Neues Stadt-Logo erntet Shitstorm

„Unfassbar schlecht.“ – „Bitte, bitte nicht!“ – „Möchte niemanden zu nahe treten, aber für mich sieht das aus wie eine Arbeitsaufgabe von Grundschülern.“ – „Mensch Kevelaer. Wie haben soooooooooooo viele kreative Menschen in der Stadt und in den Ortschaften und Ihr präsentiert uns das.“

Am gestrigen Donnerstagabend, 19. Dezember 2019, hat die Wallfahrtsstadt Kevelaer in der Sitzung des Rates ihr neues Logo präsentiert. Seitdem hagelt es in den sozialen Medien Spott und Kritik. Rund 50 Kommentare haben KB-Leser bislang abgegeben, an anderen stellen kommen über 100 weitere hinzu, drei davon positiv, drei neutral – der Rest irritiert bis entsetzt. Doch die Politik hat den Vorschlag bei drei Enthaltungen einstimmig gebilligt, die Verwaltung gibt sich begeistert.

Das Logo besteht aus einem blauen, stilisierten „K“, in der offiziellen Variante ergänzt um den kleinen Schriftzug „Wallfahrtsstadt Kevelaer“. Bürger, Vereine und Unternehmen sollen das „K“ ohne Schriftzug ebenfalls nutzen dürfen, Details dazu werden noch erarbeitet. Jörn Müller, der für die Agentur Benning, Gluth & Partner“ aus Oberhausen das Logo gestaltet hat, erläuterte den Entstehungsprozess. Man habe sich Kevelaer auf einer Karte angesehen und festgestellt, dass die Verkehrsachsen zu den Ortschaften in etwa ein „K“ ergeben. Als Farbe habe man sich am Stadtwappen orientiert und dazu als Schrifttype einen modernen Entwurf eines niederländischen Designers gewählt. Und fertig war das Logo.

Man muss Müller zugestehen, dass er nach dieser knappen Herleitung wenigstens kurz verlegen dreinblickte und nach Worten suchte. Immerhin hat die Agentur dem Vernehmen nach einen niedrigen fünfstelligen Betrag für ihre Arbeit erhalten. Kein „K“, sondern „runenhaft“ sei es, mit großem Marketingpotenzial, beeilt sich der Gestalter dann auch zu betonen. Inwieweit es bei der Findung dieses Entwurfs geholfen haben soll, dass Kevelaer in den vergangenen zwei Jahren seinen Markenkern herausgearbeitet und damit die Logofindung unterstützt habe, wie Müller noch lobte, blieb sein Geheimnis. Zumal sein Chef Martin Benning eingangs darauf hingewiesen hatte, ein Logo müsse keine thematischen Bezüge haben, sondern habe nur die Aufgabe, den Absender eindeutig zu identifizieren. Wer eine Google-Bildersuche nach „Logo K“ bemüht, dürfte Zweifel daran haben, ob dieser Entwurf dazu besonders geeignet ist. Stilisierte „K“s finden sich dort in jeder Form und Farbe. Unverwechselbar ist das jedenfalls nicht – oder um es mit einem weiteren Facebook-Kommentar zu sagen: „Erinnert mich irgendwie an das Logo von Kamp-Lintfort.“

An den Facebook-Kommentaren merkt man auch: Die Idee, dass die Geometrie des „K“ die Anbindung der Ortschaften symbolisiert, kann mancher durchaus gutheißen. Es kam nur niemand von alleine drauf – und so wird es den meisten Betrachtern gehen. Weitere Kritik entzündet sich daran, dass ein solches wohl auch ohne viel Geld für eine große Agentur zu haben gewesen wäre und dass die für Kevelaer typische Kreativität gänzlich fehle.

So leitet sich die Idee des neuen Kevelaerer Logos her.

So leitet sich die Idee des neuen Kevelaerer Logos her.

So ganz glücklich war man wohl auch im Rat nicht mit dem Entwurf, wenngleich das Abstimmungsergebnis anderes nahelegt. So kritisierte Willi Gerats (FDP), dass es als weitere Vorschläge nur vier einander sehr ähnliche und deutlich schlechtere Entwürfe gegeben habe – und somit keine echte Alternative. Sein Fraktionskollege Jürgen Hendricks kritisierte das Logo als geeignet für Merchandising, aber als nicht angemessen für das offizielle Logo der Wallfahrtsstadt Kevelaer. Und für die Grünen stellte Wolfgang Röhr klar, dass seine Fraktion uneinheitlich abstimmen werde, da das Logo Geschmackssache sei. Spürbare Begeisterung ob des neuen Logos sah man jedenfalls auch nicht in den Gesichtern der anderen Ratsfraktionen.

Bemerkenswert ist die Einschätzung von Hans-Josef Bruns, dem Wirtschaftsförderer Kevelaers, der den Logoprozess mitverantwortet hat. Er definierte gegenüber dem KB, was der Markenprozess als Kriterien für das Logo ergeben habe: „Menschlich, warm und emotional, nicht nur Wallfahrt, modern und zeitlos neu und frisch.“ Sein Fazit: „Das ist uns meines Erachtens mit unserem neuen Logo richtig gut gelungen.“ Den Abgleich dieser Beschreibung mit dem Logo möge jeder selbst vornehmen.

Eingebrockt hat sich die Suppe die Stadtverwaltung selbst. Die Entscheidung, einen Wettbewerb der Agenturen anhand formaler Eignung durchzuführen, anstatt an erste Stelle einen Wettbewerb der Entwürfe zu stellen, hat sich rückblickend als der Fehler erwiesen, vor dem das Kevelaerer Blatt früh gewarnt hatte. Warum nicht die Kreativität der Kevelaerer anzapfen und am Ende den besten Entwurf durch Profis ausarbeiten lassen? Was stattdessen passiert ist, ist offensichtlich: Die Agentur hat der Stadtverwaltung 18 Varianten präsentiert, aus der fünf Favoriten selektiert wurden – von denen vier dazu bestimmt waren, durchzufallen: Weil das nun offizielle Logo in der Testrunde mit mehreren Vertreten der Gesellschaft gut ankam – aber keiner der anderen vier Entwürfe – wurden in der Ratssitzung erst gar keine Alternativen mehr zur Abstimmung gestellt.

Man muss jedoch fair bleiben: Das neue Logo ist nicht schlecht. Es ist handwerklich solide, es funktioniert im Briefkopf wie auf T-Shirts oder in der Browser-Adresszeile. Ihm liegt eine nette Idee zugrunde und es hat – trotz vieler ähnlicher Logos – Wiedererkennungswert. Wo sich darin Kevelaers Markenkern wiederfindet oder die Kreativität der vielen hier lebenden Künstler, und ob solch ein Logo nicht auch billiger zu haben gewesen wäre – diese Fragen werden sich Stadtverwaltung und Ratsmitglieder aber gefallen lassen müssen. Oder um noch einmal die sozialen Medien zu bemühen: „Den Stau von Wido nach Kevelaer hätte man gegebenenfalls ja noch farblich einfließen lassen können.“