Kevelaer bleibt ein Stück Heimat
Die Gelassenheit der Menschen, das respektvolle Miteinander und der entspannte Alltag – all das schätzt Ferdinand Hoischen an seinem Leben in Schweden besonders. Der gebürtige Kevelaerer verbrachte seine ersten zehn Lebensjahre in der Marienstadt, zog in den 60er Jahren weg und wanderte 1997 schließlich nach Schweden aus. Bereut hat er diesen Schritt nie. Doch besonders die Erinnerung an seine Eltern halten ihn mit Kevelaer verbunden.
Obwohl seine Eltern beide nicht aus Kevelaer stammten, kamen Ferdinand Hoischen und sein Zwillingsbruder am 31. Dezember 1949 hier zur Welt. Die Tätigkeit des Vaters als Organist hatte die Familie in die Wallfahrtsstadt geführt. „Ich habe schöne Erinnerungen an Kevelaer“, sagt Hoischen, der damals die Hubertusschule besuchte. Besonders die Zeit, die er durch den Beruf seines Vaters in der Kirche verbrachte, und die großen Lichterprozessionen sind ihm in Erinnerung geblieben. „Das hat Eindruck bei mir hinterlassen.“ Im April 1960 verließ die Familie das Zuhause an der Basilikastraße 1 und zog nach Aachen.
Hoischen arbeitete nach seinem Jurastudium als Anwalt mit eigenem Büro. Seine Leidenschaft zu „Taekwondo“ führte ihn schließlich zu seiner späteren Frau. Er war damals als Trainer angefragt worden, willigte ein und fand sich als Lehrperson vor einer 30-köpfigen Sportlergruppe wieder. „Da wusste ich: das ist sie“, beschreibt er heute den Moment, als er inmitten der Menschen eine junge Frau entdeckte. Nachdem die beiden ein Paar wurden, kristallisierte sich schnell eine gemeinsame Leidenschaft für Schweden heraus. Seine spätere Frau habe sich einst an einem Wunschbrunnen sogar gewünscht, irgendwann einmal in dem Land zu leben.
Ferien im Schwedenhaus
Anfang der 90er Jahre kaufte Hoischen schließlich ein Ferienhaus in Schweden, ließ kurz darauf ein zweites für seine Eltern bauen und verbrachte mit seiner Frau und den beiden Kindern viele Ferien dort. Im August 1997 wurde der Traum des gebürtigen Kevelaerers und seiner Frau wahr: Sie zogen mit ihrer Familie von Mönchengladbach nach Schweden.
Das Paar verbrachte viele gemeinsame Jahre im eigenen Haus, bis seine Frau 2015 nach kurzer, schwerer Krankheit verstarb. „Sie war meine große Liebe und ist es immer geblieben“, sagt der 70-Jährige, dessen tiefe Verbundenheit mit seiner Frau in den Erzählungen spürbar ist. Eine Rückkehr nach Deutschland kam für ihn aber auch in den vergangenen Jahren nie in Frage. Für ihn ist Schweden nach wie vor das Land, in dem er leben möchte. Er gehe jeden Tag spazieren und genieße vor allem das Gemüt der Mitbürger*innen. Sie seien oft „viel gelassener und viel respektvoller“, sagt Hoischen. „Sie wirken erst distanziert, das ist aber Respekt, die sie einem entgegenbringen.“ An eine beispielhafte Situation erinnert er sich, die in seinem Heimatland Deutschland wohl kaum denkbar wäre: Auf einer Verkehrsstraße habe er einmal erlebt, wie zwei sich entgegenkommende Autos nebeneinander hielten, die Fensterscheiben öffneten sich und die Fahrer blieben für Gespräch stehen. Anstatt eines lautstarken Hupkonzertes reagierten die übrigen Autofahrer mit einer nervenschonenden Variante – sie fuhren einfach vorbei.
Trotz der Vorliebe für die schwedische Gelassenheit ließ Hoischen es sich nicht nehmen, im Jahr 2014 nach Kevelaer zurückzukehren. Ganze 54 Jahre war er zuvor nicht mehr in der Marienstadt gewesen. Er und sein Zwillingsbruder waren von ehemaligen Klassenkameraden zu einem Klassentreffen eingeladen worden. Dies sollte zugleich die letzte Reise mit seiner Frau sein. Nicht zuletzt aus diesem Grunde erinnert er sich gerne an diesen Besuch zurück. Es sei immer noch ein gewisses Heimatgefühl vorhanden. Wenn er nach Deutschland reist, ist Kevelaer allerdings nicht der einzige Halt – Freunde aus dem ganzen Land werden besucht. Aber: „Der Höhepunkt ist Kevelaer“, betont der 70-jährige Auswanderer.
Im Jahr 2019 war Hoischen erneut zu einem Klassentreffen vor Ort und in diesem Jahr war während seines Besuches sogar ein kurzer Halt in unserer Redaktion im Zeitplan. Im nächsten Jahr sei erneut ein Klassentreffen in Aussicht. Dass die Reisen in die Wallfahrtsstadt in den vergangenen Jahren zugenommen haben, sind allerdings keine Vorboten einer Rückkehr. Mit Blick auf sein Zuhause in Schweden sagt Hoischen: „Ich fühle mich nirgendwo so heimisch wie dort.“ Das breite Lächeln und die strahlenden Augen lassen daran keinen Zweifel.