„Macht die Augen auf!“

Evi (Athena Riegel), ihr Freund Stefan (Annika Schwartges) und Kai (Romina Höhn) sind in dem von der Theater-AG des Kardinal-von-Galen-Gymnasiums inszenierten Sabrina-Gabler-Stück „Endstation“ ein verschworenes Trio an ihrer Schule.
Was alle drei eint, ist ihre Rolle als Außenseiter in der Schule – von den „Angesagten“ um die coolen Handballer mit Alex (Cellina Hardt) als angeberischem Star werden sie offen verbal gemobbt, in Verlaufe des Stücks sogar tätlich angegriffen und erniedrigt.
Zwei Hippie-Mädels kommen zwar mit Evi in Kontakt, aber wollen den nur entwickeln, wenn sie sich von den beiden „Losern“ verabschiedet. „Die haben doch einen IQ wie eine Bockwurst“, sagt Jessica (Oliwia Puzik).
Und Kai mag seine Mitschülerin Britta (Monika Sodlanovska), die sich aber nicht aus dem Gruppenzwang herausbewegen kann – und wird dafür verprügelt, nur weil er mit ihr am Tisch geredet hat.
Richtig ernst genommen werden alle drei von niemandem – der Lehrer Becker (Sascha Koziol) ist überlastet „von sechs Schulklassen, von denen ich mir nicht mal alle Namen merken kann“ und lässt sich im Konfliktfall von den Sprachrohren der Klasse beeinflussen.
Die Schulpsychologin (Alexandra Beckedahl) spricht nach einem Gespräch mit Stefan von einem „frustrierten Jugendlichen“, der die Schuld immer bei den anderen sucht. Dabei hat er nur versucht, die anderen davon abzuhalten, seine Freundin zu betatschen. Eine Mitschülerin filmt das Ganze sogar mit dem Handy.
Und auch die Eltern, die im Dunkel aus dem „Off“ zu dem jeweiligen Jugendlichen sprechen, zeigen kein Verständnis für ihr Verhalten – so wie Evis Eltern, die sich „enttäuscht“ über das Fehlverhalten der Tochter zeigen, die aber eigentlich doch gar nichts getan an. Dabei werden die Jugendlichen isoliert im Scheinwerferlicht inszeniert wie Angeklagte, die vor Gericht stehen.
Ohne jegliche Unterstützung von irgend einer Seite, greifen die beiden Jungen Stefan und Kai schließlich zum Äußersten. „Wir machen der Sache ein Ende! Wir werden uns rächen, dann können Sie uns nicht mehr übersehen, uns schlecht behandeln. Sie sollen am eigenen Leib erfahren, was sie uns angetan haben“, sagen sie – und besorgen sich eine Pistole.
Dazu basteln sie sich Sprengstoff, stürmen in die Party für die Handball-Meisterschaft, erschießen einige Schüler. Stefan erschießt sich, und Kai nimmt den Jungen, der mit Britta kam, mit Sprengstoff mit in den Tod.
Am Ende verweigern die Überlebenden der Katastrofe, für die Taten mit in Haftung genommen zu werden. „Wir konnten es nicht verhindern“, sagen die Mitschüler, der Lehrer, die Psychologin.
„Jeder war zu feige, Verantwortung zu übernehmen“, bringt Evi den Kern des Stücks auf den Punkt. „Die Tat war ein Hilfeschrei in der Hoffung, dass sie es verstehen“, wandte sie sich direkt ans Publikum: „Und mal ehrlich: wie gut kennen Sie ihr Kind ?“
Seit dem Herbst vergangenen Jahres hatte die von Oliver Verheyen und Eva Cepok geleitete Gruppe nach einem Stoff gesucht, bis Weihnachten unter sechs Stoffen ausgewählt, danach die Rollen besetzt und geprobt.
Man habe bewusst auch mal so einen ernsten Stoff spielen wollen, „um Leute zum Nachdenken anzuregen“, meinte Luca Leuschner, der einen der „Angesagten“ spielte. „Bei uns gibt es so etwas so nicht, aber es gibt sicher Leute, die so sind.“
„Ich hab das angelesen und war sehr mitgenommen, weil es das in der Realität gibt“, gestand Eva Cepok, „bei jeder Probe ergriffen“ gewesen zu sein – und war es auch an diesem Abend. „Wir verurteilen Amokläufe – aber hier versteht man es.“
Gerade die Belästigungsszene habe man mehrfach proben müssen, weil das den Schülern schwer fiel. „Es war schwer, diese Rollen anzunehmen, weil das Stück so emotional ist und man selbst davon so betroffen ist“, meint Athena Riegel in der Pause.
Die Zuschauer zeigten sich von der sehr direkten und unmittelbaren Inszenierung beeindruckt. „Ich find´s genial – ich hab als Sozialpädagogin tagtäglich damit zu tun“, bezeichnete Birgit Heckens-Verheyen die Darbietung als „voll authentisch.“
Und der KvGG-Lehrer Marcel Robens drückte seine „hohen Respekt“ für die Leistung der Schüler aus und nahm die Botschaft des Stücks auf: „Mensch, macht die Augen auf !“ Damit so etwas wie in dem Stück beschrieben nie passiert.