Kevelaerer Kreative nicht erwünscht

Will man die kreativen Köpfe in unserer Stadt bewusst außen vorhalten? So könnte man es zumindest vermuten, wenn man sich die Unterlagen zum „Teilnahmewettbewerb für die Entwicklung eines neuen Markenauftritts für die Wallfahrtsstadt Kevelaer“ im öffentlichen Vergabeportal herunterlädt. Denn die darin enthaltenen Kriterien können Kevelaerer Kreative und Unternehmen kaum erfüllen.
Worum geht’s? 2016 startet die Stadt Kevelaer den Strategieprozess „Wir für unverwechselbar Kevelaer“, der die anstehenden Veränderungen analysieren und Handlungsempfehlungen aufzeigen sollte. „Kevelaer muss als Marke im Standortwettbewerb verstanden, entwickelt und kommuniziert werden.“ Aus dieser Handlungsempfehlung soll nun der neue Markenauftritt (Logo, Corporate Design – einheitliches Erscheinungsbild eines Unternehmens/Organisation – und ein Leitspruch/Slogan) entstehen.
Der seit Anfang der 90er Jahre geltende Slogan „Unverwechselbar Kevelaer“ wird ausgemustert. Das Wortspiel und der Reim funktioniert schließlich nicht mehr mit der offiziellen Stadtbezeichnung „Wallfahrtsstadt Kevelaer“. Dieser Entschluss ist richtig und auch notwendig. Denn wenn man sich anschaut, was alles an Druckstücken und im digitalen Umfeld für die bzw. von der Stadt Kevelaer produziert wird, dann ist das ein Sammelsurium in unterschiedlichsten Gestaltungsstilen und Farbgebungen. In jedem Fall aber nichts Einheitliches, kein Wiedererkennungswert, der dem Betrachter klarmacht, dass es sich um Kevelaer handelt.
Darüber hinaus soll aus dem neuen Logo auch eine sogenannte Fan-Marke entwickelt werden, welche z.B. Vereinen und Betrieben zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt werden kann, ohne dass es zu einer Verwechslungsgefahr kommen kann. So weit, so gut.
Der durch die Stadtverwaltung vorgegebene Auswahlprozess soll in zwei Phasen erfolgen: In der Phase I können sich Werbe- und Kommunikationsagenturen um die Teilnahme bewerben, indem sie Belege ihrer Zuverlässigkeit und Eignung einreichen. Im Zuge des Teilnehmerwettbewerbs wird die Teilnehmerzahl für das nachgeschaltete Verfahren auf fünf Bieter begrenzt. Die Bieter werden mittels einer Matrix ermittelt.
In der Phase II werden die in der Phase I ausgewählten Bieter aufgefordert, ein Angebot mit einem ersten Kurzkonzept mit Assoziationen zur Wallfahrtsstadt Kevelaer und zum Projekt einzureichen, welches der Verwaltung der Wallfahrtsstadt Kevelaer als Auftraggeberin persönlich vorzustellen ist.
Allerdings geht es in dieser Bewertungsmatrix nicht darum, was eigentlich gefordert ist, nämlich um einen kreativen Ansatz, um eine Geschichte (Story), die zu Kevelaer erzählt werden muss. Für die Zulassung sind nur Bewertungsfaktoren vorgesehen, die kaum einen Rückschluss darauf zulassen, ob der Bewerber eine tolle Idee hat.
Kann man Kreativität für Kevelaer erwarten, wenn der Bewerber 40 von 100 insgesamt möglichen Punkten allein dadurch erreicht, dass er drei vergleichbare Referenzen und mindestens eine aus dem öffentlichen Sektor hat? Eher nicht. Das ist kein Garant für ein hochsensibles gewünschtes Arbeitsergebnis.
Hat ein Bewerber drei oder weniger Beschäftigte, erhält er 0 von 10 möglichen Punkten. Ist das ein Kriterium um Kreativität zu bewerten? Die meisten kreativen künstlerischen Ideen dieser Welt haben Einzelne erdacht.
401 Ideen für den ersten Slogan
Das war übrigens 1989 in Kevelaer auch schon so. Damals hatte man für den gesuchten Slogan hoch bezahlte Profis engagiert, doch alle produzierten Ergebnisse fielen durch. Darauf hin richtete die Stadtverwaltung einen Hilferuf an die Kevelaerer (KB Nr. 2, 13. Januar 1989) und bat diese, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Mit einem riesigen Erfolg – 401 Einsendungen gab es! Den Slogan „Unverwechselbar Kevelaer“ hatte die Kevelaererin Ursula Holtmann erdacht und Design und Typografie wurde von der Kevelaerer Agentur Kerberg umgesetzt (KB Nr. 19, 12.5.1989). Eine einzelne Kevelaererin hatte hier die zündende Idee, ein Profi hat es umgesetzt. Und diese Idee hat 30 Jahre lang dazu beigetragen, dass Kevelaer im Gedächtnis haften blieb.
Warum haben die Verantwortlichen jetzt nicht auch einen Wettbewerb ausgerufen, um erste Ideen/Entwürfe zu erhalten, auf deren Grundlage man das weitere Vorgehen bestimmen kann? Hat die Stadtverwaltung nichts aus der Vergangenheit gelernt? Schließlich handelt es sich bei diesem Vorhaben um ein hoch emotionales und sensibles Thema, das alle Bürger, Vereine und Unternehmen in unserer Stadt gleichermaßen betrifft. Wir alle sollen uns damit identifizieren. Schließlich steht in den Ausschreibeunterlagen, dass eine Fan-Marke kreiert werden soll. Und Fans gruppieren sich nun mal nur um ihren Star oder Favoriten. Es muss vielen gefallen – und nicht einzelnen.
Kevelaerer Unternehmen, die in diesem Umfeld tätig sind, fühlen sich nicht eingeladen bzw. gleich ausgeschlossen. Nur, wer den Newsletter der Stadt Kevelaer für Vergaben bezieht, hat überhaupt davon erfahren. Naturgemäß werden das nicht nicht viele sein, denn wie oft schreibt die Stadt Kevelaer derartige Projekte aus? Das Vergabeportal der Stadt ist eher für Handwerker und Bauunternehmen interessant. Hätte man die potenziellen Kevelaerer Unternehmen nicht direkt informieren können (müssen)? Oder wollte man das nicht?
Jedes potenziell interessierte Kevelaerer Unternehmen – und davon gibt es einige – wäre dann aber an den geforderten Kriterien gescheitert. Selbst wenn ein Bewerber bei den weichen Faktoren der Bewertungsmatrix, wie z.B. Motivation, eine optimale Bewertung erhält, kann er maximal 50 von 100 Punkten erhalten und landet so im Mittelfeld. So ist es auch gekommen.
Nur einer kam aus Kevelaer und durfte prompt Zuhause bleiben
Wer bewertet eigentlich diese Matrix und wie wird tatsächlich entschieden?
Die Bewerbungsunterlagen zu diesem Vergabeprozess haben sich ca. 50 Unternehmen/Personen heruntergeladen und 25 haben ihre Bewerbung eingereicht. Nun mag man denken: Das ist doch toll, dass sich 25 Unternehmen darum bewerben, unserer Stadt einen neuen Marketingauftritt zu verpassen.
Doch nur eine Kevelaerer Bietergemeinschaft hat sich die Mühe gemacht, diese aussichtlose Bewerbung dennoch abzugeben – und ist natürlich prompt nicht eingeladen worden. Mit der Begründung, sie sei nur im Mittelfeld gelandet. Ja, wie denn auch?!
Daran hätte die Stadtverwaltung im Vorfeld dieser Ausschreibung denken müssen, schließlich gibt es erfolgreiche und kreative Unternehmen und Agenturen in Kevelaer, die hier Arbeitsplätze bieten und Gewerbesteuer zahlen; die zumindest die Chance verdient hätten, sich um einen lukrativen Auftrag im Rahmen eines Wettbewerbs zu bewerben. Die Gemeinde Weeze hat gerade einen vergleichbaren Wettbewerb abgeschlossen, mit einem Auftragsvolumen von bis 60.000 Euro.
Jedenfalls ist es jetzt so, dass niemand mit Herzblut für / aus Kevelaer dabei sein wird. Wieder einmal eine vertane Chance der Verwaltung, im Eigenmarketing zu glänzen. Stattdessen erzeugt man Frust und Unverständnis bei Kevelaerer Bürgern und Unternehmern. Wie so oft.
Jetzt bleibt abzuwarten, was eingereicht und demnächst (hoffentlich) öffentlich diskutiert und ausgewählt wird. Vielleicht finden sich aber vorher noch kreative Kevelaerer, die einfach „grundlos Ideen pflanzen“ und die damit ihre Version eines neuen Markenauftritts für unser Kevelaer ausdrücken möchten. Das KB wird diese gerne veröffentlichen.