ Zwillingsbruder Joachim schon in der Pause gesagt hatte: „Es hätte ihm gefallen.“