Lesermeinung
Kevelaer ist nicht gerüstet für den Klimawandel

Foto: pixabay
Zum Thema „Baumbestand und Klimawandel in Kevelaer“ schreibt KB-Leser Stephan Martens folgenden Beitrag:
„Ein gesunder Baumbestand kann das Klima in einer Stadt und gerade die sommerlichen Temperaturen um 3° senken. Ein gesunder Baumbestand, bietet Schatten, Luftbefeuchtung, Staubbindung und außerdem eine gute Basis für ein funktionierendes Ökosystem. Eine lückenlose Allee großer, gesunder Bäume kann kühle Luft aus der Umgebung in die Stadt ansaugen und hineinströmen lassen. Eine natürliche Klimaanlage!
Das sollte uns was etwas Wert sein. Die Wirkung für unsere Gesundheit ist enorm, denn gerade ältere Menschen, und Kevelaer ist alt, leiden unter den hohen Sommertemperaturen.
Kevelaer und die verantwortlichen Politikerinnen/Politiker und die Verantwortlichen der Stadtverwaltung haben es in den letzten Jahrzehnten versäumt, einem qualitativ immer schlechter werdenden Baumbestand entgegenzuwirken. Möglicherweise ist die Anzahl der Bäume gleich, aber es handelt sich zumeist um Bäume deutlich jüngeren Alters mit deutlich geringerer Blattfläche. Darüber hinaus sind meistens Bäume gepflanzt worden, von ausländischer Herkunft mit geringem ökologischen Wert. Ein Baum aus China oder Nordamerika bietet Insekten kaum eine Nahrungsgrundlage. Und wie eine Nahrungpyramide und ein Ökosystem funktioniert, war den Verantwortlichen seit Jahrzehnten bekannt. Der Große frisst den Kleinen. Wenig Insekten an den Bäumen bedeuten weniger Vögel. Aber genau das ist auch ein Punkt, der natürlich so gewollt ist. Vögel, die auf weiße Cabrios scheißen, sind eben nicht beliebt. Bäume, von denen Blattläuse Ausscheidungen fallen lassen und die Mülltonnen verkleben, haben wenige Fans. Pflanzen, die Samen abwerfen, die Dachrinnen verstopfen oder mit ihren Wurzeln das Pflaster hochheben oder Kanäle zerstören, haben schlechte Karten.
Diese sicherlich negativen Auswirkungen haben in Kevelaer immer eine entscheidende Rolle gespielt. Gerade bei der Beseitigung von „lästigen“ Bäumen und bei der Auswahl, welche Bäume dann neu gepflanzt werden.
Ich habe selbst viele Jahre als gelernter Gärtner und Umweltschutztechniker im Rat der Stadt Kevelaer mitgewirkt und versucht, den Baumbestand in Kevelaer zu schonen, zu schützen und zu verbessern. Einige Vertreter der konservativen Parteien haben mir in regelmäßigen Abständen zu verstehen gegeben, dass Bäume in den Wald gehören. Meine mahnenden Worte und die meiner Parteikolleginnen sind nur selten gehört, zumeist ist man für diesen Einsatz eher belächelt worden.
Es ist also eine Chance vertan worden. Wir hätten vor Jahrzehnten anfangen müssen, den Baumbestand zu verbessern, die Anzahl großer Bäume zu erhöhen. Funktionierende Alleen aus heimischen Bäumen zu pflanzen. Den Bäumen einfach mehr Wert zuzusprechen, trotz sicherlich hoher Kosten.
Es ist kaum zu beziffern, was wir demnächst an Kühlung, Schattierung im technischen Bereich ausgeben müssen, um Temperaturen im moderaten Rahmen zu halten. Es wird kaum zu berechnen sein, was wir im gesundheitlichen Bereich für Nachteile erleiden müssen, wenn die Temperaturen in der Stadt so hoch sind.
Nachfolgen möchte ich Beispiele nennen, wo es auch für den Laien sichtbar ist und wo man mit einer anderen Politik heute ein ganz anderes Ergebnis hätte.
Kroatenstraße:
Vor Jahrzehnten haben hier japanische Kirschen gestanden. Diese waren erschöpft und marode und sind gefällt worden. Sicherlich eine richtige Entscheidung. Als Ersatzbäume sind hier Blutahorn gepflanzt worden. Die alten Bäume standen im gewachsenen Boden, was immer ein Riesenvorteil ist, denn im gewachsenen Boden gibt es einen ganz anderen Wasser- und Nährstoffhaushalt. Findet eine Sanierung einer Straße statt, dann wird dieser gewachsene Boden meistens beseitigt oder gestört, und die neuen Bäume stehen im frisch aufgeschütteten Boden, zumeist mit darunter einer Kiesschicht oder unbestimmten Bodenschichten. Das ist somit immer für die Bäume nur zweitklassig.
Dieses Zweitklassige wird aus Kostengründen in Kauf genommen. Die neuen Bäume sollen ja schließlich nicht so wuchern, sonst sind Lästigkeiten wie Laub- und Samenwurf, Wurzelkräfte um so früher Grund für Anwohnerbeschwerden.
Bei der Pflanzung wird zu selten drauf geachtet, dass die Bäume gerade im Stadtklima möglichst optimale Bodenbedingungen haben müssen. Viele Bäume stehen heute auf neuen Straßen geradezu im Schotter oder in irgendwelchen Altlasten. Die Wurzelräume und Volumina guter Substrate sind oft völlig unzureichend. Das sind doch dann Dinge, die bei einer Straßensanierung ganz hinten anstehen und für die Verantwortlichen auch nicht von großem Wert sind. Heute wird dies sichtbar an den Blutahornbäumen, welche auf der Kroatenstrasse stehen. Sie haben allesamt Hitzeschäden, die Rinde platzt großflächig auf. Sie werden nicht mehr lange leben und müssen wieder gefällt werden, um dann durch junge, neue, kleine Bäume in Besenstilstärke ersetzt zu werden. Die Bodenverhältnisse müssten dann eigentlich auch verbessert werden, das wird aber mit Sicherheit aus Kostengründen nicht erfolgen. Denn bei guten Bodenverhältnissen ist ein Blutahorn auch in der Lage, hohe Sommertemperaturen zu ertragen. Nur bei schlechter Kondition eben nicht. Somit fangen wir in einigen Jahren an der Kroatenstraße wieder bei Null an, um eine funktionierende Klimaanlage aus Bäumen zu erhalten. Bis diese dann Wirkung zeigt, können Jahrzehnte vergehen.
Marktplatz:
Hier wird gerade jetzt in diesen Tagen sichtbar, dass auch hier eine Chance vertan worden ist, in Kevelaer auf diesem schönen, zentralen Platz eine natürliche Klimaanlage zu installieren. Große Pflasterflächen beherrschen das Bild. Vom Alt Derp bis zum Rathaus ist nicht ein einziger neuer Baum in der Betonwüste zu sehen. Zwei schüch
terne Beete mit Felsenbirnen sind alles, was dort an Grün zu finden ist. Solche Bereiche werden sich erbarmungslos aufheizen.
Auf dem Marktplatz selbst gibt es ebenfalls wenig Grün. Die wesentlichen Bäume bestehen aus exotischen Arten. Sie haben fast keinen ökologischen Wert. Die Bäume sind alle noch im jugendlichen Alter, man hätte hier viel mehr investieren müssen, um schon größere Bäume zu verwenden. Diese sind natürlich ein Vielfaches teurer. Auch hier sind die Betonflächen viel zu groß. Und es sind wirklich kahle graue Betonflächen; früher war mal ein für den Niederrhein typischer Ton-Klinkerstein erste Wahl. Mit viel positiveren Eigenschaften für Stadtklima und Umwelt als graue Betonsteine (Haltbarkeit, Sicherfähigkeit, Diffusionsfähigkeit).
Die Gründe liegen natürlich auf der Hand: Parkplätze für Autos sind wichtiger, eine Tiefgarage hätte viel Geld gekostet. Und einmal im Jahr muss eben für den Zuckerwatteverkäufer auf der Kirmes ein Platz vorhanden sein.
Heute bin ich beruflich Reiseveranstalter für Ornithologen und Naturfreunde. Somit komme ich nur in Abständen von vielen Monaten mal nach Kevelaer zurück. Wenn ich dann durch die Stadt spaziere, fallen mir aber gerade deswegen solche Dinge besonders ins Auge und ich muss mich massiv darüber ärgern, dass die Verantwortlichen seit Jahrzehnten dem nicht genügend Rechnung tragen. Erkenntnisse ignorieren und so mit der Gesundheit unserer Bevölkerung ein leichtsinniges Spiel treiben.
Und ich sehe auch, dass in vielen anderen Kleinstädten in Deutschland und Europa die Entwicklung deutlich positiver läuft, die Wertigkeit der Bäume erkannt worden ist. Kevelaer macht gerade hier einen wirklich abgehängten Eindruck und für den Klimawandel ist es nicht vorbereitet.
Stephan Martens


