Kevelaer lebens- und liebenswert erhalten
Einen ganzen Stapel dicke Bretter zu bohren hat Tobias Kocken, der im Wirtschafts- und Verkehrsverein (WuVV) als Sprecher die Geschicke des Handlungsfeldes „Einzelhandel“ koordiniert. In unserer Serie über den WuVV soll dieses Mal der Blick auf den Bereich geworfen werden, der Aushängeschild und zugleich auch ein wenig Sorgenkind in Kevelaer ist, von dem Einheimische, Pilger und Gäste gleichermaßen profitieren und der wesentlich dazu beiträgt, dass Kevelaer in hohem Maße das hat, was im Fachchinesisch so trocken „Aufenthaltsqualität“ heißt – der (inhabergeführte) Einzelhandel.
Im Grunde sieht Tobias Kocken sein Wirken in der Tradition des „alten“ Verkehrsvereins stehen, der zum Ziel hatte, die Interessen der Gewerbetreibenden „mit einer Stimme“ zu vertreten, letztlich aber eingeschlafen war – ein gewisses Maß an Selbstzufriedenheit und auch ein wenig Desinteresse mögen Gründe dafür gewesen sein. Jedenfalls soll das nun nicht wieder passieren, wünschen sich doch alle Händler eine neue, aktivere Form von Kommunikation mit Stadt und lokaler Politik. Nur so lassen sich Pannen wie jene in der neuen Sondernutzungssatzung für die Hauptstraße verhindern, die deutliche Verschlechterungen für die Ladenbesitzer bei der Aufstellung von Werbetafeln mit sich gebracht hätte – Probleme die bei frühzeitiger Beteiligung der Betroffenen gar nicht erst entstanden wären.
Die Baustellen im Handlungsfeld Einzelhandel sind viele. So muss sich zum Beispiel auch das Marketing verbessern – attraktive Events zu veranstalten ist das eine, diese über die Grenzen Kevelaers hinaus bekannt zu machen, das andere. So könnte die sich großer Beliebtheit erfreuende „Nacht der Trends“ deutlich weitere Kreise (an)ziehen, als das bisher der Fall ist, denn genau dafür kommen Gäste nach Kevelaer: für Angebote, die auf Individualität ausgerichtet sind. Kocken sieht es in diesem Zusammenhang als Aufgabe an, die Kooperation mit dem Stadtmarketing zu verbessern.
Prozess der Sensibilisierung
Spricht man über Einzelhandel in Kevelaer, kommt man aber an zwei großen Themen nicht vorbei. Einmal geht es um das jedem sichtbare Problem des Leerstandes von Geschäften in der Innenstadt und andererseits um den Aufreger, der Kevelaer sogar regelmäßig Präsenz in der Landespolitik beschert und bei einigen Einheimischen für einen gesteigerten Ruhepuls sorgt: die Sonntagsöffnung von Geschäften.
Im Bericht über das Handlungsfeld „Kunst, Kultur und Kunsthandwerk“ (KB der vergangenen Woche) klang es schon an, dass Überlegungen angestellt werden, einige der momentan leer stehenden Geschäfte künstlerisch zu nutzen und zwar nicht als „tote“ Ausstellungsfläche, sondern in einem aktiven Sinne durch schaffende Künstler, die ihr Arbeiten erlebbar werden lassen. Hier ist noch einiges zu tun, unter anderem gilt es, die Hauseigentümer dafür zu begeistern.
An diesem Punkt möchte Tobias Kocken aber ganz grundsätzlich ansetzen, denn die hinlänglich bekannt recht hohen Mieten für Ladenflächen stellen wohl für Filiallisten ein geringeres Problem dar als für inhabergeführte Geschäfte. Aber genau von diesen lebt Kevelaer. Letztlich ist es ein Prozess der Sensibilisierung, dass die etwas preisgünstigere Vergabe der Ladenfläche an einen ortsansässigen Einzelhändler auf längere Sicht deutlich nachhaltiger für die Stadtentwicklung und damit auch für den Werterhalt der Immobilie positiv ist.
Das leidige Thema Sonntagsöffnung macht natürlich um Tobias Kocken und seine Mitstreiter keinen Bogen und auch hier will sich der WuVV gestaltend einbringen. Liegen durch das Ladenschlussgesetz und die damit gemachten Erfahrungen für die jährlich erlaubten acht ‚verkaufsoffenen Sonntage‘ mittlerweile ausreichend Erfahrungen vor, um diese rechtssicher durchzuführen – das KB berichtete mehrfach – ist der Regelungsrahmen für die sogenannten ‚Verkaufssonntage‘ deutlich unbestimmter.
Gerade von letzteren lebte Kevelaer lange Zeit recht gut, gestatten sie doch an 40 Sonntagen im Jahr, „ortskennzeichnende Waren“ zu verkaufen, doch hier fängt das Problem schon an – Was sind „ortskennzeichnende Waren“?
Ein Konzept erarbeiten
Um den anzeige- und klagefreudigen Gegnern des Sonntagsverkaufs nicht in die Hände zu spielen, sieht Kocken hier dringend Handlungsbedarf, um in enger Zusammenarbeit mit der Stadt ein Konzept zu erarbeiten, das es den Einzelhändlern rechtssicher ermöglicht, an Sonntagen ihr Geschäft wieder zu öffnen – warum soll in Kevelaer nicht das gelingen, was man auch in Brüggen geschafft hat.
Er betont dabei, dass es niemandem um die generelle Freigabe des Sonntags geht, aber gerade für den vielfältigen inhabergeführten Einzelhandel ist der Sonntagsverkauf überlebenswichtig im Kampf gegen Filialisten und Internethandel. Ansonsten ist das bedroht, was Kevelaer von anderen Kleinstädten unterscheidet und gewissermaßen „ortskennzeichnend“ aus der Masse heraushebt: eine lebendige Innenstadt.