Sie packen immer noch jede Woche ihre Arbeitsklamotten und Werkzeug in die Reisetaschen und starten ins Ahrtal. Auch wenn die Flutkatastrophe mehr als zwei Jahre zurückliegt: Längst sind die Schäden nicht beseitigt, Häuser noch unbewohnbar, Maschinen und Technik kaputt.

Deshalb machen sich aus ganz Deutschland regelmäßig insgesamt 550 „Elektro-Seelsorger“ auf den Weg. Sie reinigen technische Geräte, helfen bei Bauprojekten und Installationen.

Kerstin Würth und Norbert van der Koelen aus Kevelaer gehören von Beginn an zum Projekt. Nur wenige Tage nach der Flut waren sie zum ers­ten Mal im Katastrophengebiet. „Wir haben miterlebt, wie die Gruppe stetig wuchs“, erinnert sich Würth. „Jeder, der dazustieß, brachte sein Talent und neue Ideen mit.“

Das Angebot der Gruppe wurde immer umfangreicher und professioneller. Mittlerweile gibt es unter anderem Spezialisten für Elektrotechnik oder Sanitärin-stallation. „Aber auch der einfache Handlanger wird gebraucht.“

Es geht nicht nur um die wichtige praktische Hilfe, das erleben sie bis heute. „Es ist auch Seelsorge – daher der Name“, sagt Würth. „Es war sofort klar, dass wir auch Anlaufstelle für die Betroffenen sind, die ihre Sorgen loswerden wollen.“

Bei vielen sitzen der Schmerz über den persönlichen Verlust und die Angst vor der Zukunft tief. „Wenn jemand reden möchte, legen wir die Werkzeuge weg, hören zu und versuchen, ein wenig von dem Leid mitzutragen.“

Der Aufwand ist groß. Lange Fahrstrecken, geopferte Urlaubstage, schwere Arbeit. Gründe, im Engagement nachzulassen, seien das nicht, sagt van der Koelen. Dafür sei das Projekt zu wichtig. „Wir geben den Menschen dort ein Stück Zukunft und Heimat zurück, wenn sie wieder in ihre Häuser ziehen können.“

Zu nah sind die vielen Schicksale im Ahrtal an die Helfer herangerückt, als dass sie aufgeben würden, für die Menschen zu kämpfen. „Das wird auch schon mal sehr emotional und anstrengend für uns, weil wir das auch selbst verarbeiten müssen“, sagt van der Koelen.

Die Familie, die vor dem Nichts steht, hart um ihre Existenz kämpft und trotz riesiger Kraftanstrengung doch ihr Haus verliert, hinterlässt Spuren in den Herzen. „Dann gehe ich auch schon mal hier in Kevelaer zur Gnadenkapelle und zünde eine Kerze für die Menschen und manchmal auch für mich an.“
Energie geben aber auch das Gemeinschaftsgefühl und der große Dank, die sie im Ahrtal erleben. Die verschlammte Flasche Wein, die sie geschenkt bekamen, werden sie nie öffnen. „Sie soll ein Andenken bleiben“, sagt Würth.

Im Wohnzimmer des Paares in Kevelaer sind viele solcher Geschenke zu finden, die zeigen, was die „Elektro-Seelsorge“ für die Menschen im Ahrtal bedeutet. Etwa die Zeilen auf dem kleinen Zettel an der Pinwand: „Weil es nicht überall Engel geben kann, gibt es Menschen wie euch …“

Michael Bönte/kirche-und-leben.de

Der Ehrenamtspreis des Bistums und die Kevelaerer Elektroseelsorge(r)

Fünf Projekte haben den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Ehrenamtspreis des Bistums Münster und des Diözesankomitees Münster sowie von „Kirche-und-Leben.de“ erhalten – darunter auch ein Sonderpreis. Bischof Dr. Felix Genn und Komitee-Vorsitzende Brigitte Lehmann zeichneten am 17. September in der Friedenskapelle im Münsterschen Stadtteil Gremmendorf zum siebten Mal beispielhafte Initiativen aus – diesmal aus Kevelaer, Ennigerloh, Münster und Lette sowie eine bistumsweiten Initiative.

Die Gewinner freuen sich über ihre Auszeichnung. Foto: privat

Den ersten Preis, verbunden mit einem Preisgeld von 5.000 Euro, erhielten die „Elektro-Seelsorge(r)“ in Kevelaer. Seit der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 haben sie dort rund 300 Menschen, die nicht versichert waren, kostenlos die komplette Elektroinstallation in ihren beschädigten Häusern oder Wohnungen neu installiert. Darüber hinaus haben sie rund 3500 defekte Geräte repariert. Zudem war es ihnen ein Anliegen, mit einem offenen Ohr für die Geschädigten da zu sein.