Kevelaer ist ein Zuzugsgebiet

Politiker, Vertreter der Sozialeinrichtungen und interessierte Bürger waren in die Mensa des Schulzentrums gekommen, um sich den Zwischenbericht zu den Ergebnissen der Umfrage zu „Kevelaer hält zusammen“ anzuhören. Sozialdezernent Marc Buchholz und die Organisatorin der Fragebogenaktion, Vanessa Freienstein, begrüßten die Gäste.
„Kevelaer ist keine arme Stadt, aber es gibt Armut,“ sagte Buchholz. In dem Vortrag wurde deutlich, dass in der Stadt 15,1 Prozent unter 1.500 Euro verdienen, 3,7 Prozent unter 750 Euro oder weniger. Die Zahlen seien allgemein geeignet, um künftig politisch damit zu arbeiten. Anträge für „soziale Teilhabe“ an das Land könnten gestellt werden, um für besondere Gruppen an Fördertöpfe zu kommen“, so der Dezernent.
Bürgermeister Dominik Pichler dankte dem Team für seine Arbeit: „Die SPD wollte schon immer eine Sozialraumstudie.“ Dies beinhalte möglicherweise Schlüsse, „wo wir sehen, dass wir was verändern müssen.“
Die Debatten würden zukünftig anders gestrickt sein, machte auch Heinz Ermers als Vorsitzender des Sozialausschusses klar, auch was die Chance möglicher gezielter Maßnahmen betreffe, „statt mit der Gießkanne“ Dinge zu fördern. Man habe vor Kurzem mit den Ortsvorstehern und Fraktionsvorsitzenden in Kevelaer zusammengesessen. „Da hatten alle das Gefühl, daran wollen wir arbeiten.“ Die 0,7 Prozent mit einem Einkommen von unter 500 Euro „erschrecken mich schon“, sagte Ermers.
Anschließend stellte Vanessa Freienstein ausführlich die aktuell vorliegenden Ergebnisse der sozialraumbezogenen Daten zu den Schwerpunkten „Familienarmut und Kinder/Jugendarmut in Kevelaer“ vor. 941 Fragebögen seien von Eltern, 776 von Schülern und 245 Fragebögen von Einrichtungsmitarbeitern ausgefüllt worden, dazu kommen noch 38 Fragebögen von polnischen Mitbürgern.
Der Bericht stellte dar, wie viele Personen mit wie vielen Geschwistern in den Familien zusammenleben, wer zusammen wohnt (davon 11,43 Prozent Alleinerziehende), welche Sprache gesprochen wird oder in welchem Stadtteil sie wohnen.
Überrascht gab sich Buchholz, dass 60,43 Prozent der befragten Kevelaerer nicht in Kevelaer geboren wurden. Knapp ein Drittel lebt sogar noch weniger als zehn Jahre hier. „Kevelaer ist also deutliches Zuzugsgebiet“, so der Dezernent. Auffällig waren auch die Werte für die Wohnform. Demnach liegt der höchste Eigentumsanteil in Twisteden und Kleinkevelaer mit über 80 Prozent. In Winnekendonk leben gut 75 Prozent in den eigenen vier Wänden, in Kervenheim und Wetten sind die Zahlen nur knapp darunter, während in Kevelaer nur 57 Prozent in Eigentum leben.
Erstaunlich fand Buchholz auch die Tatsache, dass die Eltern die Familienfreundlichkeit Kevelaers um zehn Prozent höher bewerten als die Mitarbeiter. „Was kann Verwaltung tun, um den Mitarbeitern dieses Gefühl zu vermitteln?“, fragte er sich laut.
Die Gründe für „weniger Familienfreundlichkeit“ waren ähnlich: „zu hohe Kita-Gebühren“, „Mangel an Spielplätzen“, der Verkehr, Wohnraum oder „Wallfahrt und Pilger“ wurden da genannt. Das Land werde die Kibiz-Richtlinien ab 2019 regeln. Dann gebe es auch eine neue Beitragssatzung, so Buchholz. Auch flexiblere Abholzeiten bei der OGS seien ein Thema.
Diskussionsthema war auch die Tatsache, dass kaum jemand die Caritas und die AWO als Träger der Übermittagsbetreuung kennt. „Das ist nicht so dramatisch“, fand die Geschäftsführerin des AWO-Kreisverbandes, Marion Kurth. Die Tatsache, dass über die Hälfte der Eltern (55,04 Prozent) mehrere Autos habe, deutete Vanessa Freienstein als Beleg für das vermehrte Ver­kehrs­aufkommen am Mittag.
Zahlen, die bei der Ausweisung künftiger Neubaugebiete berücksichtigt werden müssten, gab Marc Buchholz zu bedenken. Interessant sei auch die positive Wahrnehmung des ÖPNV, obwohl ihn über zwei Drittel der Eltern gar nicht nutzten. „Das zeigt, der Stellenwert des Bürgerbusvereins zum Beispiel ist hoch angesiedelt.“
In Sachen Bildung und Teilhabe kam heraus, dass ein Drittel der Mitarbeiter in den Einrichtungen selbst das „Bildungs- und Teilhabepaket“ für gezielte Hilfen nicht kennt. Das gilt auch für 43 Prozent der Eltern. Gut 43 Prozent davon vermuteten, keinen Anspruch zu haben. „Da müssen wir sehen, ob wir über Multiplikatoren noch arbeiten müssen“, hatte Buchholz entsprechende Flyer dabei.
Vorstellung in den Ortschaften
Die Zahlen für Kevelaer und die einzelnen Ortschaften werden jetzt in lokalen Vorstellungsrunden vor Ort nochmal dargestellt, ehe es am 13. Dezember zur Ergebnispräsentation kommen wird. Das erste Sozialraumtreffen findet am 6. November in Twisteden statt, zwei Tage später folgt Kervenheim, am 9. November dann Wetten. In Kevelaer finden Treffen am 14. November und 1. Dezember statt.