Musik als Weltsprache

Dass es bei Musicals nicht immer nur die lustigen oder die zu Herzen gehenden Solopartien sein müssen, die den Zuschauer eintauchen lassen in eine meist etwas überzogen bunt gezeichnete, aber dennoch irgendwie schwarz-weiße Welt, das hat der Theaterchor Niederrhein mit seinen Programmen in Kevelaer durchaus schon bewiesen. Dass es in der Partnerstadt Bury St. Edmunds mit „The Voice Squad“ einen Chor gibt, der diesen Beweis mindestens ebenso stark zu führen in der Lage ist, war für viele Kevelaerer neu. Bei zwei gemeinsamen Auftritten in der Wallfahrtsstadt konnte man sich am vergangenen Wochenende davon überzeugen, welche Qualität das bekommen kann.
Die Grundlagen sind irgendwie verwirrend: Der Theaterchor Niederrhein ist noch gar nicht so alt, andererseits aber Generationen übergreifend besetzt und setzt oft auf Klassiker in Form von Evergreens und Gassenhauern des Genres. Dass man daraus durchaus Programme machen kann, die ebenso unterhaltend wie intellektuell anspruchsvoller Natur sein können, haben die Sängerinnen und Sänger schon gezeigt.
In Engländ läuft‘s andersrum

In England läuft‘s dagegen irgendwie andersrum: Den Chor gibt‘s schon seit 25 Jahren. Aber die Mitglieder, die auf der Bühne stehen sind überwiegend sehr jung – zumindest war‘s so bei denen, die ihr Können in Kevelaer zeigen durften. Zwar kommen auch sie nicht ganz um Gassenhauer herum, etwa mit einer besonders entzückenden Mary Poppins an der Front, doch was ihre Auftritte besonders machte, waren die vielen hierzulande oft kaum bekannten Chorparts aus Musicals, Singspielen und Filmen. Zumindest dürfte man hier schon eine Weile suchen, bis man „Das scharlachrote Siegel“, „Songs for a new World“, „Copacabana“, „Into the Woods“, „Newsies“ oder „South Pacific“ zu sehen und zu hören bekommt.
Zwar ist auch eine Dreigroschenoper nicht unbedingt seicht, „Die Elenden“ ebensowenig, und dass „Wicked“ in beiden Chören starke Emotionen hinterlässt, spricht ebenfalls gegen eine oft vorgetragene Verweichlichung des Musical-Genres. Doch der Auftritt der Gäste aus der Partnerstadt öffnete eine neue Dimension, wenn nicht gleich mehrere: Einerseits in Richtung hier zu Unrecht wenig beachteter Stücke wie etwa „Dear Evan Hansen”, das in den Konzerten mit dem Song „You will be found“ für einen strahlenden Höhepunkt sorgte. Andererseits aber auch in Richtung wunderbarer Nachwuchstalente, die trotz ihrer Jugend mit einer solchen Selbstverständlichkeit auch schwierigste Passagen mit eindrucksvollem Ausdruck meisterten. Und schließlich wussten die Gäste mit hervorragenden Tanzeinlagen und einem sehr stimmigen Chorbild zu überzeugen.
Dass dies für beide Chöre gleichsam eine gute Erfahrung war, machten die zunächst zaghaften Annäherungen bei den Überleitungen schon deutlich. Zusammengeführt in einem Zugaben-Finale, bei dem sich alle an den Händen haltend zu einem gemeinsamen Chor vereinigten, ließ das erkennen, wie verbindend Chormusik auch in der heutigen Zeit sein kann, und wie sich gegenseitiger Respekt und gemeinsame Ziele lohnen können. Auch wenn die gemeinsame Probenzeit, geschuldet dem Termin am Ende der Sommerferien nun wirklich nicht der Rede wert war, waren Freude am Gesang und Anspruch hoher Professionalität bei dieser deutsch-englischen Begegnung besonderer Art wunderbar erkennbar.
Besuch in Bury

Es gab viel Applaus, Bravo-Rufe und eine Menge Kevelaerer, die an diesem Abend davon träumten, in zwei Jahren zum Jubiläum des Partnerschaftsvereins den Theaterchor Niederrhein auf seiner geplanten Reise nach Bury St. Edmunds zu begleiten. Einer davon war übrigens Bernd Pool, und der ist immerhin Vorsitzender des Vereins und könnte somit organisatorisch etwas zur Verwirklichung eines solchen Traumes beitragen.
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