Kevelaer poliert die Glaskugel

Groß ist derzeit die Aufregung in Winnekendonk und Kervenheim, wenn es um die Zukunft der Grundschulen geht. Eine beruhigende Nachricht hat die Stadt Kevelaer in all dem Trubel aber von vornherein gehabt: Der Schulstandort Kervenheim ist nicht gefährdet. Wissen kann die Stadtverwaltung das, weil eine seit Kurzem eingesetzte Software ihr sehr verlässliche Prognosen zur Bevölkerungsentwicklung ermöglicht.

Prognose für Kevelaer-Süd inkl. Zu- und Wegzüge

Prognose für Kevelaer-Süd inkl. Zu- und Wegzüge


Im Zuge des Förderprogramms „NRW hält zusammen“ wollte die Stadtverwaltung eine Sozialraum­analyse durchführen – und musste feststellen, dass dafür nicht viele Daten vorhanden waren, wie sich Ruth Trötschkes vom Jugendamt erinnert. Bestenfalls waren die Daten auf Kreisebene vorhanden, meist nur auf Landes- oder sogar Bundesebene. Die Stadt stand vor der Wahl, viele Daten an vielen Stellen abzufragen und auf Kevelaer runterbrechen zu lassen, – was eine Menge Geld kostet –, oder die Daten selbst zu erheben, – was auch kostet, aber nachhaltiger ist und zudem bessere Daten liefert.
Prognose für Twisteden inkl. Zu- und Wegzüge

Prognose für Twisteden inkl. Zu- und Wegzüge


Um diese Daten zu verwalten und auszuwerten, hat die Stadt Kevelaer 2016 das sogenannte „Hildesheimer Bevölkerungsmodell“ angeschafft, eine Software, die Prognosen auch für sehr kleine Sozialräume umsetzen kann. Kevelaer ist darin in sechs Bereiche unterteilt: Kevelaer-Nord, Kevelaer-Süd, Kervenheim, Twisteden, Wetten und Winnekendonk. Das Programm ermöglicht Prognosen, wie sich die Zusammensetzung der Bevölkerung in diesen Gebieten über die nächsten 25 Jahre verändern wird.
Prognose für Wetten inkl. Zu- und Wegzüge

Prognose für Wetten inkl. Zu- und Wegzüge


Natürlich sind Prognosen über 25 Jahre mit Vorsicht zu betrachten. Deshalb ist die Software auch nur ein Hilfswerkzeug für die Stadtverwaltung. Auf einige Jahre zumindest scheinen die Vorhersagen sehr verlässlich zu sein, berichtet Trötschkes. Im Januar haben die Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Software mit den aktuellen Zahlen des Jahres 2016 gefüttert: Einwohnerzahlen, Zuzüge und Wegzüge für Kevelaer berechnet anhand des Durchschnitts der letzten drei Jahre, Geburtenziffern vom Kreis Kleve, Sterbeziffern vom Bund – aber sonst nur Kevelaer-spezifische Daten.
Prognose für Winnekendonk inkl. Zu- und Wegzüge

Prognose für Winnekendonk inkl. Zu- und Wegzüge


„Noch ein, zwei Jahre“ wolle man beobachten, ob die Prognosen weiter gut mit der Realität übereinstimmen, erläutert Trötschkes. Dann erst sollen auch größere Entscheidungen auf Grundlage der mittelfristigen Prognosen getroffen werden. „Wir können damit mögliche Entwicklungen früh erkennen und dementsprechend früh reagieren“, erläutert Trötschkes die Stärke des Programmes.
Schon jetzt hilft das Programm dem Jugendamt dabei zu erkennen, wie sich ein Bedarf zum Beispiel im Bereich der Kinder und Jugendlichen zukünftig gestalten könnte. So wäre ein Abgleich möglich, der die verschiedenen Altersgruppen in den sechs Gebieten aufzeigt und welche Angebote dort für die jeweiligen Zielgruppen vorhanden sind.
Prognose für Kervenheim ohne Zu- und Wegzüge

Prognose für Kervenheim ohne Zu- und Wegzüge – nur Sterbefälle und Geburten


Zwei weitere Module der Software nutzt die Stadt Kevelaer bereits erfolgreich: die Kita-Bedarfsplanung und die Schulentwicklungsplanung. Damit kann das Jugendamt absehen, wie viele Plätze in welchen Ortsteilen in den kommenden Jahren benötigt werden. Deshalb geht Schuldezernent Marc Buchholz davon aus, dass in Kervenheim und Winnekendonk ab 2018 bis mindestens 2021 wieder genügend Kinder eingeschult werden, um drei Klassen zu bilden – zwei in Winnekendonk, eine in Kervenheim.
Prognose für Kervenheim inkl. Zu- und Wegzüge

Prognose für Kervenheim inkl. Zu- und Wegzüge


Die Prognosen zeigen auch, dass anhand der aktuellen Daten Kevelaer insgesamt, aber auch jeder einzelne der sechs Bereiche in den nächsten 25 Jahren schrumpfen würde – gäbe es nur Geburten und Todesfälle. Berücksichtigt man jedoch Zu- und Wegzüge, werden Kervenheim und Winnekendonk sogar deutlich wachsen (siehe Grafiken unten) und die anderen Gebiete auf diese Weise ihre Größe halten oder sogar leicht zulegen, bis dieser Trend sich – laut der Prognoseberechnung – in zehn bis 15 Jahren langsam umkehrt. Dann nämlich werden die Zuzüge die geringe Geburtenzahl nicht mehr ausgleichen.
Das sind zunächst wenig überraschende Erkenntnisse, sie zeigen aber auch, dass die Software plausible Prognosen abgibt. Eine davon ist, dass in den nächsten zwei Jahren in Kevelaer kein Mangel an Kinderbetreuungsplätzen herrschen wird – allerdings auch, weil es ein umfangreiches Angebot in der Tagespflege gibt.
Bislang nutzt die Stadtverwaltung die Software nur im Kinder- und Jugendbereich. Hier sollen zunächst die Prognosen mit den Ergebnissen zusammengeführt werden, die 2016/17 aus der Befragung von Eltern und Jugendlichen im Rahmen von „NRW hält zusammen“ gewonnen wurden, um so Angebote und Bedarfe abzugleichen. Später soll die Nutzung dann ausgeweitet werden.