Marc Buchholz hat in 13 Jahren viel bewirkt
An diesem Freitag wird der Erste Beigeordnete der Wallfahrtsstadt Kevelaer, Marc Buchholz, verabschiedet. Nach mehr als 13 Jahren sucht der Duisburger eine neue Herausforderung als Sozialdezernent der Stadt Mülheim an der Ruhr. Das KB sprach mit ihm über seine Zeit in Kevelaer und das, was nun kommt.
Kevelaerer Blatt: Herr Buchholz, erinnern Sie sich noch, wie Sie vor 13 Jahren nach Kevelaer gekommen sind?
Marc Buchholz: Ja, damals war Dr. Axel Stibi neuer Bürgermeister. Er suchte zwei Wahlbeamte, einen technischen und einen allgemeinen Beigeordneten. Ich war damals in der CDU-Fraktionsgeschäftsstelle in Düsseldorf und wurde von Axel Stibi und dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Stefan Janssen angesprochen. Wir haben schnell Gemeinsamkeiten festgestellt und schließlich wurde ich mit den Stimmen der CDU gegen einen Gegenkandidaten der anderen Fraktion zum Beigeordneten gewählt. Ich wollte immer aus der politischen Ebene heraus weiter Richtung Wahlbeamter. Die politischen Verhältnisse in Düsseldorf unter Oberbürgermeister Joachim Erwin waren sicher eine gute Schule.
Was erwartete Sie in Kevelaer?
Meine erste Aufgabe war direkt die Einführung des Offenen Ganztags. Ich kam am 1. Oktober 2005 nach Kevelaer und musste damit bis zum Sommer 2006 fertig sein. Unter Einbeziehung der Eltern habe ich damals einen Vorschlag erarbeitet und auf den Weg gebracht. Das hat viel dazu beigetragen, dass ich in Kevelaer gut angekommen bin und zeigen durfte, dass ich etwas vom Zusammenspiel zwischen Politik und Verwaltung verstehe. Der damalige FDP-Fraktionsvorsitzende Klaus Sadowski sagte in der Etatrede nach der Einführung des Offenen Ganztags: „Aus heutiger Sicht hätte die FDP den Allgemeinen Beigeordneten mitwählen können.“ Das hat mir gut getan.
Welche weiteren großen Aufgaben werden Ihnen in Erinnerung bleiben?
Die Umwandlung der Schullandschaft des Schulzentrums mit der Gesamtschule und dem Auslaufen der Haupt- und Realschule. In diesem Zusammenhang ist der viel zu früh verstorbene Schulleiter Michael Cuypers zu erwähnen, der großen Anteil daran hatte, dass die Realschule erkannt hat, dass sich das Schulsystem ändert und der mit der Verwaltung den neuen Weg gegangen ist.
Überhaupt ist das Schulzentrum in der näheren Umgebung einzigartig. Das liegt nicht nur an den modernen naturwissenschaftlichen Räumen, die sowohl Gesamtschule als jetzt auch das Gymnasium haben. Wir haben eine Vorzeigemensa, zwei große Turnhallen und bald zum Hallenbad ein Mehrzweckbad in unmittelbarer Nähe. Außerdem haben wir dort ein tolles Umfeld mit der Kleinfeldanlage, dem Jugendtreff und bald einem Skaterpark.
Investitionen in die Schullandschaft sind bei den Kevelaerer Politikern aber auch ein dankbares Thema, oder?
Ja, wir haben immer gemeinsam mit der Politik großen Wert darauf gelegt, nicht nur das Notwendige, sondern auch das Wünschenswerte zu machen. Da bin ich auch meinen Kollegen insbesondere aus der Kämmerei dankbar, dass das so gelungen ist. In Kevelaer geben die Leute für Bildung ihr letztes Hemd, das ist auch an den Grundschulen erkennbar.
Auch für Kindergärten und Tagespflege haben Sie Geld auftreiben können. Sind Sie mit dem Resultat zufrieden?
Wir haben zwei neue Kindergärten in der Stadt gebaut. Es gibt für alle Ü3-Kinder einen Kindergartenplatz – wenn auch nicht immer im Wunschkindergarten. Im U3-Bereich ist die Situation etwas anders. Hier werden oft auch Tagesmütter bevorzugt, weil sie oft zeitlich flexibler sind. Ich denke, Kevelaer muss sich nicht verstecken.
Ein viel diskutiertes Projekt in Ihrer Zeit ist das vorhin erwähnte Mehrzweckbecken. Ob dessen Nutzung so intensiv wird, wie erhofft, bekommen Sie jetzt nicht mehr mit.
Das Mehrzweckbecken wäre ohne den Bäderverein nie entstanden. Ich bin immer noch begeistert vom Bäderverein, auch wenn der mitunter etwas anstrengend ist, weil er viel einfordert. Aber er leistet eine sinnvolle, tolle und erfolgreiche Arbeit und man sollte ihm weiter zuhören und ihn unterstützen. Das gemeinsame Wassersportangebot wird eine wichtige Rolle spielen, um mit den Kursangeboten die Betriebskosten zu senken.
Vorhin sagten Sie, mit dem CDU-Bürgermeister Dr. Axel Stibi hätten Sie viele Gemeinsamkeiten festgestellt. In den letzten Jahren hatten Sie mit Dr. Dominik Pichler aber einen SPD-Chef.
Nach der letzten Bürgermeisterwahl hatten viele gemutmaßt: Jetzt gibt es eine große Auseinandersetzung. Das Gegenteil war der Fall. Ich kann Dominik in der Zusammenarbeit nicht hoch genug loben, die hat bestens funktioniert. Im Persönlichen haben wir nie einen Konflikt ausgetragen. Fachlich haben wir uns ausgetauscht und da habe ich respektiert, dass er der Bürgermeister ist und ich ihm zuarbeite. Wir haben nie unsere Parteimitgliedschaft in den Raum gestellt. Dominik ist ein toller Typ und ein guter Verwaltungsleiter.
Liegt das auch daran, dass Dominik Pichler durchaus nicht immer nach dem Parteibuch entscheidet?
Der jetzige Bürgermeister ist an der Sache orientiert. Er vertritt auch mal CDU-Positionen und hat eine eigene Meinung. Dominik hat mir viele, wenn nicht alle Freiheiten gelassen und wusste auch, wofür es Mehrheiten gibt. Eine Geschwisterkinderbefreiung vom Elternbeitrag wäre wünschenswert – das finde ich auch – aber wenn der Haushalt das nicht zulässt, ist das so. Das würde Kevelaer einen Großteil der 1,1 bis 1,2 Millionen Euro kosten – das ist nicht mal eben so durch Einsparungen möglich.
Mit den Bereichen Schule und Soziales dürften die Möglichkeiten des Haushalts für Sie häufiger ein Thema gewesen sein.
Ich bin sowohl Karl Aengenheyster wie jetzt Ralf Püplichuisen dankbar, bei denen ich die Pflichtleistungen nie habe erklären müssen und die immer der Kreativität des Beigeordneten haben folgen können. Ich habe viele Ideen mitentwickelt, wie übergreifende Finanzregelungen rechtlich möglich sind. So haben wir es beispielsweise geschafft, drei der fünf Schulsozialarbeiter aus dem Bereich der Stadt zu bezahlen.
Ich habe mich mit dem Kämmerer immer eng ausgetauscht und finde, es gilt dasgleiche wie im privaten Bereich: Ich kann nur das ausgeben, was ich habe. Das ist eine Haltung, die ich auch an meine neue Wirkungsstätte mitnehme.
Welche Projekte in Ihrer Zeit fanden Sie noch besonderes wichtig?
Da ist sicher das Mehrgenerationenhaus der Caritas zu erwähnen. Die Stadt hat daran zwar nur einen kleinen Anteil, aber die Bedeutung zeigte sich beispielsweise bei der Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. In Zusammenarbeit mit Caritas und Anna-Stift war eine richtige pädagogische Betreuung möglich, anstelle der Unterbringung in Sammelunterkünften.
Im Bereich des Jobcenter sollte man die Mensa noch mal erwähnen, mit ihren Ausbildungsplätzen für benachteiligte Jugendliche, aber auch für Erwachsene. Da danke ich dem SOS-Kinderdorf, dass es 2012 das Risiko mit eingegangen ist. Das ist eine tolle Geschichte. 2018 hat die Mensa 80.000 frische Essen zubereitet. Auch der Mittagstreff mit Holger van Elten und seinem Team ist ein Gelingungsfaktor, weil er das begleitet. Wir haben da die einzigartige Situation, dass Jugendhilfe und Schule so eng zusammenwirken, dass die Kinder von morgens bis in die Abendstunden betreut werden können, ich betone können, nicht müssen.
In Ihre Zeit in Kevelaer fiel auch die Flüchtlingsdebatte.
Das war eine Herausforderung für alle Kommunen. Ich hoffe, dass sich die Länder gegenüber dem Bundesfinanzminister aktuell durchsetzen, der drei Viertel des Etats dafür streichen will. Wir sind aus der Notlage heraus die Verpflichtung eingegangen, die Menschen unterzubringen und zu integrieren. Diese Aufgabe ist noch nicht abgeschlossen. Es kommen nicht mehr so viele wie 2015/16, aber um die, die da sind, müssen wir uns kümmern.
Aus meiner Sicht ist es sicher auch möglich, durch Anreizsysteme die Rückreise leichter zu machen. Viele wollen ja eigentlich zurück, aber haben dort oft nichts mehr. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass man den Sozialstaat nicht überfordern darf.
Gab es in den vergangenen Jahren auch Dinge, die Sie gerne gemacht hätten, aber nicht konnten oder durften?
Nein, eigentlich nicht. (überlegt) Höchstens im Baubereich die leidige Dacherneuerung der Kroatenturnhalle. Und ich wäre gerne mal Bürgerbus gefahren.
Wie haben Sie die Ausgliederung Ihres Fachbereichs an den Hoogeweg erlebt?
Ich war nicht unglücklich, dass wir am Hoogeweg eine Unterkunft haben finden können. Ich wäre sehr glücklich, wenn der Umbau der Virginia-Satir-Schule bewilligt werden würde. Hier haben alle Hand in Hand zusammengearbeitet, um den Antrag auf den Weg zu bringen. Die Entscheidung liegt jetzt bei der Bezirksregierung und dem Ministerium.
Welche Reaktionen gab es, seit bekannt wurde, dass Sie Kevelaer wahrscheinlich verlassen werden?
Ich habe in den letzten Wochen viel Wertschätzung erfahren und kann nicht leugnen, dass ich das genossen habe. Ich wusste zwar immer, dass man mit meiner Arbeit zufrieden ist und mir keine größeren Ausreißer untergekommen sind. Aber das habe ich auch einem super Team zu verdanken. Es ist wichtig, Mitarbeiter so zu pflegen, dass man sie behalten kann, indem man ihnen die Chance zur Weiterentwicklung gibt. Das ist eine Riesenherausforderung, gerade in kleinen Kommunen, wo ein Bereich manchmal aus einer Person besteht – Stichwort Wissensmanagement.
Welche zukünftigen Aufgaben hinterlassen Sie Ihrem Team?
Ein großes Thema ist sicher der mögliche Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz ab 2025. Da wird es auch um die Frage gehen, welche Standards für alle Kommunen gelten sollen. Kevelaer gibt derzeit etwa 460 Euro pro Kind und Jahr aus, in Mülheim sind es etwa 2000 Euro.
Wichtig ist auch die Rückkehr von G8 zu G9. Da gibt es zusätzliche Landesmittel für den Ausbau und man muss sehen, wie das sinnvoll ins Schulzentrum einfließen kann, um das Angebot noch besser zu machen.
Am Monatsende verlassen Sie Kevelaer. Was nehmen Sie mit?
Ich habe hier vieles erfahren und lernen dürfen, auch durch die räumliche Nähe zu meinen sachbearbeitenden Kollegen. Da habe ich viel mitbekommen, was mir in Mülheim durchaus helfen kann. Dafür bin ich dankbar. Ich hatte auch ein tolles Vorzimmer und diese Erfahrung mache ich jetzt auch schon in Mülheim.
Beeindruckt haben mich auch viele kleine Dinge, beispielsweise die ehrenamtliche Gruppe „Senioren aktiv“ oder auch die Kevelaerer Tafel. Es ist toll, dass es Menschen gibt, die sich für andere so engagieren.
In der Ruhrgebietsstadt Mülheim dürften Sie größere Herausforderungen erwarten als im ländlichen Kevelaer.
Die Sozialstruktur ist eine andere, das ist so. Ob im gleichen Maß Ressourcen aufgewendet werden, weiß ich noch nicht. Man muss das aber auch in Relation zur Verwaltung sehen: In Kevelaer waren zwei Mitarbeiter mit Altersarmut beschäftigt. In Mülheim sind es sicher mehr, aber dafür gibt es auch mehr Personen mit Ansprüchen. Die grundsätzlichen Themen sind die gleichen. Kinderarmut gibt es auch in Kevelaer. Da gilt es genauso, sie in Bildung und Teilhabe zu bringen, und bis auf ein paar Sonderförderungen für Ballungsräume gibt es dafür die gleichen Werkzeuge. Auf jeden Fall freue ich mich auf die Herausforderung.
Auch auf die Zusammenarbeit mit der Politik? Die SPD-Fraktion in Mülheim ist verärgert, dass der neue Sozialdezernent nicht aus ihren Reihen stammt.
Ich habe in den letzten Tagen den Fraktionsvorsitzenden der SPD bei einem Kaffee kennengelernt. Mein Eindruck ist, dass die SPD nach vorne gucken und sich mit den Realitäten abfinden will. Außerdem habe ich angeboten, dass ich in die SPD-Fraktion wie in alle anderen komme. Ich habe zwar ein Parteibuch, bin aber Verwaltungsmensch und berate alle Fraktionen. Und ich glaube, wenn sie mich kennengelernt haben, können sie mit mir genauso gut umgehen wie andere SPD-Politiker, wie mein Freund, der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link und wie die Parteien hier in Kevelaer es getan haben. In Kevelaer haben wir bei den Themen Schule/Kinder/Jugend/Familie Entscheidungen in der Regel mit großer Mehrheit in der Politik auf den Weg gebracht. Das zeichnet Kevelaer aus.
Was werden Sie in Mülheim vermissen?
Auf jeden Fall meine Kollegen, von denen ich mich wahrscheinlich gar nicht einzeln verabschieden kann. Ich werde versuchen, den Kontakt nach Kevelaer so weit mir möglich zu halten – zum Beispiel die Einladung zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft von Hansgerd Kronenberg, der als Ortsvorsteher und Kommunalpolitiker Vorbild ist. Nach all den Jahren gibt es ja auch den ein oder anderen persönlichen Kontakt. Wenn meine Zeit es erlaubt, werde ich auch mal nach Kevelaer kommen. Das ist nicht zuletzt meinem Neffen geschuldet, der ist vier. Mit dem Irrland hat die Familie Tebartz-van Elst etwas Tolles geschaffen, was wir aufsuchen werden.