Knie, Schulter, Hüfte – Dr. von Engelhardt im Porträt

»Knie, Schulter, Hüfte« – Den Chefarzt der Abteilung für Unfallchirurgie, Orthopädie und Sportmedizin am Katholischen Karl-Leisner-Klinikum auf diesen Dreiklang zu reduzieren, griffe gewiss deutlich zu kurz, aber der Melodik, mit der er diese drei Schwerpunkte seiner Arbeit auf einem Atembogen vorträgt, hört man deutlich die Begeisterung für sein Fach an, die einem schier unerschöpflichen Quell entspringen muss.

Langen Atem muss man auch haben, möchte man seinen vollen Namen einschließlich aller Titel und Prädikate in der ihm gebührenden Art und Weise vortragen: »Privatdozent Dr. med. habil. Lars Victor Baron von Engelhardt« – so wird ein jedes Türschild zur Sonderanfertigung. Letzteres war aber gewiss ein kleineres Problem, als für die insgesamt sechsköpfige Familie zu vernünftigen Bedingungen eine neue Heimstatt zu finden. Nach mehreren Anläufen funktionierte dieses in Kleve, wo sein ältester Sohn jüngst auch eingeschult wurde.

Kevelaer und Kleve sind die beiden Pole seiner Arbeit, ist doch der Schwerpunkt Orthopädie und Unfallchirurgie auf diese beiden Standorte aufgeteilt. Ein Team aus sieben Oberärzten und zwölf Assistenzärzten untersteht ihm, aber er macht deutlich, sich als »primus inter pares« zu verstehen, allem Gefälle an Rang und Erfahrung zum Trotz. Überhaupt spielt Menschlichkeit im besten Sinne für ihn eine große Rolle, kann sich fachliche Kompetenz doch nur dann entfalten, wenn die Kommunikation nicht gestört ist. Das betont er ausdrücklich für sein Verhältnis zum Patienten, dem es auf »Augenhöhe« zu begegnen gilt, als auch in der Zusammenarbeit mit seinem Team.

Stolz auf das Erreichte spürt man ihm an und das nicht grundlos. Studiert man seinen akademischen Werdegang, die Liste seiner Veröffentlichungen und bedenkt das absolvierte Pensum an Operationen, fragt man sich unweigerlich, was daneben noch Platz haben kann. »Workaholic« zu sein, gesteht er sich selbst ein. Nach Studium und Praktischem Jahr in Berlin und Marburg schließt sich die Zeit als Assistenzarzt an, wiederum in Berlin, bevor er seine Facharztausbildung in Wuppertal beginnt und sich fortan der Orthopädie und Unfallchirurgie widmet.

Höhere akademische Weihen

Als nächster akademischer Schritt folgt die Habilitation an der Universität Witten-Herdecke, darum herum: je eine halbjährige Fellowship in Winnipeg (Kanada) und Paris – das Erlernen modernster Operations- und Versorgungstechniken, begleitet von wissenschaftlicher Arbeit, steht im Mittelpunkt, besonders auch im sportmedizinischen Bereich. Vor seinem Wechsel nach Kevelaer und Kleve war er Oberarzt am Johanna-Etienne-Krankenhaus in Neuss. Die Erteilung „höherer akademischer Weihen“ steht unmittelbar bevor, ist doch das Verfahren zur Ernennung als »Außerplanmäßiger Professor« an der Universität Witten-Herdecke bereits eingeleitet, wo er logischerweise auch in Forschung und Lehre aktiv ist.

Praktiker statt „Wissenschaftsmaus“

So imposant wie sein Lebenslauf liest sich auch die diesen begleitende Statistik: mehr als 1.000 operierte Hüften, 1.500 Knie und 1.000 Schultern in den letzten Jahren – ein in diesem Umfang in Deutschland eher seltenes OP-Programm. Dass er sich als Praktiker fühlt und nicht die „Wissenschaftsmaus“ geben möchte, glaubt man nun sofort. Dennoch ist es für ihn selbstverständlich, seine Arbeit im Operationssaal wissenschaftlich zu begleiten und dieses in Studien und Veröffentlichungen zu belegen.

Was zieht so einen Mann nun in die niederrheinische Provinz? Zuallererst stellt er klar, dass er sein Arbeitsumfeld eben genau so nicht empfindet! Durch seine unterschiedlichen Standorte stellt das Karl-Leisner-Klinikum letzten Endes doch ein Großklinikum dar, dass die für seine Arbeit notwendige Infrastruktur und auch die nötigen Fallzahlen zur Verfügung stellt. So hat er die Möglichkeit, sein Expertenwissen auf dem Gebiet der Endoprothetik (dauerhaft im Körper verbleibende Implantate) voll zu entfalten. Das Klinikum gewinnt darüber hinaus einen der raren Experten hinzu, der die Technik der Hüftarthroskopie aus großer Erfahrung heraus sicher und routiniert beherrscht ­– einer hochmodernen minimalinvasiven Untersuchungs- und Operationstechnik im Bereich des Hüftgelenks.

Menschlichkeit, Konkurrenz und Ballungsräume

Aber auch bei der Wahl seines neuen Arbeitsortes kommt wieder der Faktor Menschlichkeit ins Spiel. Von Engelhardt lobt das kollegiale Miteinander zwischen Ärzteschaft und Klinikleitung, die ohne die sprichwörtlichen Dollarzeichen in den Augen agiert. Die Konkurrenz in Ballungsräumen führt schnell zu anderen Zuständen. Auch sein Team bekommt ein dickes Lob. Die geringe Personalfluktuation ist für ihn ein Signal für Qualität – in der Konstanz bei der medizinischen Versorgung und auch zwischenmenschlich. Begeistert berichtet er von einem morgendlichen Operationstermin, bei dem der zuständige Oberarzt die modernere Technik beherrschte und auch der Chef noch etwas dazu lernen konnte – Teamarbeit. Ebenso freut und beruhigt es ihn, dass der Schwerpunkt Handchirurgie seines Vorgängers durch zwei engagierte Oberärzte weitergeführt wird.

Das ihm auferlegte und das selbstgewählte Pensum ist groß und der Tag hat nur 24 Stunden. Feste und ordnende Rhythmen sind daher für ihn lebensnotwendig. Frühes Aufstehen, feste Tage in Kleve und Kevelaer, Visite, Morgenbesprechung, Operationen, Sprechstunden, regelmäßiger Patientenkontakt und Verwaltungsaufgaben sind Koordinaten aus seinem täglichen Raster. Dazu tritt die eigene Fortbildung – immer an den neuesten Methoden dran zu bleiben, ist für ihn gleichermaßen selbstverständlich wie an der Weiterbildung von Kollegen mitzuwirken.

Eigentlich wären die apostrophierten 24 Stunden mit dem Genannten locker zu füllen – mehrfach. Aber tatsächlich bleibt auch nach Abzug eines knappen Schlafpensums zeitlich noch ein Rest. Diesen widmet von Engelhardt vorrangig seiner Frau und den vier Kindern. Ein knappes, aber hochdosiertes Gut – die leuchtenden Augen deuten es an, wenn er von den Momenten mit seiner Familie spricht. Pläne gibt es auch noch, so zum Beispiel das Tennisspielen wieder aufzunehmen oder mal wieder einen Ausritt zu genießen – wahrscheinlich Zukunftsmusik. Ganz reale Musik gibt ihm allerdings einiges zurück, so schätzt er die inhaltliche Tiefe in den Liedern von Paul Gerhardt oder den Kantaten Johann Sebastian Bachs. Überhaupt ist sein Christsein für ihn lebensweisend und Halt gebend in gleichem Maße.

Ein Wachstumsmarkt der alternden Gesellschaft

Kevelaer hat mit von Engelhardt sicher einen guten Fang gemacht. Erkrankungen an »Knie, Schulter, Hüfte« sind in einer alternden Gesellschaft ohnehin ein »Wachstumsmarkt« und seine zusätzliche Expertise als Sportmediziner wird Klinikum und Patienten gewiss von großem Nutzen sein. Nur kann eine Klinik nicht das auffangen, was in der Fläche fehlt. Gemeinsam mit seinem Team sucht von Engelhardt den Kontakt zu niedergelassenen Kollegen und wird so unmittelbar mit dem Ärztemangel auf dem Land konfrontiert. Über moderne Behandlungsmöglichkeiten zu informieren und auch die Angst vor einer Operation zu nehmen, ist ihm wichtig. Erste Frucht dieser Bemühungen ist die Veranstaltung am 25. September, um 17 Uhr im Konzert- und Bühnenhaus – sicher die beste Möglichkeit, den neuen Chefarzt kennenzulernen.