Kevelaerer und das Coronavirus…

Wer am Samstag am Kapellenplatz spazieren ging, konnte im ersten Moment den Glauben haben, dass alles normal sei. Einige Passanten waren unterwegs – und vor dem „Eiscafé Europa“ an der Ecke gönnten sich die Frauen der „Prinzengarde Kevelaer“ nach einem Foto-Shooting in der Sonne sitzend ein Käffchen. „Wir sind unter 100, wir sind unter hundert Kilo und haben als Engelreisende bestimmt auch ohne Abstand keine Probleme, um bei einem Italiener einen Kaffee zu trinken“, sagte Irmi van den Berg und genoss die Gesellschaft der Frauen, mit denen sie unterwegs war.

Nach außen hin lautete das Motto: Keine Panik schieben. „Wir gehen da ganz normal mit um“, meinte Gerlinde Hermann, obwohl ihr offensichtlich dabei auch ein ganz klein wenig mulmig war. „Eigentlich dürfte ja keiner mehr raus.“ Man beginne aber durchaus schon, sich bewusster zu verhalten, ergänzte Marlene Hemmers. „Wir wechseln Handtücher, und ich benutze nur welche, die ich in der Wäsche später ‚kochen‘ kann.“

Zur Situation in Italien

Bei den Frauen der Prinzengarde Kevelaer war die Stimmung entspannt.

Eiscafé-Inhaberin Petra Gavaz kassierte im Laden eine Kundin ab, viel los war in dem Moment nicht. Vor drei Wochen sei man schon aus Italien wieder zurückgekehrt. Man habe Kontakt zu Freunden, die von den Zuständen aktuell berichten. „Manche dürfen arbeiten. Aber alle, die auf die Straßen müssen, müssen eine Bescheinigung zeigen, warum sie rausgehen.“ Sie würden dann wohl auch tatsächlich angehalten. „Und es darf nur ein Mitglied der Familie einkaufen gehen“, sei da die klare Maßgabe. „Da dürfen nur 50 Leute rein – und die müssen alle dort Abstand halten. Währenddessen stehen die Leute mit Maske in der Schlange vor dem Markt.“ Dazu kommen noch weitere Einschränkungen. „In der vierten Woche dürfen die Kinder schon nicht zur Schule. Seit drei Wochen gibt es keinen Fußball. Und im Fernsehen gibt es nur noch Sendungen ohne Publikum. „Das ist sehr, sehr ernst.“ Was aber toll sei, sei die Solidarität der Italiener untereinander. „Heute stellten sich um 12 Uhr alle ans Fenster, um denen zu applaudieren, die arbeiten und das bekämpfen. Die halten zusammen.“ Ihr Gefühl aber sei: „Wir sind hier nur drei Wochen später.“ Solange ihr aber keiner sagt, „es ist zu, kann noch jeder kommen. Hier geht Abstand.“ Auf der benachbarten Bank genoss der Coesfelder Benedikt Wachsmann mit seiner Schwiegermutter und der Familie ein Eis. „Wenn man die Bilder aus Italien und China sieht“, dann sei die Situation „schon beunruhigend“, meinte er.

Einige Menschen nutzten die Gelegenheit, das eröffnete Fenster der Gnadenkapelle zu sehen und den Blick auf die Trösterin der Betrübten zu werfen. Die Kirchengemeinde St. Marien hatte es geöffnet, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, in dieser Zeit den unmittelbaren Trost dort zu empfangen.

Große Nachfrage nach Desinfektionsmitteln

In der Stern-Apotheke auf der Busmannstraße waren kurz vor Feierabend noch ein paar Kunden im Laden. „Hier steppt der Bär seit 14 Tagen – unglaublich“, hörte man eine der Apothekerinnen im Gespräch mit einer Kundin sagen. Der Elektriker Sven Hein machte sich wenig Sorgen um Corona. „Man passt auf, wäscht sich die Hände. Letzte Woche musste ich nur zu Geschäftskunden. Meine Frau arbeitet in der Altenpflege und sagt, Du musst halt aufpassen, was Du machst.“ Die Nachfrage nach Desinfektionsmitteln sei groß, verwies Inhaberin Monika Schwarz auf die beiden letzten Flaschen, die noch im Regal standen. „Wir haben frühzeitig Alkohol gebunkert und stellen ihn soweit selbst her, weil für die Desinfektion ‚technischer Alkohol‘ von 99,9 Prozent ausreicht.“ Wann neuer Alkohol zur Verfügung steht, das wisse sie nicht. „Die Praxen fragen auch schon an. Und man bekommt eben auch nicht unbegrenzt Flaschen.“ Schutzmasken seien schon lange ausverkauft.

Die Reste des begehrten Desinfektionsmittels in der Stern-Apotheke.

„Mit gesundem Menschenverstand und Hygiene“, könne man mit dem Virus aber umgehen, sagte sie und zeigte auf die Tafel mit den Verhaltensmaßregeln. Auch ein kleines Heftchen zum Mitnehmen fand sich an den Tischen. Mir fiel ein Mann auf, der die Apotheke mit Päckchen verließ. „Die Freundin hat Halsschmerzen und Fieber. Wir fahren jetzt gleich, es gibt eine Überweisung nach Kleve“, erzählte er. „Wir nehmen das ernst, aber ohne Panik.“

Meine Radtour führte mich zu „Müller“, wo ich im Untergeschoss feststellen durfte, dass dort nicht mehr viel Toilettenpapier in der Auslage zu finden war. Als ich als Kunde nachfragte, ob man Desinfektionsmittel bekommen könne, erfahre ich: „Es gibt keins mehr, aber wir haben es bestellt.“

Vor der Edeka-Filliale am Antwerpener Platz traf ich dann auf Karl-Heinz Meinert und seine Frau, die noch eine Kleinigkeit besorgen wollten. „Bei uns kam jemand vorbei, der hatte rechts und links bestimmt 12 Pakete Toilettenpapier. Ich hab gedacht, die haben zuhause vielleicht einen Durchfall“, sah er als Mensch weit über 60 Jahre die Situation recht nüchtern. „Wen es erwischt, den erwischt es“, war seine Haltung. „Panikmache bringt nix, Hygiene ist wichtig“, lautete das Credo von Andrea Walter von der „Cuypers“-Apotheke direkt vor Edeka. „Seit Freitag gibt es viele, die sich erkundigen.“ Gerade die Alten seien stark verunsichert, „die Asthma, COPD oder was auch immer mit der Lunge zu tun haben.“ Und jetzt, wo die Schulen geschlossen seien, wüssten viele nicht, was sie mit ihren Kindern machen sollen. „Wir müssen auch gucken, wie das geht“, meinte sie mit Blick auf die Mitarbeiter.

Auch die Nudel-Regale bei Edeka werden immer wieder aufgefüllt.

Im Edeka-Laden lieferte Andre Spittmann gerade im Lager eine frische Fuhre Toilettenpapier an. „Ich hatte bestimmt an die 1000 Rollen im Wagen“, war der Marketingleiter persönlich die Edeka-Zentrale angefahren, um schnell Nachschub für die Läden zu organisieren. Filialleiter Matthias Selders packte mit einem Kollegen die Pakete ins fast leere Regal. „Viele haben sich mit Toilettenpapier eingedeckt. Wir haben sonst Anlieferung zweimal am Tag, aber darauf wollten wir diesmal nicht warten“, sagte er und war froh, dass er nachlegen konnte. „Heute morgen wars leer, darum bin ich nochmal her“, gestand Steffi Zörner, die sich direkt mit drei Packungen versorgte – allerdings aus gutem Grund. „Wir haben immer für 14 Tage was da, weil wir am Wyckermannshof in Weeze als Familien-Wohngruppe zehn Kinder da haben.“ Sie gehe entspannt auf das zu, was da kommen mag. „Das leere Zimmer meiner Tochter nutzen wir als ‚Klassenzimmer‘ – und sonst gehe ich mit den Kindern raus.“ Desinfektionsmittel gebe es schon nicht mehr, sagte Filialleiter Matthias Selders. „Das ist auch nicht mehr lieferbar – das Großlager ist ausverkauft. Da liegt wohl die Konzentration auf den Krankenhäusern“, so seine Vermutung.

Kartoffelpüree, Reis, Nudeln

Ob es denn schon sowas wie Hamsterkäufe gebe? „Seit Donnerstag verzeichnen wir größere Einkäufe. Und am Freitag war der Durchschnittsbon schon wesentlich höher“,  beschrieb er das, was man vielleicht schon so nennen kann. Uwe Klose ging kopfschüttelnd vom Nudelregal aus Richtung Kasse. „Kartoffelpüree, Reis, die Nudeln – alles leer“, schien der 64-Jährige das alles gar nicht glauben zu können. „Die Leute gehen damit um, als ginge die Welt unter. Das ist ein bisschen übertrieben“, machte er sich um seine persönliche Gesundheit in Sachen Corona wenig Gedanken. „Ich hab schon so viel mit Not-OP´s und sowas zu tun gehabt, da hat man keine Angst mehr“, meinte er. 

Marketingleiter Andre Spittmann versicherte, dass „die Lager voll und die Grundversorgung definitiv gesichert“ sei. „Die Nudelproduzenten liefern aktuell nur noch die Hauptsorten“, gab er die aktuelle Information weiter, die er gerade noch auf dem Transport der Waren mitbekommen hatte. „Das ist auch der Grund mit, warum die Regale so leer sind.“ Ein Satz, der lag ihm aber bei all den Ereignissen spürbar auf der Seele: „Das, was da passiert, das ist nicht normal.“