Mit Zuversicht nach vorne schauen
Entspannt sitzt Jürgen Völlings mit seiner Frau Christel, seinem Sohn Björn und seiner Tochter Simona im Garten ihres Hauses am Drissenpaß und genießt eine Tasse Kaffee. „Hier hatten wir die ganze Zeit genug Platz, wir gehören ja zu den älteren Semestern“, schmunzelt der Mitbegründer der „Swingies“ und proklamierter Festkettenträger 2020 verschmitzt und blinzelt in die Nachmittagssonne.
„Da passt man halt mehr auf, auch wo die alle öffnen jetzt“, kommt das Gespräch gleich auf das Hauptthema dieser Tage: der Bewältigung des Coronavirus. „Wenn man nach Italien guckt oder nach Düsseldorf-Oberbilk, da konnte man hier am Niederrhein ja noch fast überall hin“, beschreibt Tochter Simona Mülders, die mit ihrem Bruder auch das Adjutanten-Duo bildet, den großen qualitativen Unterschied, den die Menschen hier im Gegensatz zu vielen anderen Regionen erleben können.
Für die Kontaktsperre fanden sich kreative Lösungen. „Wir fahren alle ein bis zwei Tage mit dem Wagen nach Winnekendonk zu den Enkeln und winken aus dem Auto“, erzählt der 69-Jährige.
Im Frühjahr, als Jürgen Völlings im Rahmen des Heimatabends zum neuen Kevelaerer Festkettenträger ausgerufen wurde, da war das Coronavirus noch kaum Thema. „Anfangs hab‘ ich noch gedacht, na ja, mal abwarten, das ist ja so weit weg.“ Dazu kam, dass der Heimatabend für die „Swingies“ als Verein und für die Völlings-Familie im Speziellen erstmal die Stimmungslage prägte. „Wir haben das alles aus eigenen Kräften gestemmt und nur positive Rückmeldungen bekommen“, schwingt in den Worten von Tochter Simona der Stolz darüber mit, wie gut der Verein gemeinsam funktioniert hat.
Danach brauchten die Beteiligten erst mal zwei bis drei Wochen Pause, wollten dann aber mit den Vorbereitungen auf die Kirmes voll durchstarten. „Da trafen sich hier schon 15 Frauen von den Swingies und aus der Nachbarschaft, um die Röschen fertig zu machen“, erinnert sich Jürgen Völlings. 400 Stück waren bereits fertig – „und dann war mit einem Mal Ende.“ Denn die Corona-Beschränkungen Mitte März zwangen die Beteiligten, die Situation neu zu betrachten. „Es hieß dann immer, wir müssen auf den Landesbescheid warten, was die Frage der Großveranstaltungen angeht“, erzählt Jürgen Völlings.
Sie wollen keine Menschen gefährden
Für die „Swingies“ war schon vor der endgültigen Entscheidung eigentlich klar, dass es unter diesen Umständen mit der Kirmes anno 2020 nichts werden kann. „Wenn nur ein Mensch in Gefahr kommt, verzichten wir auf Festlichkeiten“, spricht Christel Völlings allen Anwesenden aus dem Herzen. Dass so ein Schritt allen nicht ganz leicht fällt, liegt auf der Hand. „Das ist ja nach der Hochzeit und den Kindern das Größte, was es in Kevelaer zu erleben gibt“, unterstreicht die Bemerkung von Tochter Simona, wie verwurzelt die Familie in den Traditionen der Stadt ist.
„Es gab nicht ein Jahr, wo wir mit den Kindern nicht auf der Kirmes waren. Das ist das erste Mal seit über 40 Jahren“, sagt der proklamierte Festkettenträger. Und auch für den Verein stecken da ein ganzes Jahr Planung und Vorbereitung drin. „Die nächsten 14 Jahre haben wir nicht mehr die Chance, nochmal einen FKT zu stellen“, verdeutlicht Jürgen Völlings die Einmaligkeit, die für alle in dem kollektiven Aufbruch für die Kirmes bestand.
Und je näher es auf das eigentliche Datum zugeht, umso deutlicher wird natürlich, was schon im Vorfeld nicht passiert – ob es nun die Weinprobe bei Tenhaef ist oder die traditionelle Einladung von St. Marien zu Ostern zur Fußwaschung. „Der Sohn aus Bayern kommt nicht, der sich schon für die Kirmes angesagt hatte“, verweist Christel Völlings auf den familiären Aspekt.
Auch den traditionell guten Kontakt zu den Schaustellern kann man nicht mehr zusammen leben. Und man macht sich natürlich Gedanken, ob alte Weggefährten wie der 82-jährige Ferdi als Ältester in der Fanfarentruppe dann noch genauso aktiv mit dabei sind, weil man nicht weiß, was die Zeit bringt.
Die Hoffnung ist jetzt erst mal, dass das Festjahr 2021 für die „Swingies“ überhaupt festgezurrt wird – wenn die Corona-Lage das zulässt. „Ich habe mit Peter Tenhaef telefoniert. Es wird irgendwann eine Versammlung der Geselligen geben. Die muss das entscheiden.“ Und natürlich muss das dann im Einvernehmen mit den Vereinen stattfinden, die eigentlich für das Festjahr 2021 und danach vorgesehen sind – und für die sich das Ganze dann verschiebt.
Die Atmosphäre spielt eine große Rolle
Eine einfache Ehrung jetzt, bei der man „sich einfach hinstellt, eine Kette kriegt und fertig“, das wäre irgendwie nicht das Optimale, findet Björn Völlings. Denn zu dem ganzen Ereignis Festkettenträger gehöre irgendwie das gesamte Flair der Tage – wie der Moment, „wenn du an der Kirche stehst und die ziehen alle an Dir vorbei.“ Und auch wenn 2021 eine verspätete Feier wäre: „passen“ würde es für den dann 70-jährigen Jürgen Völlings in einer ganz besonderen Hinsicht. „Dann bin ich mit meiner Christel 50 Jahre verheiratet.“ Und es gäbe zwei schöne Gründe, fröhlich zu sein.