Mit dem Fahrrad an die Ostsee

Am 25. Mai 2019 werden acht Kinder im Alter von zwölf bis 13 Jahren in circa vier Wochen mit dem Fahrrad von der tschechischen Grenze bis an die Ostsee fahren. Die Leitung des Projekts „Das ganz große Abenteuer“ trägt Thomas Binn, Kevelaerer Filmemacher, Sozialpädagoge und Gründer des Vereins Zielpunkt Meer e.V.

Das Projekt wird unter anderem in Zusammenarbeit mit der Aktion Kindertraum realisiert, die einen Teil der Finanzierung übernehmen. Außerdem sind vier Schulen aus dem Kreis Kleve beteiligt, von denen jeweils zwei Schüler am Projekt teilnehmen: Collegium Augustinianum Gaesdonck (Schulleitung Doris Mann), Kardinal-von-Galen-Gymnasium Kevelaer (Karl Hagedorn), Gesamtschule am Forstgarten Kleve (Dr. Rose Wecker) und Lise-Meitner-Gymnasium Geldern (Dr. Achim Diehr).

Die Reise der Kinder wird von Thomas Binn und seinem Team für eine Kinodokumentation verfilmt.

Die Autobahn ist tabu

„Das Entscheidende ist, dass durch dieses Projekt gezeigt wird, dass es möglich ist, dass Kinder durch die Gegend fahren und sich selbst organisieren“, erklärt Karl Hagedorn. Thomas Binn möchte sich als Begleiter weitestgehend zurückhalten und nur eingreifen, wenn es notwendig ist. Die Kinder werden die ganze Zeit für sich selbst sorgen und die Planung übernehmen. „Eingreifen werde ich ganz klar, wenn Gefahren auftreten. Also die Abkürzung über die Autobahn wird‘s nicht geben“, lacht Binn. Die Kinder sollen auf der Reise die größtmögliche Freiheit bekommen. Es gibt jedoch eine große Regel: Die Gruppe darf sich nicht trennen.

Mit dem Projekt wolle man bei den Kindern am Ende der Kindheit einen Impuls setzen, erklärt Binn. Das Alltagsleben der Kinder sei vor einiger Zeit noch viel freibestimmter gewesen. Heute habe sich viel verändert. Der Radius, in dem sich die Kinder vom Elternhaus entfernt frei bewegen, sei von früher fünf Kilometern auf 200 Meter geschrumpft. Dem wolle man entgegenwirken.

Handys bleiben Zuhause

Ganz von den Eltern abgeschnitten werden die Kinder in den vier Wochen nicht sein. Auf dem Weg befinden sich zwei Postämter, an die die Eltern Briefe schicken können und von wo aus die Kinder Briefe zurück schreiben können. Smartphones bleiben Zuhause, erzählt Binn weiter. Auch für die Eltern kann diese Situation eine Herausforderung sein. Der Filmemacher erzählt lächelnd, was er den Eltern im Voraus mitgeteilt habe: „Bitte, bitte ruft nicht an, um mal eben zu fragen, wie es eurem Kind geht.“

Den möglichen Gefahren einer solchen Reise sieht der Projektleiter gelassen entgegen: „Wenn man Hilfe braucht, ist auch relativ schnell Hilfe da. Von daher gehe ich da entspannt ran.“

Thomas Binn betritt mit diesem Projekt kein völliges Neuland. Er meistert mit seinem Verein Zielpunkt Meer e.V. jedes Jahr Touren, bei denen bis zu 40 Jungen und Mädchen im Alter von zehn bis 14 Jahren mit ihren Betreuern ans Meer radeln.

Beim diesjährigen Projekt ist die Gruppe deutlich kleiner und zudem in viel höherem Maße auf sich selbst gestellt. Zunächst werden die Teilnehmer eine Strecke mit der Bahn zurücklegen, um vorerst eine Nacht in einer Jugendherberge zu übernachten. Anschließend folgt die Fahrt an die tschechische Grenze. Von dort aus geht es 1.200 Kilometer mit dem Fahrrad über den innerdeutschen Grenzweg bis an die Ostsee. „Es geht nicht darum, möglichst schnell möglichst viel Strecke zu machen. Der Weg ist das Ziel“, verdeutlicht Binn. Es sei nicht schlimm, wenn man die Ostsee nicht erreicht.

Zehn Euro pro Tag

Um die Kinder gut auf die Fahrt vorzubereiten, werden verschiedene Workshops organisiert: Wie repariere ich ein Fahrrad? Wie gehe ich mit meinem Zelt um? Und wie bediene ich eigentlich einen Gaskocher? Dies sind Themen, mit denen sich die Teilnehmer unter anderem vor der Reise auseinandersetzen.

Jedes Kind bekommt pro Tag zehn Euro Budget. Ob sie das Geld täglich oder jeweils in größeren Beträgen bekommen, und wann es ausgegeben wird, entscheidet die Gruppe selbst. Ein weiterer selbstständiger Schritt. „Wir sind sozusagen nur als pädagogisches Backup hinten dran“, erklärt Binn.

„Ich glaube, die Kinder, die dieses Projekt mitmachen, kommen gestärkt heraus. Für die Kinder ist es eine Wahnsinns-Chance“, wirft Ute Friese, Geschäftsführerin Aktion Kindertraum, einen Blick auf die Zeit nach dem Projekt „die Kinder werden in der Lage sein, ihre Träume zu verwirklichen – auch, wenn sie Unterstützung brauchen. Aber sie werden so gestärkt da raus kommen.“

Wie die Kinder ihre Reise meistern und ob das Ziel Ostsee erreicht wird, wird im März 2020 im Kino zu sehen sein. Dort wird der Dokumentarfilm zunächst gezeigt. Später wird er auch im Fernsehen ausgestrahlt.