Lernen und Lehren in Coronazeiten

Drei Wochen der Schulschließung waren zu Ende, dann folgten die regulären Osterferien. Herkömmlichen Unterricht haben die Schülerinnen und Schüler seitdem nicht mehr erhalten.

Diesen Zwischenzustand haben die Lehrer Jens Auerbach und Nicole Lücke vom Kardinal-von-Galen-Gymnasium zum Anlass genommen, aus verschiedenen Perspektiven auf das Lernen und Lehren der vergangenen Wochen am Kevelaerer Gymnasium zu schauen. Dazu haben sie stichprobenartig Kontakt mit Schülerinnen und Schülern, Eltern sowie Kolleginnen und Kollegen aufgenommen und leitfadengestützte Interviews und Befragungen durchgeführt.

Das Kardinal-von-Galen-Gymnasium (KvGG) hatte sich im Zuge der Corona-Krise dazu entschieden, über eine hauseigene Download-Lösung den Schülerinnen und Schülern das Unterrichtsmaterial zur Verfügung zu stellen. „In der Vergangenheit wurden in unserer Schule zwar verschiedene digitale Arbeits- und Kommu-nikationsplattformen diskutiert, jedoch stehen abschließende datenschutzrechtliche Bewertungen verschiedener Anwendungen durch das Ministerium für Schule und Bildung NRW noch aus“, sagt Schulleiter Karl Hagedorn.

Der Systemadministrator des KvGGs, Markus Pleger, ergänzt: „Während an verschiedenen Schulen überlastete Plattformen zum Ausfall führten, sind bei uns in den letzten drei Wochen nahezu zwei Gigabyte Datenvolumen stabil zur Verfügung gestellt worden.“

Tagesaktuell sorgen Pleger und seine Kollegin Stefanie Kröselberg dafür, dass die Lernaufgaben aller Kolleginnen und Kollegen des KvGGs für die Schülerinnen und Schüler abrufbar sind. „Die gewohnt unkomplizierte, direkte Kommunikation innerhalb des Kollegiums trägt auch in der aktuellen Situation dazu bei, dass wir Hand in Hand arbeiten können“, betont Kröselberg.

Sollte künftig vorerst kein Präsenzunterricht stattfinden dürfen, empfehlen die Schülerinnen und Schüler zur besseren Orientierung eine veränderte Systematik der im Download-Bereich zur Verfügung gestellten Lernaufgaben. Bei Schülern, Eltern wie Lehrern findet die organisatorisch praktikable Umsetzung des Homeschoolings nach Recherche der Lehrer jedoch insgesamt Zustimmung.

Damit liegt das Gymnasium auf einer Linie mit mediendidaktischen Konzepten in Zeiten von Corona: „Der technische Aufwand, den Schülerinnen und Schüler betreiben müssen, um an Aufgaben zu gelangen, darf nicht höher sein als der kognitive Aufwand, der nötig ist, um sie zu bearbeiten“, twittert beispielsweise der Mediendidaktiker Dr. Axel Krommer.

Kein Neuland für die Schule

Zugute kommt der Schule nach eigener Aussage in der jetzigen Situation, dass Digitales dort schon seit einiger Zeit großgeschrieben werde. Tablets wurden angeschafft und alle Lehrerinnen und Lehrer im Umgang mit dem Tablet im Klassenraum geschult. Der Einsatz von und Umgang mit digitalen Medien im Unterricht ist Teil des Medienentwicklungskonzepts, das mit schulinternen wie schulexternen Fortbildungsaktivitäten des KvGGs abgestimmt ist.

Wie die Befragung ergab, wird Unterricht in der Oberstufe teilweise in Online-Formaten fortgesetzt. Jedoch können nicht alle Schülerinnen und Schüler zu Hause uneingeschränkt auf Computer, Laptop oder Tablet zurückgreifen.

„Neben der Frage nach der grundsätzlichen digitalen Ausstattung ist nicht außer Acht zu lassen, dass neben Homeschooling zeitgleich Homeoffice der Eltern stattfinden muss und etwa vorhandene Endgeräte mit Eltern und Geschwisterkindern zu teilen sind“, sagt Annette Zirwes, Fortbildungsbeauftragte am Kevelaerer Gymnasium und Co-Leiterin des Fortbildungs-Kompetenzteams Kreis Kleve, die in der aktuellen Situation hilfreiche Tipps zur Nutzung digitaler Tools im Unterricht gab.

Lerninhalte über digitale Plattformen und Apps bereitzustellen, bildet nur einen Aspekt von erfolgreichem Lernen und Lehren in Zeiten geschlossener Schulen. Nach wie vor „ist es notwendig, den Schülerinnen und Schülern neben klar formulierten Aufgabenstellungen die Gelegenheit für Nachfragen sowie Rückmeldungen zu den bearbeiteten Aufgaben zu geben“, heißt es in den Unterstützungshinweisen des Landesinstituts für Schule NRW. „Dabei sind die Perspektive und die Anliegen unserer Schülerinnen und Schüler für eine eventuelle Fortsetzung der Lernprozesse auf Distanz besonders aufschlussreich“, kommentiert die stellvertretende Schulleiterin Christina Diehr.

Individuelle Bedürfnisse

Die befragten Schüler gaben an, die Lernaufgaben weitgehend selbstständig bearbeiten zu können. Um ihre Arbeitsprozesse effektiv einteilen zu können, wünschen vor allem die Schüler der höheren Jahrgangsstufen die Bereitstellung des wöchentlichen Workloads möglichst zu Wochenbeginn. „In den unteren Jahrgangsstufen hingegen benötigen die Schülerinnen und Schüler in der Regel mehr schrittweise Anleitung, weshalb hier aus fachdidaktischen Erwägungen heraus anstelle von Wochen- teilweise Tagesarbeitspläne eingesetzt wurden“, erläutert Erprobungsstufenkoordinator Marcel Robens.

„Natürlich ist es wichtig, das Lernen in allen Fächern fortzusetzen, gleichwohl berichteten Eltern unserer Fünft- und Sechstklässler von einem insgesamt hohen Arbeitspensum. Wir müssen in Zukunft mit Augenmaß berücksichtigen, dass eine heimische Schulstunde unter den aktuellen Bedingungen einer anderen zeitlichen Taktung folgt“, so Robens weiter.

Dass die Aufgaben unterschiedliche Komplexitätsgrade aufweisen, wurde in der Regel positiv eingeschätzt: Neben der Arbeit mit dem Lehrwerk kamen methodisch auch produktions- und projektorientiertere Aufgaben zum Zuge. Freiere Aufgabenformate förderten die Lernmotivation, insbesondere weitgehend selbstständig arbeitender Schüler. Damit freie Aufgabenformate aber nicht zu „Familienprojekten“ heranwachsen, stehen die Fachlehrerin oder der Fachlehrer für individuelle Nachfragen und Begleitung zur Verfügung.

Etwas zurückhaltend nutzten die Fünft- und Sechstklässler dieses Angebot der Kontaktaufnahme. „Sollte die Schulschließung weiter andauern, ist dieses Unterstützungsangebot unbedingt einzuholen“, richtet sich Schulleiter Karl Hagedorn da vor allem an seine jüngeren Schülerinnen und Schüler. Wie in Zeiten des Präsenzunterrichts wendeten sich die Schülerinnen und Schüler bei kleineren Rückfragen allerdings erst mal an ihre Klassenkameraden, womit ihnen, eigenen Angaben zufolge, meistens schon geholfen war.

#Sport- und Deutschlehrer Oliver Verheyen sieht das besondere Potenzial in der aktuellen Lehrsituation darin, mehr denn je die individuellen Lernleistungen seiner Schülerinnen und Schüler in den Blick nehmen und gezielte Fördermaßnahmen ableiten zu können. In einem sind sich Schüler, Eltern wie Kollegen allerdings völlig einig: Ihnen allen fehlt der Austausch in der direkten Begegnung. Dementsprechend lobt der Elternpflegschaftsvorsitzende Clemens Sieben nicht nur die „schnelle Einstellung auf den digitalen Unterricht“, sondern auch die „gute und ruhige Kommunikation.“

Die Elternschaft fühle sich gut, sachlich und zeitgerecht über aktuelle Entwicklungen informiert. Und sollte in der nächsten Zeit der persönliche Kontakt mit Schülern und Eltern weiter nicht möglich sein, liegen Pläne bereit, „die anstehenden Wahlen in der Mittel- und Oberstufe aus der Distanz durchzuführen, die wir zeitnah kommunizieren werden“, informieren Mittelstufenkoordinatorin Cornelia Kleff und Oberstufenkoordinatorin Monika Janßen. Die Hoffnung aller ist aber, dass man sich bald wieder in Gesundheit am Kardinal-von-Galen-Gymnasium wiedersieht.