Kevelaerer blickten beim Marketing-Preis auf das Jahr 2020 zurück
Vier Kameras, mehrere Kilometer Kabel, fünf Kontroll-Bildschirme für die virtuelle Übertragung und ein in blau getauchtes „Gesprächsstudio“ mit Plexiglasscheiben auf der Bühne: das war die Situation bei dem diesjährigen Marketing-Preis im Konzert- und Bühnenhaus. „Wenn der Livestream läuft, ist hier komplette Ruhe, Handy aus“, sagte Techniker Matthis Zellmann, der mit seiner Crew im fast menschenleeren Bühnenhaus gut zu tun hatte. Von der Konzeption bis zur Umsetzung hatte es mehrere Wochen in Anspruch genommen. „Vier Kameras, hinten fünf Technik-Arbeitsplätze, sechs Leute, die im Hintergrund arbeiten – das ist also ein großes Brett mit vielen Leuten. (…) Das ist ein deutlich größerer Aufwand, um den aktuell gültigen Corona-Vorschriften zu genügen. Aber es funktioniert alles.“ Die Band der „Kevelaer Allstars“ hatte man eine Woche zuvor im Bühnenhaus aufgezeichnet und ließ sie in den Gesprächspausen auf dem Bildschirm laufen. Und Filmemacher Jürgen Zellmann hatte bei der Online-Übertragung alles im Griff. „Wir haben über YouTube so 300 bis 400 Zugriffe in der Spitze“, war sein zahlenmäßiges Fazit am Ende.
Drei Stunden lang konnten in sieben Gesprächsblöcken Menschen unterschiedlicher Institutionen und Einrichtungen vom Marktleiter bis zum Wohstift-Leiter, befragt von Moderator Christoph Kepser, berichten, wie sich die Situation bei ihnen unter den Bedingungen von Covid-19 in diesem Jahr verändert hat. Da ging es um fehlende Pilgerströme, Engpässe beim Toilettenpapier im Supermarkt, die Versorgung mit Tablets an Schulen und darum, wie das Krankenhaus und Pfleger in dieser Situation zurechtkommen. „Wir wollten einfach was machen“, meinte Wirtschaftsförderer Hans-Josef Bruns. Vor allem wollte man die Leute selbst erzählen lassen, was sie bewegt.
„Das ist ganz ungewöhnlich. Hier sitzen alles unerfahrene Leute, was Interviews angeht. Und das Ambiente, die Technik. Corona tut seins dazu, dass wir hier sitzen – spannend“, meinte Birgit Reudenbach vom Kindergarten „Spatzennest.“ „Man muss sich mit den Gegebenheiten arrangieren, die sich bieten. Das ist eine neue Zeit“, ging auch die Auffassung von „Börgermeister“ Felix Moeselaegen in diese Richtung.
Ein Blick hinter die Kulissen
Das Format biete so für den Abend eine echte Chance, fand Christoph Feldmann, Schulleiter der Gesamtschule Kevelaer. Die Facetten zum Beispiel der Vorbereitung, die im Zuge der Digitalisierung stattfinden, „die werden im Alltag gar nicht so klar“, meinte dazu die didaktische Leiterin der Gesamtschule, Martina Boudewins. Und all das könne hier transportiert werden. Schule bedeute heute, ein mittelständisches Unternehmen zu leiten.
Die Schule war nur ein Beispiel dafür, was der Marketing-Preis ohne Preis und Publikum erreichen wollte. „Das ist halt ein anderes Format, sehr gesprächslastig – das so neu ist und sicher auch nicht wieder kommt“, meinte Bürgermeister Dominik Pichler. „Wir sind ja auch keine Unterhaltungssendung. Es geht hier darum, dem Grundgedanken des Marketing-Preises gerecht zu werden – ein bisschen Rückblick aufs letzte Jahr und gucken, was läuft.“
Was kann ich wissen und was weiß ich?
Sebastian Klussmann, einer der Jäger der Fernsehsendung „Gefragt-Gejagt“, setzte als Hauptreferent mit seinem Redebeitrag über Wissen und Nichtwissen vor dem Hintergrund der digitalen Zeit einen fast philosophischen Akzent in den stark von Nachdenklichkeit und Corona bestimmten Beiträgen. „Ich wollte anfügen, dass die Akzeptanz des Unwissens und die Erkenntnis genauso wichtig sind“, sagte er. „Das ist ein ganz wichtiger Schritt, sich klarzumachen: was kann ich wissen und was weiß ich.“ Aber auch bei ihm war das Thema des Jahres präsent. „Ich hatte viel, viel weniger ‚in persona‘-Auftritte, als angedacht war. Im Januar und Februar einige, nach März mehr Fernsehauftritte, habe auch online Vorträge gehalten“, sagte Klussmann und drückte schließlich die Gefühlswelt vieler in dem Satz aus: „Aber ich mache es lieber vor Ort – der Austausch danach und davor ist ein wichtiger Faktor.“
Dazu passte die Erinnerung von Festkettenträger-Adjutantin Simona Mülders: „Vor elf Monaten haben wir hier Heimatabend gefeiert, sind rumgewirbelt auf der Bühne und hatten Spaß. Es ist irgendwie surreal, man kann das gar nicht so richtig verarbeiten.“ Jürgen Völlings als Festketten-träger nahm seine Situation mit Haltung: „Proklamiert bin ich, ich möchte die Festkette tragen.“ Und wenn es 2021 nicht klappt, dann auch eben erst 2022.
Unterhaltsam geriet dann das Schluss-Quiz mit Klussmann, Pichler und Kepser. Und dass man nicht weiß, dass Bayern München die meisten Vizetitel geholt hat, ließ sich angesichts der Tatsache, dass Liechtenstein als einziger europäischer Binnenstaat, der nur an Binnenstaaten grenzt, von Pichler erkannt wurde, verschmerzen. Und so bot der Marketing-Preis ein gutes Abbild des Jahres 2020: Es ist alles seltsam anders, abstrakter, mit weniger Leben, aber der Kevelaerer lässt sich nicht verrückt machen.